VG Aachen stärkt Rechte von Unternehmen und Steuerberatern bei Fragen des Unternehmensverbundes | Fieldfisher
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VG Aachen stärkt Rechte von Unternehmen und Steuerberatern bei Fragen des Unternehmensverbundes

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Germany

Mit diesem Rechtsupdate möchten wir Unternehmen sowie Steuerberater:innen über die von uns beobachteten Rechtsentwicklungen bei den Corona-Sofort- und Überbrückungshilfen informieren. Die Zahl der Ablehnungen auf Überbrückungshilfen haben sich deutlich erhöht, sodass ein gesteigertes Interesse an den Gründen für diese Umstände besteht. Schließlich sind viele Unternehmen auf entsprechende Fördersummen angewiesen. Damit Sie auf dem aktuellen Stand bleiben, fassen wir Ihnen wöchentlich eine wichtige Entscheidung zu diesem Thema zusammen, sodass aktuelle Rechtsentwicklungen verfolgbar bleiben.


VG Aachen (7. Kammer): Rückforderungsbescheid aufgehoben (VG Aachen (7. Kammer), Urteil vom 16.01.2023 – 7 K 2996/20)

 

Sachverhalt:

Eine GmbH, vertreten durch ihre Gesellschafter, beantragte Corona-Überbrückungshilfe. Die beiden Gesellschafter sind zudem alleinige Gesellschafter zwei weiterer GmbH. Alle drei Gesellschaften betreiben Kinos in unterschiedlichen Städten. Zunächst wurde am 28.03.2020 Corona-Soforthilfe durch die zuständige Behörde des Landes NRW gewährt. Zusätzlich beantragten die beiden GmbHs getrennt Corona-Überbrückungshilfe I, worauf eine entsprechende Auszahlung erfolgte. Die Klägerin beantragte ebenfalls Überbrückungshilfe I, der ebenfalls zunächst vorläufig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung positiv beschieden und ausgezahlt wurde. Einige Monate nach Antragstellung erließ die Behörde einen Rückforderungsbescheid. Die Klägerin müsse den gewährten Betrag der Überbrückungshilfe I zurückzahlen, da sie Teil eines Unternehmensverbundes sei.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet; der Rückforderungsbescheid wird aufgehoben.

Insbesondere wird seitens des Verwaltungsgerichts darauf abgestellt, dass die Rücknahme des Verwaltungsaktes ermessensfehlerhaft war. Dabei darf gem. § 49 Abs. 2 S. 1 VwVfG NRW ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Eine solche Schutzwürdigkeit ist insbesondere gem. § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG NRW dann nicht gegeben, wenn der Verwaltungsakt durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde.

Zunächst stünde es dem Bestandsvertrauen nicht entgegen, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entgangen sei. Vorliegend genügte der unwidersprochene Vortrag der Klägerin, dass die Mittel für die Begleichung der angefallenen Fixkosten eingesetzt wurden.

Ferner wurden in Bezug auf einen etwaigen Unternehmensverbund seitens der Klägerin "keine falschen Angaben gemacht" iSd § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG NRW. Begründet wird dies damit, dass der Vordruck im Rahmen der Antragstellung lediglich die Erklärung durch den prüfenden Dritten verlangt, dass dieser geprüft habe, "ob es sich bei dem Antragsteller um ein verbundenes Unternehmen handelt und dessen Plausibilität bestätigt".

Dieser Formulierung ist ausgehend vom Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB schon objektiv nicht die Erklärung zu entnehmen, die Klägerin sei kein verbundenes Unternehmen. Vielmehr wird durch den Bevollmächtigten die Prüfung der Plausibilität einer dahingehenden Annahme des antragstellenden Unternehmens bestätigt. Eine verbindliche Erklärung zu der Frage der Verbundenheit wird weder von dem antragstellenden Unternehmen noch dem prüfenden Dritten verlangt.

Dies könne jedoch auch dahinstehen. Denn bei der Aussage, "die Klägerin sei kein verbundenes Unternehmen", würde es sich um eine rechtliche Bewertung handeln und somit nicht um eine (tatsächliche) Angabe im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG NRW. Dass in diesem Fall das Vertrauen der Klägerin nicht hintenanstehen kann, leuchte schon deshalb ein, weil es nicht in der Verantwortung eines Antragstellers liege, die (rechtlichen) Voraussetzungen der Förderung selbst zu prüfen und sich darüber verbindlich zu erklären. Auslegung und Vollzug der Förderrichtlinie seien vielmehr Sache der Behörde. Also muss sie es gegen sich gelten lassen, wenn sie aufgrund einer rechtlichen Bewertung des Antragstellers endgültig über die Gewährung der Leistung entscheidet, statt die erforderlichen tatsächlichen Umstände zu ermitteln (entsprechend des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 24 VwVfG NRW).

Denn mit der Frage, ob ein „Unternehmensverbund“ gegeben ist, wird zum einen ein neuer Begriff eingeführt und zum anderen wird - zumal vom juristischem Laien - eine Subsumtion unter einen unbestimmten Rechtsbegriff bzw. eine Einschätzung der Förderpraxis der Behörde verlangt, die der Antragsteller nicht vornehmen kann.

 

Zusammenfassung:

  • Auf den Erhalt eines Bewilligungsbescheides darf grundsätzlich auch dann vertraut werden, wenn dieser vorläufig und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeht
  • Im Rahmen des Antragsverfahrens zur Corona-Überbrückungshilfe beinhaltet die Aussage des prüfenden Dritten zum Vorliegen eines Unternehmensverbundes beim Antragsteller keinen Erklärungswert, ob die rechtlichen Fördervoraussetzungen tatsächlich erfüllt wären
  • Entsprechend des Amtsermittlungsgrundsatzes ist es stets Aufgabe der Behörde, das Vorliegen von Fördervoraussetzungen – basierend auf Tatsachen – zu ermitteln.

 
Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen zu einem negativen Bescheid benötigen, melden Sie sich gerne bei uns.  
 
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Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.          
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin im Frankfurter Büro von Fieldfisher regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessen, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

 

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