Überbrückungshilfe: Einzelunternehmer mit mehreren Firmen – Unternehmensverbund? | Fieldfisher
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Überbrückungshilfe: Einzelunternehmer mit mehreren Firmen – Unternehmensverbund?

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Das Thema verbundene Unternehmen bei der Überbrückungshilfe ist nach wie vor aktuell. Durch unsere tägliche Konfrontation mit diesem Thema erreichen uns immer wieder neue Ausprägungen dieses Themas. Ein wichtiges neues Thema sind Einzelunternehmer mit mehreren Firmen. Viele prüfende Dritte haben für solche Einzelunternehmer mit mehreren Firmen jeweils gesonderte Anträge, pro Firma, gestellt und oftmals auch bewilligt bekommen. Oder sie haben Firmen des Einzelunternehmers, die keinen schwerwiegenden Umsatzeinbruch haben, bei der Antragstellung nicht als verbundene Unternehmen berücksichtigt. Bei den Schlussabrechnungen zeigt sich nun eine Praxis der Bewilligungsstellen, auch aufgrund einer Anweisung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Alle Firmen des Einzelunternehmers sollen als Verbundunternehmen betrachtet werden. Das führt zu erheblichen Rückforderungen. Kann dieser Praxis rechtlich begegnet werden?

I.          Hintergrund

Für verbundene Unternehmen gelten nach Ziffer 5.2 FAQ besondere Regelungen für die Förderung über die Überbrückungshilfe. Unter anderem dürfen verbundene Unternehmen nur einen gemeinsamen Antrag für alle verbundenen Unternehmen stellen.

Welche Unternehmen als verbundene Unternehmen gelten, richtet sich gemäß Ziffer 5.2 FAQ nach der EU-Definition aus Anhang I Artikel 3 Absatz 3 VO (EU) Nr. 651/2014 (EU-Definition).

Verbundene Unternehmen sind nach der EU-Definition Unternehmen, die zueinander in einer dort aufgeführten Beziehung stehen. Dies umfasst die Weisungsbefugnis eines Unternehmens über ein anderes aufgrund der mehrheitlichen Inhaberschaft der Stimmrechte, der Berechtigung, Verwaltungs- oder Aufsichtsgremien zu bestellen oder aufgrund eines Vertrags. Wichtig ist, dass das eine Unternehmen auf das andere Unternehmen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

Darüber hinaus gelten Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser aufgezählten Beziehungen stehen, gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind (Unterabschnitt 4 von Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO (EU) NR 651/2014).

In der Vergangenheit haben viele Steuerberater dies, auch mit Hinblick auf die FAQ zu den Überbrückungshilfen und den dort genannten Beispielen, wie folgt verstanden:

  • Ein Einzelunternehmer mit mehreren Firmen bildet mit diesen Firmen nicht automatisch einen Unternehmensverbund.
  • Entscheidend ist vielmehr, ob die Firmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder einem benachbarten Markt tätig sind.
  • War dies aus Sicht der Steuerberater nicht der Fall, haben sie für die einzelnen Firmen des Unternehmers Einzelanträge gestellt, diese nicht als Unternehmensverbund zusammengefasst.
  • Oder, wenn einzelne Firmen des Unternehmers nicht antragsberechtigt waren, haben sie diese (mangels Bejahung eines Unternehmensverbunds) nicht im Antrag berücksichtigt.

Diese Praxis war aus Sicht der Autoren bundesweit üblich.

Das BMWK hat, wie jetzt bekannt geworden ist, eine Klarstellung mit den Bewilligungsstellen geteilt, dass das BMWK davon Abstand nimmt, nur dann einen Unternehmensverbund anzunehmen, wenn die einzelnen Firmen auch auf dem gleichen bzw. benachbarten Markt tätig sind. Mit anderen Worten liegt für das BMWK ein Unternehmensverbund auch dann vor, wenn die einzelnen Firmen durch eine natürliche Person verbunden sind – auf das Erfordernis eines gemeinsamen oder benachbarten Markts kommt es nicht mehr an.

II.         Auswirkungen

Vor der Klarstellung des BMW konnte nach Ansicht vieler Steuerberater eine natürliche Person, die beispielsweise als Einzelkaufmann unter verschiedenen Firmen ein Reisebüro und ein Restaurant (also durch eine natürliche Person verbundene Unternehmen mit Tätigkeiten auf verschiedenen Märkten) führt, zwei Anträge stellen. Einen pro Unternehmung. Mit der Änderung durch das BMWK hätte derselbe Antragsteller einen Antrag für beide Unternehmen stellen müssen – so die Bewilligungsstellen – und damit auch eine gemeinsame Schlussabrechnung einreichen. Durch die Klarstellung des BMKW entfällt also für beide Situationen die Förderfähigkeit des Antragstellers. Es wird klar, dass diese Klarstellung weitreichende Auswirkungen hat.

Die Klarstellung des BMWK fällt in die Phase der Schlussabrechnungen. Viele Antragsteller haben bereits ihre Auszahlung erhalten. Auf viele wartet jetzt eine böse Überraschung, wenn die Bewilligungsstellen im Rahmen der Schlussabrechnung nun zwischen verschiedenen Firmen einen Unternehmensverbund annimmt und es dann zu Anspruchskürzungen kommt.

