Wie haben Steuerberater*innen mit komplexen Rechtsfragen und Rechtsunsicherheiten im Rahmen der Schlussabrechnungen umzugehen? | Fieldfisher
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Wie haben Steuerberater*innen mit komplexen Rechtsfragen und Rechtsunsicherheiten im Rahmen der Schlussabrechnungen umzugehen?

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Erhascht man einen Blick in den Terminkalender eines beliebigen Steuerberaters, so sieht man schnell, dass die Frist für die Einreichung der Schlussabrechnung Paket 1 (Überbrückungshilfe I-III sowie November- und Dezemberhilfe) am 31. Oktober 2023 [Nachfrist: 31. Januar 2024] endete. Die Frist konnte auf Antrag zunächst bis zum 31. März 2024 verlängert werden. Sofern eine Fristverlängerung beantragt wurde, ist die Schlussabrechnung nun bis spätestens 30. September 2024 einzureichen. 

Dies ist der Stichtag bis zu dem die Schlussabrechnungen für die verschiedenen Corona-Überbrückungshilfen zu erstellen sind. Wir möchten in einer Beitragsserie auf Problempunkte im Rahmen der Schlussabrechnungen eingehen.

In diesem Beitrag möchten wir darlegen, wie aus Sicht der Steuerberater*innen mit komplexen Rechtsfragen und Rechtsunsicherheiten im Rahmen der Schlussrechnungen der Corona-Überbrückungshilfe idealerweise umgegangen werden sollte.

 
I.          Wie ist im Falle von Rechtsunsicherheiten mit diesen umzugehen?
Es ist vorab fest zu stellen, dass das Schlussabrechnungsverfahren im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen auch dann eingeleitet werden kann, wenn die Antragsberechtigung noch rechtlich unklar ist. Mit der Stellung eines Antrags beginnt zwar das behördliche Bewilligungsverfahren, förmlich abgeschlossen wird dieses jedoch erst mit finaler Bescheidung in Form des Verwaltungsaktes. Der prüfende Dritte muss dabei in der Schlussabrechnung nach bestem Wissen und Gewissen die Angaben des Antragstellers prüfen. Im Rahmen dieses Vorgangs gewonnene Informationen sind stets vollständig einzureichen. Rechtsunsicherheiten sind im Zweifel offenzulegen.

In der Zwischenzeit ist die Behörde nach dem sog. Untersuchungsgrundsatz (§ 24 VwVfG) verpflichtet, den gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dabei kann sich auch der Antragsteller bzw. seine Interessenvertreter an die Behörden wenden, sollte die Rechtslage aus ihrer Sicht unklar sein. Um Unklarheiten zu minimieren, können über die elektronische Erklärung im Antragsformular hinaus weitergehende Informationen als "begleitendes Schreiben" eingereicht werden. Der zu prüfende Antrag besteht also nicht nur aus dem elektronischen Formular, sondern aus allen eingereichten Unterlagen und Erklärungen. Derartige Unklarheiten sind im Organisationsprofil (zumeist als Extra-Datei) mit einzureichen und entsprechend zu kennzeichnen.

Was das Organisationsprofil ist, was es bei der Erstellung zu beachten gilt, und was es beinhaltet, haben wir für Sie in einem gesonderten Beitrag dargestellt.
 
 
II.         Sonderfall: Coronabedingter Umsatzeinbruch
Bei der Antragstellung ist darauf zu achten, dass Umsatzeinbrüche als coronabedingt einzustufen sind und dies hinreichend belegt wird. Hierfür ist sich an Punkt 2.4 der FAQs zu den Überbrückungshilfen zu orientieren (2.4 "Welche Kosten sind förderfähig?"). Ist die Coronabedingtheit der Umsatzeinbrüche nicht hinreichend plausibel dargelegt, droht ein Teilablehnungs- oder ein Ablehnungsbescheid. Um das zu vermeiden ist darauf zu achten, dass die Umsatzrückgänge nicht zu Lasten des Antragsstellenden ausgelegt werden können. Die Bewilligungsstellen stürzen sich gerne auf den ungenauen Wortlaut, wenn dieser nicht eindeutig ausgelegt werden kann und legen diesen dann zum Nachteil des Antragstellers aus.

