Annahme der Richtlinie zu Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Kartellrecht durch den Ministerrat | Fieldfisher
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Publication

Annahme der Richtlinie zu Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Kartellrecht durch den Ministerrat

Locations

Germany

Der Europäische Ministerrat hat am 10.11.2014 den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie (RiLi) über Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Kartellrecht verabschiedet. Dadurch sollen private Schadensersatzklagen von Kartellgeschädigten weiter erleichtert werden. So wird künftig die Entstehung eines Schadens durch ein Kartell vermutet. Auch können sich indirekte Geschädigte auf eine erhebliche Beweiserleichterung stützen. Die Richtlinie muss zwar noch in nationales Recht umgesetzt werden. Sie könnte aber schon jetzt die Auslegung des aktuellen Rechts beeinflussen.

Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Punkte der RiLi zusammen:

Voller Schadensersatz

Jeder, der durch ein Kartell geschädigt ist, kann vollen Schadensersatz verlangen. Der Schadensersatz umfasst dabei den Ersatz der eingetretenen Vermögenseinbuße und des entgangenen Gewinns, sowie die Zahlung von Zinsen (Art. 3 RiLi).

Offenlegung von Beweismitteln durch den Beklagten

Nationale Gerichte können die Offenlegung von Beweismitteln durch den Beklagten anordnen. Der Kläger muss dafür plausible Gründe angeben. Das Gericht prüft dann die Verhältnismäßigkeit des Antrags, insbesondere im Hinblick auf vertrauliche Angaben (Art. 5 RiLi).

Offenlegung von Beweismitteln durch Wettbewerbsbehörden

Für die Anordnung der Vorlage von Beweismitteln der Wettbewerbsbehörden wird nach Dokumententypen unterschieden (Art. 6 RiLi):

  • Keine Vorlage von Kronzeugenerklärungen und Settlement-Eingaben.
  • Vorlage von Verfahrensdokumenten (erstellt von der Wettbewerbsbehörde oder Unternehmen / Personen für das Verfahren) erst ab Entscheidung oder Einstellung des Verfahrens.
  • Vorlage anderer Dokumente jederzeit.

Bindungswirkung behördlicher Entscheidungen

Einzelstaatliche Gerichte sind an die rechtskräftigen Entscheidungen der nationalen Wettbewerbsbehörde hinsichtlich des Vorliegens eines Kartellverstoßes gebunden (Art. 9 RiLi).

Verjährung/Zeitraum für Geltendmachung

Die Verjährung beginnt erst, wenn der Kartellgeschädigte Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen

  • von dem Verhalten an sich,
  • der Rechtswidrigkeit des Verhaltens,
  • dem ihm dadurch entstandenen Schaden
  • und der Identität des Kartelltäters.

Ein Schadensersatzanspruch verjährt frühestens nach fünf Jahren. Die Verjährung wird unterbrochen oder gehemmt durch Untersuchungen einer Wettbewerbsbehörde. Nachdem die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde rechtskräftig geworden ist, haben die Kartellgeschädigten mindestens ein Jahr Zeit, um ihre Schadensersatzforderung geltend zu machen (Art. 10 RiLi).

Gesamtschuldnerische Haftung

Die Teilnehmer eines gemeinsamen Kartellverstoßes haften gesamtschuldnerisch. Dabei haften kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Grundsatz nur gegenüber ihren unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern. Zur Definition von KMU: LINK

Ebenso ist ein Kronzeuge im Grundsatz nur gegenüber seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern und Lieferanten haftbar, soweit die Geschädigten von den anderen haftenden Unternehmen vollständigen Schadensersatz erhalten können (Art. 11 RiLi).

Einwand der Schadensabwälzung (passing-on defence)

Die  Beklagten im Schadensersatzverfahren können den Einwand geltend machen, dass der Kläger den Preisaufschlag ganz oder teilweise an seine Abnehmer weitergegeben habe. (Art. 13 RiLi).

Mittelbare Abnehmer

Mittelbare Abnehmer haben im Grundsatz einen Schadensersatzanspruch gegen den Kartelltäter, tragen jedoch die Beweislast für die Abwälzung des Schadens auf sie durch einen anderen Kartellgeschädigten. Mittelbarer Abnehmer wäre etwa bei einem Herstellerkartell der Kunde des dazwischen geschalteten Großhändlers. Für mittelbare Abnehmer soll aber erhebliche Beweiserleichterung gelten. Ein solcher Beweis ist erbracht, wenn der Kläger (mittelbarer Abnehmer) nachweist,

  • dass der Beklagte einen Kartellverstoß begangen hat,
  • dass der Verstoß zu höheren Preisen geführt hat
  • und dass er Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die Gegenstand des Kartellverstoßes waren oder daraus hervorgegangen sind (Art. 14 RiLi).

Schaden

Es gilt die Vermutung, dass ein Kartell einen Schaden verursacht hat. Die Kartelltäter können diese Vermutung widerlegen. Zur Ermittlung des Schadensumfangs sollen Regelungen geschaffen werden, nach denen die Geltendmachung des Schadens nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird. Darüber hinaus ist das Gericht zur Schadensschätzung befugt (Art. 17 RiLi).

Einvernehmliche Streitbeilegung (Vergleichsverfahren)

Für die Dauer von Schlichtungsgesprächen ist die Verjährung gehemmt. Gerichte können außerdem Schadensersatzprozesse bis zu zwei Jahre aussetzen, um eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits zu ermöglichen (Art. 18 RiLi).

Weiteres Verfahren

Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union tritt in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Richtlinie umzusetzen.

Dokumente

Richtlinie der Europäischen Kommission über Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Kartellrecht (http://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/documents.html)

Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 10.11.2014 (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-1580_en.htm)

Praktikerhinweis Dr. Dethof: Durch die Richtlinie wird die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach Kartellverstößen weiter gefördert. Der Gesetzgeber hatte bereits mit der 7. GWB-Novelle die private Kartellrechtsdurchsetzung aufgewertet. Seit dem kann sich der Kläger u.a. auf § 33 GWB berufen, nach dem die Behördenentscheidung für den nationalen Richter bindend ist. Nun sollen weitere Erleichterungen folgen, etwa zur Verjährung. Auch wird zu Lasten des Kartelltäters vermutet, dass das Kartell einen Schaden verursacht hat. Daneben wird die Beweislast für indirekt Geschädigte deutlich erleichtert. Künftig werden also neben den Kunden von Kartellanten auch noch öfter deren Kunden ihre Ansprüche sorgfältig prüfen. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Richtlinie schon jetzt die Auslegung des aktuellen Rechts beeinflussen wird.

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