Corona-Überbrückungshilfen: Warum viele Steuerberater formell fehlerhafte Klagen erheben | Fieldfisher
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Corona-Überbrückungshilfen: Warum viele Steuerberater formell fehlerhafte Klagen erheben

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Derzeit erreichen uns wöchentlich Anfragen von Unternehmen bei den Überbrückungshilfen, die ein besonderes Anliegen haben: Sie haben Ablehnungs- oder Rückforderungsbescheide von den Bewilligungssteleln erhalten, und ihre Steuerberater haben für die Unternehmen selbst Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Offenbar in dem guten Glauben, im besten Interesse der Unternehmen zu handeln. Doch die Verwaltungsgerichte rügen in Verfügungen die Zulässigkeit der erhobenen Klage – sie sind der Meinung, die häufig per Telefax erhobenen Klagen hätten elektronisch erhoben werden müssen. Nun haben Steuerberater und vertretenes Unternehmen ein Problem, wenn die Klagefrist bereits abgelaufen ist.

Der Hintergrund: Als Bestandteil der Digitalisierung der Verwaltung besteht bereits seit Beginn des Jahres 2022 für Rechtsanwälte grundsätzlich eine gesetzliche Pflicht zur elektronischen Übermittlung in der Kommunikation mit der Justiz. Doch in welchem Umfang besteht eine derartige Pflicht auch für Steuerberater?

In diesem Beitrag wollen wir erläutern, für wen genau eine gesetzliche Pflicht besteht, welche Art von Übermittlung tatsächlich elektronischer Natur ist und welche Handlungsoptionen für Rechtsanwälte und Steuerberater im Falle technischer Störungen bestehen.

 

I. Pflicht zur elektronischen Übermittlung

Grundsätzlich gilt: Rechtsanwälte und auch Steuerberater, insbesondere in der Person des prüfenden Dritten, sind zur elektronischen Übermittlung per Gesetz verpflichtet!

Diese Pflicht ergibt sich grundsätzlich aus §§ 55d Satz 1, 2 in Verbindung mit 55a Absatz 4 Nr. 2 VwGO. Hintergrund dieser Pflicht ist eine Förderung des E-Governments in der Kommunikation von Rechtsanwälten und Behörden mit der Justiz. Dabei ist für Rechtsanwälte entsprechend § 130 Satz 1 ZPO bereits seit 01.01.2022 die elektronische Übermittlung Pflicht. Für Steuerberater besteht nach Einführung des sog. besonderen persönlichen elektronischen Steuerberaterpostfachs entsprechend §§ 86d, 86e in Verbindung mit § 157e Steuerberatergesetz erst seit dem 01.01.2023 die Pflicht zur elektronischen Übermittlung.

Wir halten damit fest: Für Rechtsanwälte, als auch für Steuerberater besteht spätestens seit dem Beginn des Jahres 2023 eine Pflicht zur elektronischen Übermittlung in der Kommunikation mit der Justiz. Doch welche Arten der Einreichungen sind von dieser Pflicht umfasst – und welche nicht?

 

II. Welche Dokumente sind alle von der elektronischen Übermittlungspflicht umfasst?

Es stellt sich daher die Frage, was genau mit "elektronische Dokumente" gemeint ist. Dies bestimmt § 55a Abs. 1 VwGO. Danach sind elektronische Dokumente solche, die mit den Mitteln der Datenverarbeitung erstellt und auf Datenträgern abgespeichert werden können. Eindeutig kein elektronisches Dokument ist damit das Telefax bzw. Computerfax, da der Absender im Regelfall von einem physischen Ausdruck beim Empfänger ausgehen kann. Erfasst werden jedoch jede Art von Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen. Ebenfalls unterfallen diesem Begriff schriftlich einzureichende Auskünfte, Gutachten sowie Aussagen und Erklärungen Dritter.

Dies alles gilt stets mit der Maßgabe: Vorgaben im materiellen Recht, die beispielsweise die Vorlage von öffentlichen Urkunden vorschreiben, bleiben als sog. "lex specialis" unberührt und können vorgehen!

Jedoch kann es im Alltag stets passieren, dass die elektronische Übermittlung – aus welchen Gründen auch immer – nicht funktioniert. Was können Steuerberater und Rechtsanwälte in derartigen Fällen tun, um dennoch ihre Übermittlungspflicht nicht zu verletzen?

 

III. Welche Ausnahmen bestehen von der elektronischen Übermittlungspflicht?

Nehmen wir den wohl häufigsten Fall aus der Praxis, an der diese Übermittlungspflicht scheitert: Technische Störungen. Liegen derartige technische Störungen (z.B. Serverausfall) vor, die eine elektronische Übermittlung verhindern, so erlaubt § 55d S. 3 VwGO eine Übermittlung auf herkömmlichem Weg – also nicht elektronisch, sondern Übermittlung auf Papier oder Telefax. Wichtig dabei zu wissen ist: Die Regelung unterscheidet nicht danach, ob die Ursache der technischen Störung in der Sphäre des Gerichts oder in der des Einreichenden liegt.

Dabei gilt jedoch: Aus Gründen der Missbrauchsprävention ist die technische Störung einschließlich der lediglich vorrübergehenden Natur gleichzeitig bzw. jedenfalls unverzüglich danach glaubhaft zu machen, was im Regelfall durch schriftliche Stellungnahme geschieht. Unverzüglich meint in diesem Kontext ohne schuldhaftes Verzögern der übermittelnden Partei.

 

IV. Folgen fehlerhafter Übermittlung

Doch was passiert, wenn keine dieser Ausnahmen vorliegen und vor allem - was kann getan werden, um dies nachträglich zu heilen?

Erfolgt eine Einreichung trotz der elektronischen Einreichungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften, ohne dass die Voraussetzungen des § 55d S. 3, 4 VwGO und damit eine vorrübergehende technische Störung vorliegen, gilt: Die Einreichung ist unzulässig. Potenzielle Prozesserklärungen sind in diesen Fällen nicht wirksam. Auch kommt keine rügelose Einlassung durch die andere Partei oder ein Verzicht auf diese Form in Betracht – die Regelung steht also nicht zur Disposition der Parteien. Die Einhaltung der elektronischen Einreichung ist von Amts wegen zu prüfen.

Allerdings gilt: Ein Verstoß gegen diese Pflicht zieht kein Verwertungsverbot nach sich. Inhaltlich kann daher unter Umständen eine Ingebrauchnahme stattfinden. Weiterhin gilt, dass entsprechend § 55d Satz 4 VwGO auf Anforderung des Gerichts eine Nachreichung der Ersatzeinreichung als elektronisches Dokument zu erfolgen hat.

 

Fazit

Seit dem 01.01.2023 gilt die elektronische Übermittlungspflicht ebenfalls für Steuerberater. Dabei gilt: Im Grundsatz sind jegliche Unterlagen in der Kommunikation mit der Justiz elektronisch zu übermitteln. Sollte dies aufgrund vorrübergehender technischer Störungen nicht möglich sein, kann ausnahmsweise via Papier oder Fax übermittelt werden. Dies ist jedoch unverzüglich glaubhaft zu machen. Sofern der elektronischen Übermittlungspflicht nicht entsprochen wird, obwohl keine technische Störung vorliegt, ist die Einreichung unzulässig.


Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit 2020 schwerpunktmäßig auch in den Corona-Hilfsprogrammen des Bundes und der Länder.

Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin im Frankfurter Büro von Fieldfisher regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie vertritt eine größere Zahl von Mandanten derzeit gegenüber Behörden und Förderbanken bei den Corona-Überbrückungshilfen.


 

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