Vorstand und Geschäftsführer haften nicht persönlich für Kartell-Geldbußen eines Unternehmens, wohl aber für zivilrechtliche Ansprüche Dritter | Fieldfisher
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Vorstand und Geschäftsführer haften nicht persönlich für Kartell-Geldbußen eines Unternehmens, wohl aber für zivilrechtliche Ansprüche Dritter

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Germany

Das OLG Düsseldorf (OLG) hat am 27. Juli 2023 über eine umstrittene Frage zur persönlichen Haftung von Vorständen / Geschäftsführern entschieden. Nach der Entscheidung haften sie nicht persönlich für Kartell-Geldbußen des Unternehmens.

Es bestehe aber eine Haftung des Geschäftsführers und Vorstandes für zivilrechtliche Ansprüche Dritter, die aufgrund des Kartells geschädigt worden seien.

Zum Sachverhalt

Der zu entscheidende Fall betraf laut Pressemitteilung des OLG zwei verbundene Edelstahlunternehmen, die ihren ehemaligen Geschäftsführer bzw. Vorstandsvorsitzenden auf Schadensersatz wegen seiner Mitwirkung an einem Kartell verklagt hatten. Zwischen Juli 2002 und Ende 2015 hatte der Beklagte in seiner Funktion als Führungsorgan sensible wettbewerbsrelevante Informationen mit Wettbewerbern ausgetauscht. Infolgedessen verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder von insgesamt rund 355 Mio. Euro gegen zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und siebzehn Personen. Die klagenden Unternehmen verlangten nun Schadensersatz in Höhe des gegen sie verhängten Bußgeldes i.H.v. 4,1 Millionen Euro bzw. die Erstattung von mehr als einer Million Euro für Aufklärungs- und Anwaltskosten. Sie forderten zudem, dass der Beklagte für alle zukünftigen Schäden haftet, die aus der Kartellbeteiligung resultieren.


Die Entscheidung

Das OLG bestätigt nun das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Düsseldorf (Az.: 37 O 66/20 (Kart)).

  • Kein Regress für Bußgelder: Das OLG stellte fest, dass kein Regress gegen den Beklagten bezüglich der gegen die GmbH verhängten Bußgelder geltend gemacht werden kann. Die individuelle Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Unternehmensbußen sei ausgeschlossen, um das kartellrechtliche Prinzip aufrechtzuerhalten, das getrennte Bußgelder für handelnde Personen und Unternehmen – auch der Höhe nach – vorsieht. Dies gelte erst recht, wenn Vorstand und Geschäftsführer über eine sog. "D&O-Versicherung" haftpflichtversichert seien und die Deckungssumme weit höher sei als das gegen das Unternehmen verhängte Bußgeld.
  • Kein Regress für Anwaltskosten: Darüber hinaus seien die Kosten für die Aufklärung und Verteidigung, die im direkten Zusammenhang mit dem Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen stehen, ebenfalls nicht zu erstatten.
  • Aber Haftung für zivilrechtliche Ansprüche Dritter: Dennoch bleibe eine Haftung des Geschäftsführers und Vorstands für zivilrechtliche Ansprüche Dritter, die durch das Kartell geschädigt wurden. Die geltend gemachte Verjährung wurde abgelehnt, da alle Treffen im Rahmen einer einheitlichen Grundabsprache eine Bewertungseinheit bilden und die Verjährung erst mit dem letzten Treffen begann, so das OLG.

Einordnung und Praxisauswirkungen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Bislang ist keine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser in der Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Frage der persönlichen Haftung von Vorstand und Geschäftsführern für Geldbußen eines Unternehmens ergangen. Das LG Dortmund etwa hatte sich im Juni noch anders positioniert (LG Dortmund (8. Zivilkammer), Beschluss vom 21.06.2023 – 8 O 5/22 (Kart)).

Für Vorstände / Geschäftsführer gilt trotz der Entscheidung, dass ein besonderes Augenmerk auf die Wahrung der kartellrechtlichen Compliance zu legen ist. So hatte etwa das LG München in dem bekannten "Neubürger"-Fall entschieden, dass ein ehemaliger Vorstand einen Schadensersatz in Höhe von 15 Mio EUR an seinen früheren Arbeitgeber bezahlen müsse, da er nicht dafür gesorgt hatte, dass ein funktionierendes Compliance Management System eingerichtet wurde (LG München I, 10.12.2013, 5 HKO 1387/10).

Die Pressemitteilung des OLG Düsseldorf zur vorliegenden Entscheidung vom 27.07.2023 finden Sie hier. Der Entscheidungstext liegt noch nicht vor.

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Kartellrecht