III.        Bewertung

Für die Antragsteller und prüfenden Dritten ist das eine schwierige Situation. War es von vornherein falsch, einzelne Anträge zu stellen? Kann das Bundeswirtschaftsministerium die Spielregeln einfach ändern?

1. Die EU-beihilferechtliche Lage

Die FAQ verweisen auf die europäische Definition des Unternehmensverbunds. Diese lautet in dem oben genannten Unterabschnitt 4:

"Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser Beziehungen stehen, gelten gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind."

Diese Definition kann durchaus so verstanden werden, dass eine natürliche Person mit zwei Firmen nur dann einen Unternehmensverbund bildet, wenn die Firmen auf dem gleichen oder einem benachbarten Markt tätig sind. Das wäre eine Auslegung streng am Wortlaut.

Auf der anderen Seite argumentieren aber die Bewilligungsstellen wie folgt: Die natürliche Person sei selbst als "Rechtsträger" ein Unternehmen, dass dann mit seinen zwei Firmen einen Unternehmensverbund begründe. Die Situation sei nicht anders als bei einer GmbH, die verschiedene Business-Angebote betreibt.

Die Rechtsfrage ist EU-beihilferechtlich nicht abschließend geklärt, jedenfalls können beide Seiten EU-beihilferechtlich vertreten werden. Hier muss im Streitfall eine umfassende europarechtliche Argumentation ausgearbeitet werden.

2. Die Lage nach den FAQ

Passen die neuen Klarstellungen des BMWK zu den FAQ?

Ziff. 5.2 FAQ stellt zum einen fest, dass sich die Definition der verbundenen Unternehmen nach der EU-Definition richtet. Zum anderen schreibt das BMWK in Ziff. 5.2 FAQ selbst klarstellend, dass "auch mehrere Unternehmen, die derselben natürlichen Person […] gehören, […] verbundene Unternehmen [sind], sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in sachlich benachbarten Märkten tätig sind". Das Wort "sofern" leitet einen hypothetischen Satz ein, mit dem markiert wird, dass der vorgehende Satzteil unter der Bedingung des nachfolgenden Satzteils steht.

Wenn das BMWK an der Klarstellung festhalten soll, wendet es sich darüber hinaus vom Wortlaut der EU-Definition ab, der Wortgleich von "[…] sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind" spricht.

Wichtig ist jedoch, dass die Bewilligungsstellen der Ansicht sind, dass sie gar keinen Widerspruch erkennen können. Es sei immer klar gewesen, dass ein Einzelunternehmer mit mehreren Firmen einen Unternehmensverbund begründe.

Für unsere Mandanten tragen wir hier viel vor, sowohl zur Rechtsverbindlichkeit der FAQ – die wir weiter annehmen – wie auch zu den Änderungen der FAQ. Wir sind der Ansicht, dass die Rechtsfrage bei weitem nicht so klar ist, wie es die Bewilligungsstellen und das BMWK meinen – und dass insbesondere der Vertrauensschutz Rückforderungen entgegenstehen kann.

III.        Unsere Empfehlung – im Einzelfall sich zur Wehr setzen

Bei Antragstellern, die Ablehnungs- oder Rückforderungsbescheid erhalten haben, gilt akuter Handlungsbedarf. Gegen Rückforderungsbescheide müssen binnen eines Monats nach Zugang Widerspruch oder Klage erhoben werden, abhängig davon, ob das Widerspruchsverfahren in dem jeweiligen Bundesland noch zulässig ist (ansonsten gleich Klage). Erfolgt kein Rechtsbehelf, werden die Rückforderungen bestandskräftig. Widerspruch und Klagen haben aufschiebende Wirkung. Für die Dauer solcher Verfahren müssen keine Zahlungen geleistet werden.

Für Antragsteller, die noch keine Schlussabrechnung eingereicht haben, die aber für verschiedene Firmen als Einzelunternehmer unabhängige Anträge gestellt haben, wird sich eine strategische Entscheidung stellen:

  • Wenn die Annahme eines Unternehmensverbunds gegenüber den Einzelanträgen nicht zu einer Rückforderung führt, kann es sinnvoll sein, die Schlussabrechnung als Unternehmensverbund einzureichen.
  • Ansonsten muss eine strategische Entscheidung getroffen werden, ob im Zweifelsfall ein Rechtsstreit mit der Bewilligungsstelle in Kauf genommen wird. Hierbei kann es sinnvoll sein, bereits im Rahmen der Schlussabrechnung mit einem Begleitschreiben die eigene Rechtsauslegung darzustellen. Wir helfen verschiedenen Unternehmern auf diese Weise.

Wenn Sie Fragen zu der Thematik haben, sprechen Sie uns gerne an.

 

Über die Autoren    

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit 2020 schwerpunktmäßig auch in den Corona-Hilfsprogrammen des Bundes und der Länder.

Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin im Frankfurter Büro von Fieldfisher regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie vertritt eine größere Zahl von Mandanten derzeit gegenüber Behörden und Förderbanken bei den Corona-Überbrückungshilfen.

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