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Corona-Hilfen: Grundsatzentscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen - Rückforderung von Corona-Soforthilfen war rechtswidrig – Erfolg hat Einschränkungen

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Mit diesem Rechtsupdate möchten wir Unternehmen sowie Steuerberater:innen über die von uns beobachteten Rechtsentwicklungen bei den Corona-Sofort- und Überbrückungshilfen informieren. Die Zahl der Ablehnungen auf Überbrückungshilfen haben sich deutlich erhöht, sodass ein gesteigertes Interesse an den Gründen für diese Umstände besteht. Schließlich sind viele Unternehmen auf entsprechende Fördersummen angewiesen. Damit Sie auf dem aktuellen Stand bleiben, fassen wir Ihnen wöchentlich eine wichtige Entscheidung zu diesem Thema zusammen, sodass aktuelle Rechtsentwicklungen verfolgbar bleiben.


OVG Nordrhein-Westfalen: Rückforderung von Corona-Soforthilfen war rechtswidrig (OVG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 17.03.2023 zum Urteil 4 A 1986/22 vom 17.03.2023)

Wichtig: Urteilsgründe liegen mangels Volltextveröffentlichung bisher noch nicht vor, werden aber aktualisiert, sobald die Veröffentlichung stattfindet. Die hier getätigten Angaben zu den entsprechenden Urteilen basieren auf den jeweilig veröffentlichten Pressemitteilungen.

 

Sachverhalt:

Das OVG-Urteil traf im Ergebnis eine Grundsatzentscheidung für drei Verfahren des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen: 4 A 1986/22 (I. Instanz: VG Düsseldorf 20 K 217/21, Kosmetikstudio), 4 A 1987/22 (VG Düsseldorf 20 K 7488/20, Steuerberater), 4 A 1988/22 (VG Düsseldorf 20 K 393/22, Schnellrestaurant).

Bei den Klägern handelt es sich um Selbstständige (ein freiberuflicher Steuerberater und Dozent für Steuerrecht, eine Inhaberin eines Schönheitssalons und ein Betreiber eines Schnellrestaurants), die von den Infektionsschutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen waren. Sie haben am 30. März bzw. am 1. April 2020 beim Land Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Soforthilfe in der ersten Sperrzeit gestellt. Mit Bewilligungsbescheiden vom selben Tag wurde ihnen eine Soforthilfe in Höhe von jeweils 9.000 Euro als einmaliger Pauschalbetrag bewilligt und kurz darauf ausgezahlt. Nachdem die Kläger Einnahmen und Ausgaben für den dreimonatigen Bewilligungszeitraum (März bis Mai 2020 bzw. April bis Juni 2020, je nach Zeitpunkt der Antragstellung) gemeldet hatten, wurden automatisch endgültige Bescheide erlassen. In diesen Bescheiden wurde ein aus dem elektronischen Rückmeldebogen errechneter "Liquiditätsengpass" festgestellt und die Differenz zum ausgezahlten Pauschalbetrag zurückgefordert. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hob diese endgültigen Bescheide auf.

 

Entscheidungsgründe:

Das OVG NRW bestätigte die Entscheidung der Verwaltungsgerichte: Die Bescheide sind rechtswidrig und müssen aufgehoben werden, weil das Land die Vorgaben der Bewilligungsbescheide, die für die endgültige Feststellung bindend sind, nicht eingehalten hat. Danach diente die Soforthilfe ausschließlich der Linderung pandemiebedingter finanzieller Notlagen, insbesondere der Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren hat keine Grundlage in den Bewilligungsbescheiden. Die in den Bescheiden von den Empfängern geforderten Angaben waren ungeeignet, um unter Berücksichtigung der verbindlichen Festlegungen in den Bewilligungsbescheiden den letztlich verbleibenden Förderbetrag zu ermitteln. Zudem seien die endgültigen Bescheide rechtswidrig, weil sie in vollem Umfang von automatischen Trägern erlassen worden seien, ohne dass es dafür eine gesetzliche Grundlage gebe.

Der Staat bleibt jedoch berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden "endgültigen Bescheiden" endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Die Corona-Soforthilfe wurde als Eigenkapitalzuschuss in Form eines einmaligen Pauschalbetrags genehmigt. Trotz unklarer Formulierungen in den Bewilligungsbescheiden war der Zuschuss angesichts der noch unbekannten Entwicklung und Dauer der pandemiebedingten Einschränkungen für die Wirtschaft zumindest unter dem Vorbehalt, ob und inwieweit die bewilligten Mittel für den ausschließlichen Zweck des Zuschusses benötigt werden, von vornherein klar erkennbar. Zwar konnte jeder Empfänger einer Soforthilfe in Nordrhein-Westfalen darauf vertrauen, dass er keine Mittel zurückzahlen muss, die er im Bewilligungszeitraum "zur Linderung finanzieller Notlagen des betroffenen Unternehmens oder Selbstständigen im Zusammenhang mit der Pandemie COVID 19" oder "zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der Pandemie COVID 19 entstanden sind", rechtmäßig verwendet hat. Allerdings muss auch für objektive Empfänger der Bewilligungsbescheide erkennbar gewesen sein, dass die Soforthilfe in vollem Umfang nur zum Ausgleich der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe verwendet werden durfte, dass entsprechende Mittelverwendungen in Einzelfallprüfungen nachzuweisen und zu dokumentieren waren und dass nicht zweckentsprechend verwendete Mittel zu ermitteln und nachträglich zurückzuzahlen waren. Den Bewilligungsbescheiden ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sie auch hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen für die Rückzahlung einer noch zu entwickelnden Verwaltungspraxis unterliegen sollten.