Grundsätzlich gilt: Antragsberechtigt waren Unternehmen bis zu einem weltweiten Umsatz von 750 Millionen Euro im Jahr 2020, Soloselbstständige und selbstständige Angehörige der freien Berufe im Haupterwerb aller Branchen, die in einem Monat des Förderzeitraums einen coronabedingten Umsatzeinbruch von mindestens 30% im Vergleich zum Referenzmonate im Jahr 2019 erlitten haben. Liegt der Umsatz eines Unternehmens im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass etwaige monatliche Umsatzschwankungen des Unternehmens nicht coronabedingt sind.

Nicht gefördert werden Umsatzausfälle, die z.B. nur aufgrund regelmäßiger saisonaler oder anderer dem Geschäftsmodell inhärenter Schwankungen auftreten. Nicht als coronabedingt gelten beispielsweise Umsatzeinbrüche, die zurückzuführen sind auf wirtschaftliche Faktoren allgemeiner Art (wie Liefer- oder Materialengpässe) oder die sich erkennbar daraus ergeben, dass Umsätze bzw. Zahlungseingänge sich lediglich zeitlich verschieben. Ebenso sind Umsatzeinbrüche, die sich aufgrund von Schwierigkeiten in der Mitarbeiterrekrutierung ergeben, nicht coronabedingt. Im Falle von Betriebsferien sind die Umsatzausfälle nicht coronabedingt.

Es stellt sich in diesem Kontext die Frage, wer die Darlegungspflicht hinsichtlich der Corona-Bedingtheit des Umsatzeinbruches hat.

Entsprechend der Ziff. 1.2 der FAQ zur Corona-Überbrückungshilfe (I-IV) obliegt es dem prüfenden Dritten, entsprechende Unterlagen vorzulegen. Durch Vorlegen der Unterlagen und Erläuterung durch etwaige Begleitschreiben wird der Darlegungslast entsprochen. Die Rechtssystematik der Richtlinien zu den Corona-Überbrückungshilfen sind insgesamt faktenbasiert. Sofern die zuständige Behörde das Vorliegen dieser Fakten auf Seiten des Antragstellers bestreitet, obliegt es ihr, diesen Sachverhalt grundlegend zu ermitteln. Dies ergibt sich aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 VwVfG, wobei sich die Behörde im Kontext von faktenbasierten Rechtssystematiken im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 2 GG ebenfalls im Rahmen ihrer Sachverhaltserforschung nur auf Fakten stützen darf und nicht – wie beispielsweise im Gefahrenabwehrrecht – auf Prognoseentscheidungen. Es ist damit für den Untersuchungsgrundsatz essenziell, dass die Behörde die relevanten und entscheidungserheblichen Tatsachen ermittelt.

 
III.        Sonderfall: Verbundene Unternehmen
Stehen Unternehmen untereinander in einem Verbund stehen, ergeben sich Besonderheiten für die Antragstellung dieser Unternehmen und für die Schlussabrechnung. Nach 5.2 der FAQ stellt ein Unternehmen stellvertretend für alle Verbundunternehmen den Antrag für die Überbrückungshilfe. Umgekehrt bedeutet das auch, dass das Unternehmen, das stellvertretend für alle Verbundunternehmen den Antrag eingereicht hat, zur Einreichung der Schlussabrechnung verpflichtet ist. Eine automatische Anrechnung der Pakete (siehe dazu unseren Beitrag hier) untereinander erfolgt nicht.

1)         Wann liegt ein verbundenes Unternehmen vor?
Die Kriterien für das Vorliegen von Verbundunternehmen sind in 5.2 der FAQ für Überbrückungshilfen (I-IV) vorgegeben: Sie richten sich nach der EU-Definition (Anhang I Artikel 3 Absatz 3 VO (EU) Nr. 651/2014) unter Auslegung nach dem Benutzerleitfaden zur Definition von KMU:

  • Verpflichtung zur Erstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses?
  • Kriterium aus Anhang 1 Artikel 3 Absatz 3 AGVO erfüllt?
  • Unternehmensverbund aufgrund "gemeinsam handelnder Gruppe" und Tätigwerden auf demselben Markt oder benachbarten Märkten?


2)         Unternehmensverbund aufgrund von familiärer Verbundenheit?
Jüngst häufen sich die Ablehnungen der Überbrückungshilfeanträge, weil Unternehmen aufgrund von familiärer Verbundenheit als "gemeinsam handelnde Gruppe" eingestuft werden und damit nach Auslegung der Behörde ein Unternehmensverbund vorliegt. Diese Auslegung ist jedoch rechtlich als höchst kritisch zu betrachten und hält unserer Ansicht nach nicht stand (dazu ausführlich unser Beitrag in der DStR 2023, 226).

