Überbrückungshilfe: Wenige abweichende Fälle taugen nicht als Indiz für eine geänderte Verwaltungspraxis | Fieldfisher
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Überbrückungshilfe: Wenige abweichende Fälle taugen nicht als Indiz für eine geänderte Verwaltungspraxis

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Mit diesem Rechtsupdate möchten wir Unternehmen sowie Steuerberater:innen über die von uns beobachteten Rechtsentwicklungen bei den Corona-Sofort- und Überbrückungshilfen informieren. Die Zahl der Ablehnungen auf Überbrückungshilfen haben sich deutlich erhöht, sodass ein gesteigertes Interesse an den Gründen für diese Umstände besteht. Schließlich sind viele Unternehmen auf entsprechende Fördersummen angewiesen. Damit Sie auf dem aktuellen Stand bleiben, fassen wir Ihnen wöchentlich eine wichtige Entscheidung zu diesem Thema zusammen, sodass aktuelle Rechtsentwicklungen verfolgbar bleiben.


Sächsisches OVG (6. Senat): Beschwerde gegen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz abgewiesen (Sächsisches OVG, Beschluss vom 27.02.2023, 6 B 305/22)

 

Sachverhalt:

Vorab ein Hinweis: Die Entscheidung erging im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren (2. Instanz). Sie betrifft einen Sonderfall. Bitte ziehen Sie daher nicht voreilige Schlüsse für Ihren eigenen Fall bzw. den Ihres Mandanten.

Vorliegend stellte die Antragstellerin, eine GmbH, einen Antrag auf Gewährung der Corona-Überbrückungshilfe in der fünften Phase (Überbrückungshilfe IV bzw. ÜBH IV). Nachdem dieser Antrag wegen einer erstinstanzlichen Verurteilung des Geschäftsführers der Antragstellerin wegen Subventionsbetrugs im Jahr 2019 abgelehnt wurde, versuchte sie zunächst, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Verfügung zur Bewilligung verpflichten zu lassen. Dies lehnte das angerufene VG Leipzig mit Beschluss vom 09.11.2022 (5 L 497/22) ab. Gegen den Beschluss legte die Antragstellerin nunmehr Beschwerde beim Sächsischen OVG ein.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das VG hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

So habe das VG einen Anordnungsanspruch zurecht verneint, da in ständiger Verwaltungspraxis zu Nr. 1.3 VwV-SäHO zu § 44 SäHO Zuwendungen versagt würden, wenn sich Zweifel an der persönlichen und finanziellen Zuverlässigkeit der Antragsteller aus objektiv nachprüfbaren Anhaltspunkten, insbesondere auf Basis früherer Förderverfahren oder laufender bzw. abgeschlossener Ermittlungsverfahren, ergäben.

Die Antragstellerin argumentierte, die Antragsgegnerin habe ihre Verwaltungspraxis geändert, indem sie die Zuverlässigkeit in einigen Fällen gar nicht mehr geprüft habe, wie aus der eigenen Erfahrung der Antragstellerin mit früheren Anträgen und aus einem Pressebericht, der weitere konkrete Fälle nenne, hervorgehe.

Dem folgte das OVG nicht. Bei insgesamt 25.000 Darlehensanträgen und 100.000 Zuschussanträgen seien die wenigen bekannten Fälle, in denen trotz Zweifeln an der Zuverlässigkeit Zuwendungen gewährt wurden, kein ausreichendes Indiz für eine geänderte Verwaltungspraxis.

Weiter führte das OVG aus, dass auch die im Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin bekannt gewordenen Tatsachen zurecht im Rahmen des Antragsverfahrens verwertet werden durften. Auch die Tatsache, dass das Verfahren gegen die Antragstellerin nach Verurteilung in erster Instanz in zweiter Instanz eingestellt worden war und die erstinstanzliche Verurteilung ein Fehlverhalten betraf, das mehr als fünf Jahre zurücklag, stehe dem nicht entgegen.

Im hier einschlägigen Bereich der Subventionsvergabe (und damit der Leistungsverwaltung) sei der Zuwendungsgeber im Rahmen seiner Verwaltungspraxis unter Beachtung des Bewährungsgedankens und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weitgehend frei in seiner Entscheidung, wie lange er auch ältere subventionsrechtlich relevante Sachverhalte zur Beurteilung der Zuverlässigkeit heranzieht. Eine zwingende fünfjährige Tilgungsfrist, wie sie etwa § 46 BZRG im Rahmen der Eingriffsverwaltung vorsieht, gelte hier gerade nicht. Jedenfalls sei der vorliegend noch nicht abgelaufene Zeitraum von zehn Jahren ab der letzten Verfehlungshandlung verhältnismäßig und nehme dem Betroffenen nicht die Aussicht, sich zu bewähren und wieder in den Genuss von Zuwendungen zu kommen. Es sei insoweit nicht zu beanstanden, dass der Zuwendungsgeber dem Interesse an der Sicherstellung bestimmungsgemäßer Mittelverwendung Vorrang vor dem privaten Förderinteresse einräumt.

 

Zusammenfassung:

  • Wenige bekannte Fälle, in denen in Abweichung von den Förderrichtlinien trotz Zweifeln an der Zuverlässigkeit eines Antragstellers Zuwendungen gewährt wurden, stellen bei einer insgesamt hohen Menge von Anträgen kein ausreichendes Indiz für eine geänderte Verwaltungspraxis dar.
  • Im Rahmen der Subventionsvergabe steht es dem Zuwendungsgeber im Rahmen seiner Verwaltungspraxis weitgehend frei zu entscheiden, wie lange er auch ältere subventionsrechtlich relevante Sachverhalte zur Beurteilung der Zuverlässigkeit heranzieht.
  • Die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und des Bewährungsprinzips sind jedenfalls bei einem Zeitraum von zehn Jahren seit der letzten Verfehlungshandlung des Antragstellers, die Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens war, noch eingehalten.

Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen zu einem negativen Bescheid benötigen, melden Sie sich gerne bei uns.  
 
Wir helfen Ihnen auch kurzfristig.          
 

Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.          
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

 

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