Warum der Rückforderung von Überbrückungshilfen der Vertrauensschutz entgegensteht | Fieldfisher
Skip to main content
Insight

Warum der Rückforderung von Überbrückungshilfen der Vertrauensschutz entgegensteht

Locations

Germany

Viele Unternehmen erhalten derzeit Rückforderungen von bereits gewährten Corona-Überbrückungshilfen. Wehren Sie sich ohne Anwalt dagegen, bekommen sie oft zu hören: Sie hatten ohnehin keinen Anspruch, und durften auch nicht darauf vertrauen, dass sie die Förderung behalten dürfen. Denn diese standen ohnehin unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs.
 

Bei der Beratung unserer Mandanten sind uns zahlreiche Konstellationen bekannt, in denen die Stellen ausschließlich darauf basierende Ablehnungs-, Widerspruchs- und Rückforderungsbescheide erlassen. Aus dieser Erfahrung haben wir eine Argumentation entwickelt, um zu begründen, dass es sich die Stellen zu einfach machen. Tatsächlich sind die Bewilligungsstellen aufgrund des Vertrauensschutzes in vielen Fällen gebunden.

Die Argumentation haben wir dezidiert verwaltungsrechtlich ausgearbeitet und mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur belegt. Nachfolgend wollen wir hierzu eine kleine Übersicht der Argumentation in vereinfachter Form geben:

1. Allgemeiner Vertrauensschutz im Öffentlichen Recht
Neben der gesetzlichen Bindung der Verwaltung existiert im deutschen- und im überwiegenden Teil des europäischen Rechts auch eine übergesetzliche Bindung. Dieser sogenannte Vertrauensschutz, der aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hergeleitet wird, entsteht, wenn Behörden über einen gewissen Zeitraum hinsichtlich eines vergleichbaren Sachverhalts in gleicher Weise handeln. Die Behörde verpflichtet sich dann gewissermaßen selbst, sich gegenüber allen gleichgelagerten Fällen gleich zu verhalten.

2. Die Praxis der Bewilligungsstellen
Die FAQ der Bundesregierung zu den Überbrückungshilfen mögen - wie häufig von Bewilligungsstellen dargestellt – trotz ihrer Ausrichtung an das außenstehende Publikum, dogmatisch als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften einzuordnen sein.

Aus diesem Grund stellen sich die Stellen auf den Standpunkt, dass aus den FAQ keine außenwirksame Bindung der Bewilligungsstellen erwächst. Wenn sich dann jemand gegen einen Ablehnungsbescheid wehrt, verweist die Stelle nur auf die fehlende Bindung der Stelle und somit auch auf die fehlende Anspruchsgrundlage. Automatisch schutzlos stehen dann die Anspruchssteller.
Aber auch Verwaltungsvorschriften können aufgrund des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes (Art. 20 und 28 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, BVerwGE 104, 220-230, Rn. 19 mwN).

3. Argumente für Vertrauensschutz bei Überbrückungshilfen

a. Keine ständige Verwaltungspraxis
Häufig meinen die Bewilligungsstellen: Wir entscheiden so, weil es unsere Verwaltungspraxis ist. Aber: Es besteht keine von den FAQ der Überbrückungshilfen abweichende Verwaltungspraxis. Eine ständige Verwaltungspraxis kann nur entstehen, wenn die Behörde in der Art und Weise der Handlung nicht bereits rechtlich determiniert ist. Die Praxis bei den Überbrückungshilfen wird aber bereits maßgeblich durch die Richtlinien und die FAQ zu den Überbrückungshilfen geprägt. Diese stellen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift ein Indiz für das Vorhandensein einer entsprechenden Verwaltungspraxis einer Behörde dar (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 3. Dezember 2021 – 19 K 2760/20 –, Rn. 38, juris). Von diesen FAQ weichen die Behörden auch nicht in eine abweichende Praxis manifestierender Weise ab. Die Behörden handeln ganz im Gegenteil in ständiger Praxis genauso wie es die FAQ vorsehen und verweisen auch auf diese.

Blieben die Behörden bei ihrer Darstellung, sie hätten eine von den FAQ abweichende Verwaltungspraxis, dann wäre für Betroffene nicht mehr erkennbar, wonach sich die Handlungen der Behörden richtet. Eine solche Vorgehensweise verstößt gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Behörden müssen für die Bürger nachvollziehbar handeln. Dieses Prinzip ist letztlich auch Ausfluss des Prinzips des Vorbehalts des Gesetzes. Anspruchssteller durften deshalb davon ausgehen, dass sich die Behörden an die Vorgaben der FAQ halten. Soweit die Fördervoraussetzungen der FAQ vorliegen, hat die Behörde den Antrag also positiv zu bescheiden.

b. Willkürliche Vorgehensweise
Die Bewilligungsstellen können auch gar nicht einfach so von den Vorgaben der FAQ abweichen. Die Stellen dürften ihre ständige Verwaltungspraxis nur ändern, wenn sie dies rechtfertigen und darlegen, inwieweit und aus welchen Gründen sie von den Richtlinien bzw. den FAQ abweichen. In Frage kämen Verwaltungsvorschriften oder interne Richtlinien, die nach unserer Erfahrung aber nur selten geschaffen wurden.