Selbst wenn der Förderhöchstbetrag in Nordrhein-Westfalen immer gewährt worden wäre, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Rückzahlung - anders als im Bundesprogramm - nur dann zu erfolgen hätte, wenn dieser Betrag höher wäre als ein wie auch immer ermittelter Umsatzverlust. Insoweit tritt die offensichtlich ungewollte Formulierung hinter dem klar erkennbaren Zweck der Förderung zurück. Unklar geblieben ist allerdings, ob das Land ebenso wie der Bund die Rückzahlungsverpflichtung nur davon abhängig machen wollte, dass die gewährten Mittel (in voller Höhe) zum Ausgleich des eingetretenen Liquiditätsengpasses benötigt wurden. Soweit durch eine erkennbar fehlerhaft verwendete und offensichtlich nicht wörtlich so gemeinte Formulierung des Landes über den Umfang der Rückzahlungsverpflichtung Zweifel blieben, müssen diese zu Lasten des Landes gehen.

Von einem Liquiditätsengpass in Form vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten konnten Zuwendungsempfänger ausgehen, sobald sie nicht in der Lage waren, bis zum Ablauf bestehender Zahlungsfristen neben den verbleibenden laufenden Überschüssen - auch nicht aus noch möglichen und tatsächlich abgeschlossenen Kompensationsgeschäften - ausreichende eigene Einnahmen zu erzielen, um Zahlungsverpflichtungen auch ohne Landesmittel im Rahmen des "Cash-Flow" fristgerecht begleichen zu können. Sofern das Existenzminimum des Selbstständigen nicht durch Sozialleistungen gedeckt war, konnten die bis zum 1. April 2020, 13:30 Uhr, bewilligten Mittel auch dann eingesetzt werden, wenn die Umsätze des geförderten Betriebes nicht einmal mehr zur Finanzierung dieses Existenzminimums ausreichten.

Der Staat bzw. das Land bleiben jedoch berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden "endgültigen Bescheiden" endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Dabei durften die Antragsteller jedoch darauf vertrauen, dass sie keine Mittel zurückzahlen müssten, die für im Bewilligungszeitraum zweckentsprechend der Förderrichtlinie pandemiebedingt rechtmäßig verwendet wurden.

 

Zusammenfassung:

  • Das Land NRW hat sich bei der Rückforderung nicht an die bindenden Vorgaben aus den Bewilligungsbescheiden gehalten, wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbesondere Finanzierungsengpässe zu überbrücken. Wenn Zuwendungsempfänger die Corona-Soforthilfen in dem dreimonatigen Bewilligungszeitraum im Frühjahr 2020 nicht oder nur teilweise zu diesen Zwecken benötigt haben, darf das Land allerdings neue Schlussbescheide erlassen und überzahlte Mittel zurückfordern.
  • Die im Rahmen der Corona-Soforthilfe des Landes NRW geforderten Angaben waren ungeeignet, um unter Berücksichtigung der verbindlichen Festlegungen in den Bewilligungsbescheiden den letztlich verbleibenden Förderbetrag zu ermitteln. Das später vom Land NRW geforderte Rückmeldeverfahren findet in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage.
  • Endgültige Bescheide, die in fördermittelrechtlichen Kontext in vollem Umfang von automatischen Trägern erlassen werden, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage existiert, sind alleine aus diesem Grunde bereits rechtswidrig.
  • Den Bewilligungsbescheiden war jedoch nicht zu entnehmen, dass sie auch hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen für die Rückzahlung einer noch zu entwickelnden Verwaltungspraxis unterliegen sollten.
  • Selbst wenn der Förderhöchstbetrag in Nordrhein-Westfalen immer gewährt worden wäre, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Rückzahlung - anders als im Bundesprogramm - nur dann zu erfolgen hätte, wenn dieser Betrag höher wäre als ein wie auch immer ermittelter Umsatzverlust. Insoweit tritt die offensichtlich ungewollte Formulierung hinter dem klar erkennbaren Zweck der Förderung zurück.
 
Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen zu einem negativen Bescheid benötigen, melden Sie sich gerne bei uns.  
 
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Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.          
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.