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Missbrauchsaufsicht über Energiepreisbremsen: Bundeskartellamt leitet Prüfverfahren im Bereich Strom ein

27.06.2023

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Germany

Nachdem das Bundeskartellamt (BKartA) im Mai bereits Prüfverfahren gegen Erdgas- (den entsprechenden Newsflash finden Sie hier) und Wärme-Lieferanten eingeleitet hat, hat es nun ebenfalls Prüfverfahren im Bereich Strom eingeleitet. Diese Verfahren betreffen Energieversorger, die für die Belieferung mit Strom Vorauszahlungen nach den Preisbremsen-Gesetzen beantragt haben. Die Missbrauchsverbote untersagen eine Preisgestaltung gegenüber Kunden, die zur Erlangung ungerechtfertigter staatlicher Entlastungsbeträge führt. Dagegen könnte eine Vielzahl an Versorgern verstoßen haben.

 

Zweistellige Anzahl von Stromversorgern betroffen

Diese dritte Tranche an Prüfverfahren betreffe eine zweistellige Anzahl von Stromversorgern, die Vorauszahlungsanträge nach den Preisbremsen-Gesetzen gestellt haben, so Andreas Mundt, Präsident des BKartA. "Es handelt sich um Vertriebsgesellschaften großer Energiekonzerne ebenso wie Stadtwerke, Regionalversorger und auch kleinere Discounter sowie Anbieter mit Schwerpunkt erneuerbare Energien."

Den eingeleiteten Strom-Verfahren vorausgegangen ist eine Analyse sämtlicher Antrags- und Meldedaten der Monate Januar 2023 bis Mai 2023 durch das BKartA. Auf Grundlage der Auswertung von rund 12.000 Anträgen konnten die auffälligen Versorger identifiziert werden. Diese werden nun insbesondere zu ihren Preisen und Kosten sowie zu deren Entwicklung im Zeitverlauf befragt.

 

Ein Fünftel der Entlastungssummen betroffen

Die Summe, in deren Umfang nun Verfahren eingeleitet wurden, repräsentiere rund 20 % der von den Versorgern insgesamt beantragten Entlastungssummen für die Belieferung von Privathaushalten und Kleingewerben, erklärt Mundt. Dem BKartA erscheint damit rund ein Fünftel aller Zahlungen nach dem relevanten Preisbremsengesetz verdächtig hoch. "Zusätzlich werden auch einige Versorger geprüft, die für die Belieferung von Großabnehmern mit Verbräuchen über 30.000 kWh/Jahr Entlastungsbeträge geltend gemacht haben", teilte die Bonner Behörde mit.

 

Auch einzelne Verbraucher potentiell betroffen

Nach dem Strom-Preisbremsengesetz können auch selbstbeschaffende Verbraucher, sog. sonstige Letztverbraucher wie Industriekunden, Entlastungsbeträge geltend machen. Diese Vorgänge können ebenfalls vom BKartA auf Auffälligkeiten geprüft werden. Bislang hat nur eine sehr kleine Zahl solcher Industriekunden von dieser Entlastungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Das BKartA teilte mit, es habe unter Prioritätsgesichtspunkten zunächst nur Verfahren gegen Versorger eingeleitet.

 

Rechtsfolgen

Die Preisbremsen-Gesetze verbieten eine missbräuchliche Ausnutzung der Entlastungsregeln (§ 39 StromPBG und § 27 EWPBG). Damit soll insbesondere verhindert werden, dass Energieversorger eine höhere staatliche Ausgleichzahlung erhalten, indem sie ihre Arbeits-(Endkunden-)preise für Gas, Wärme oder Strom erhöhen, obwohl es für die Preiserhöhung keine sachliche Rechtfertigung durch gestiegene Kosten gibt.

Sollten Verstöße festgestellt werden, so müssen unrechtmäßig erlangte Ausgleichzahlungen an die Strom-Übertragungsnetzbetreiber zurückgezahlt werden. Auch die Verhängung von Geldbußen ist möglich.

 

Hintergrund

Der Strompreis wird durch die Energiepreisbremse seit Jahresbeginn für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs auf 40 Cent je Kilowattstunde gedeckelt. Die Versorger können sich höhere Preise vom Staat zurückerstatten lassen. Die Höhe der Rückerstattung hängt von der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Arbeitspreis und dem durch die Preisbremsen gedeckelten Arbeitspreis ab. Das BKartA ist mit der Überwachung beauftragt worden, damit die Arbeitspreise dabei nicht missbräuchlich zu hoch angesetzt werden.

Von Beginn an gab es Sorgen, dass die Erstattungsmöglichkeiten ausgenutzt und über dem Marktwert liegende Preise von den Versorgern aufgerufen werden könnten, um so höhere Erstattungen zu erlangen. Als Reaktion hierauf wurde beim BKartA eine neue Abteilung zur Untersuchung potenzieller Verstöße eingerichtet. Mitte Mai leitete die Behörde sodann die ersten Missbrauchsverfahren gegen eine Anzahl von Gasanbietern im zweistelligen Bereich ein. Ende Mai wurden sodann Untersuchungen gegen Fernwärmeanbieter eingeleitet.

Anders als die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht setzt ein Tätigwerden des BKartA nach den Preisbremse-Gesetzen keine marktbeherrschende Stellung von Unternehmen voraus. Sobald Unternehmen Erstattungen nach den Preisbremse-Gesetzen beantragen, unterliegen sie der neuen Missbrauchsaufsicht.

 

Kommentar

Diese nunmehr dritte Welle an Prüfverfahren zeigt, dass das BKartA möglichen Subventionsmissbrauch im Bereich Energie konsequent und umfassend verfolgt. Es ist zu erwarten, dass das BKartA weitere Prüfverfahren im Bereich der Energiepreisebremsen einleiten wird, sofern die nun eingeleiteten Verfahren zeigen sollten, dass tatsächlich überhöhte Arbeitspreise angesetzt wurden.

Dem Ausgang der ersten Welle der Prüfverfahren ist somit von großem Interesse für eine Vielzahl von Unternehmen. Insbesondere wird hierbei auch darauf zu achten sein ob und in welcher Höhe das BKartA bei Verstößen Bußgelder verhängen wird.

 

Quellen

Bundeskartellamt - Missbrauchsaufsicht über Energiepreisbremsen: Prüfverfahren im Bereich Strom eingeleitet
Bundeskartellamt - Missbrauchsaufsicht über Energiepreisbremsen: Erste Prüfverfahren eingeleitet – weitere stehen bevor
Bundeskartellamt - Missbrauchsaufsicht über Energiepreisbremsen: Prüfverfahren im Bereich Fernwärme eingeleitet
Fieldfisher - Bundeskartellamt leitet Prüfverfahren in Missbrauchsaufsicht über Energiepreisbremsen ein
Bundeskartellamt - Missbrauchsverbot bei der Energiepreisbremse – Bundeskartellamt startet organisatorischen Aufbau
Kartellamt: Stromversorger könnten zu hohe Beihilfen kassiert haben (faz.net)
Energiepreisbremsen: Kartellamt überprüft Stromversorger auf Missbrauch von Staatshilfen | ZEIT ONLINE

 

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