Die Gründe für die Abweichung müssen darüber hinaus sachgerecht sein und eine Ungleichbehandlung anderer Antragssteller rechtfertigen. Ansonsten liegt eine willkürliche (also rechtswidrige) Ungleichbehandlung durch die Behörde vor. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen.

Manche Stellen behaupten, dass sie als Anknüpfungspunkt für die Förderberechtigung in ihrer ständigen Verwaltungspraxis diesbezüglich auf die Betroffenheit von Infektionsschutzmaßnahmen, wie etwa die Zugehörigkeit oder die Nähe zu einer von Schließungsanordnungen betroffenen Branchen, abstellen würden. Da drängt sich die Frage auf, in welchen Branchen noch von einer "Zugehörigkeit" oder einer "Nähe zu einer von Schließungsanordnungen betroffenen Branche" gesprochen werden kann und bei welchen Branchen sich "nur noch" die "Fernwirkungen" der Corona-Pandemie abzeichnen. Die Wahl derartig schwammiger Abgrenzungskriterien kann nur auf dem Gedanken beruhen, die Förderbedingungen unter die Einschätzungsfreiheit der Bewilligungsstelle zu stellen, um im Nachhinein so wenig wie möglich Fördermittel zu verteilen. Denn der Staat will sparen. Da diese Begründung aber mit dem Fördermittelrecht an sich nichts zu tun hat, ist sie als sachfremd und mangels Nachvollziehbarkeit durch Antragssteller als willkürlich einzuordnen.

c. Vertrauensschutz aus dem Förderungsbescheid
Darüber hinaus entsteht auch aus einem Förderbescheid selbst ein schutzwürdiges Vertrauen in die grundsätzliche Förderfähigkeit. Zwar wurden die Förderbescheide zumeist nur vorläufig erteilt, da die Bewilligungsstellen häufig erst zu späterem Zeitpunkt eine genaue Prüfung wahrnehmen konnten. Hinsichtlich der offenkundigen Umstände gilt jedoch, dass diese bereits Grundlage der behördlichen Entscheidung waren und insoweit ein Mindestgehalt des Bescheides keinem Vorbehalt unterlag. Auf die korrekte Bewertung dieser Umstände konnten sich die Anspruchssteller somit verlassen, da die Behörde die Umstände bereits bewertet hat.

4. Zusammenfassung und Konsequenzen
Es zeigt sich: Das Prinzip des Vertrauens in die Rechtmäßigkeit staatlicher Handlungen hat nicht bloß eine subjektivrechtliche Dimension zugunsten der Staatsbürger. Diesem Rechtsprinzip kommt auch eine wichtige systemstabilisierende Wirkung zu, die für Funktionieren und Erhalt des (Rechts-) Staates selbst unabdingbar ist. Wenn der Staat nunmehr aus rein fiskalischen Gründen die Förderbedingungen im Nachhinein beliebig uminterpretieren und sich die damals gewährte Förderung ohne rechtfertigende Änderung der Sach- und Rechtslage zurückholen könnte, ergäbe sich nicht nur eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für die betroffenen Unternehmen. Es drohte ein tiefgreifender und nachhaltig wirkender Vertrauensverlust, wenn nun derjenige, der Arbeitsplätze erhalten und sich zugleich durch Pandemie, Formulardschungel und Steuerberaterkosten gekämpft hat, schlechter dasteht als der, der auf staatliche Hilfe nicht vertrauen wollte, seinen Betrieb einstellte und Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten ihrem Schicksal überließ.

Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen zu einem negativen Bescheid benötigen, melden Sie sich gerne bei uns. Wir helfen Ihnen auch kurzfristig.         

Über die Autoren:

Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin im Frankfurter Büro von Fieldfisher regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie vertritt eine größere Zahl von Mandanten derzeit gegenüber Behörden und Förderbanken bei den Corona-Überbrückungshilfen

Joscha J. John ist Rechtsanwalt im Fieldfisher Office in Hamburg und berät in allen Fragen des öffentlichen Rechts, insbesondere im Fördermittel- und EU-Beihilferecht.

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

Klicken Sie hier, um den Newsletter zu abonnieren oder Ihre E-Mail-Einstellungen zu verwalten.

ABONNIEREN