Ob Unternehmen aufgrund von familiärer Verbundenheit in einen Unternehmensverbund gestellt werden dürfen, ist gerichtlich nicht abschließend geklärt. Zwischenzeitig sind aufgrund dieser Problematik und Rechtsunsicherheit mehrere Klageverfahren bei den Verwaltungsgerichten anhängig. Der Ausgang ist noch unklar, wir empfehlen jedoch bei einer solchen Situationen in den meisten Fällen gegen Ablehnungsbescheide, die auf dieser Argumentation beruhen, vorzugehen.

Zur Veranschaulichung möchten wir gerne ein Beispiel darlegen, mit welchem wir in der Praxis oft konfrontiert werden:

Ein häufig vorkommendes Problem ist, dass z.B. Mietkosten nach Ansicht der Behörden nicht förderfähig sind, wenn die Räumlichkeiten familienintern vermietet werden. Hier ist bereits problematisch, dass teilweise Einzelpersonen als Unternehmen und somit als Teil eines Unternehmensverbundes gesehen werden (i.S.v. Art. 101 AEUV). Unserer Ansicht nach stellt sich die Vermietung durch diese Einzelpersonen jedoch häufig nicht als wirtschaftliche Tätigkeit, sondern vielmehr als private Vermögensverwaltung dar.

Das Hauptproblem ist jedoch, dass ein gemeinsames Handeln nur aufgrund einer familiären Verbindung angenommen wird, obwohl teilweise keinerlei individuelle Einflussmöglichkeit auf das Unternehmen unternommen werden kann. Das heißt, würde keine familiäre Verbindung bestehen (Ehe, Verwandtschaft), wäre ein Unternehmensverbund in vielen Fällen ausgeschlossen.

Aufgrund der familiären Verbundenheit bereits auf ein gemeinsames Handeln zu schließen, das sich rechtlich nachteilig auswirkt, lässt sich aus unserer Sicht nicht mit Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlung) vereinbaren, sodass die familiäre Verbindung allein nicht ausreichend ist, um ein gemeinsames Handeln anzunehmen.


3)         Fehler bei Antragstellung von Verbundunternehmen
Wenn bei der Schlussabrechnung erkannt wird, dass mehrere Anträge durch Unternehmen desselben Verbundes gestellt wurden, ist wie folgt vorzugehen:

  • Alle Anträge müssen bei demselben prüfenden Dritten liegen, sonst: "Wechsel des prüfenden Dritten" durch Vollmachtsübertragung
  • Das Unternehmen aus dem Verbund, das den zeitlich ersten Antrag einreichte, reicht auch die Schlussabrechnung ein
  • Alle Einzelanträge müssen in dieser Schlussabrechnung auftauchen
  • Korrektur aller Angaben entsprechend der für verbundene Unternehmen geltenden Anforderungen

Es hat also noch keine direkten straf- oder subventionsrechtlichen Folgen, wenn bei der Schlussabrechnung erkannt wird, dass bei der Antragstellung unvorsätzlich ein Fehler begangen wurde. Sinnvoll und dringend empfohlen ist ein ergänzendes Schreiben oder ein anwaltliches Gutachten. Es kann und wird in den meisten Fällen jedoch Konsequenzen für die Höhe der Fördermittelgewährung haben. In diesen Fällen ist mit einem Teilaufhebungs- und Rückzahlungsbescheid zu rechnen. In Falle einer Rückforderung sollte im Zweifel immer Rechtsrat eingeholt werden!

 
IV. Fazit
Auch im Rahmen der Schlussabrechnung gibt es – wie im Antragsverfahren – einige Hindernisse, sei es für den Antragsteller oder den prüfenden Dritten. Allerdings sollten diese unter Beachtung der in diesem Beitrag dargelegten Hinweise weitestgehend ausgeräumt werden. Sofern noch Fragen offen sind – unser Team berät Sie gerne zu rechtlichen Fragen im Rahmen der Schlussabrechnung.
 

Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen benötigen, melden Sie sich gerne bei uns. 
 
Wir helfen Ihnen auch kurzfristig. 

      

Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.         
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.