Staat und Informationen Rechtsupdate 1/2022 | Fieldfisher
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Staat und Informationen Rechtsupdate 1/2022

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Germany

Die komplette Informationsbroschüre
"Staat und Information – Rechtsupdate 1/2022"
können Sie hier als PDF herunterladen.



Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort
II. Akteneinsicht
III. Presserecht Update
IV. IFG & UIG Update
V. Verbraucherinformationen
VI. Staat & soziale Medien

 


 

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit dieser Übersicht setzen wir unsere Serie "Staat und Information" fort und möchten Sie wieder über die aktuelle Rechtsprechung und die wichtigsten Entwicklungen in den Rechtsgebieten der Informationsfreiheitsrechte und des Presserechts kompakt und praxisnah informieren. Wir richten uns damit an Ministerien, Behörden und öffentliche Unternehmen sowie an alle am Informationsfreiheitrecht interessierten Kreise.

Die Informationsfreiheitsrechte haben nichts an Bedeutung verloren. In einem in seinen Grundlagen, Plänen und Handeln transparenten Staat, fühlt sich die Bevölkerung am demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess tatsächlich beteiligt. Allerdings gibt es auch Gründe, die gegen eine unbedingte Transparenz sprechen und den betroffenen Stellen bekannt sein sollten.
Hierbei ist es insbesondere unerlässlich die aktuelle Rechtsprechung zu verfolgen und Fortentwicklungen des Rechts durch die Gerichte nachzuverfolgen. Auch das zweite Halbjahr 2021 hat einige interessante Entscheidungen mit sich gebracht, die für die Öffentlichkeitsarbeit aber auch für gegen Behörden gerichtete Anträge relevant sind und bleiben.
 

Eine praktische Übersicht

Wir von Fieldfisher arbeiten an der Schnittstelle zwischen Recht und Information. Unsere Anwälte haben in den vergangenen Jahren sowohl Bundesministerien wie Bundesbehörden als auch Unternehmen in den Themen des Presserechts, der Informationsfreiheitsgesetze und dem Recht der sozialen Medien betreut. Aus zahlreichen gerichtlichen Verfahren wissen wir, worauf es ankommt.
Die vorliegende Übersicht soll Ihnen ein schnelles Update zu den wichtigsten rechtlichen Entwicklungen geben. Die Rechtsprechung wird kompakt und übersichtlich dargestellt.  Wir zeigen Ihnen weiter auf, welche Kernaussagen Sie aus den Entscheidungen für Ihre Praxis mitnehmen können.

 

Akteneinsicht

Mit Zunahme von Informationszugangsanträgen und Anträgen aufgrund des presserechtlichen Informationsanspruch wird das Thema der prozessualen Akteneinsicht immer relevanter. Denn im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des Verwaltungsgerichts kommt es oftmals zur Anforderung von Unterlagen bei der beteiligten Behörde. Aber was, wenn die Unterlagen geheimhaltungsbedürftig sind und nicht einer Gerichtsöffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen?
 

Vollständige Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO in alle dem Gericht vorliegenden Akten

Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, Beschluss v. 03.08.2021 – 9 B 48/20 ergibt sich eine gerade für Informationszugangsverfahren und presserechtliche Auskunftsansprüche extrem relevante prozessuale Fragestellung. Wie ist damit umzugehen, wenn die beklagte Behörde auf die gerichtliche Aufforderung zur Vorlage der Verwaltungsvorgänge zwar Unterlagen übermittelt, aber zugleich darauf hinweist, dass diese dem Kläger bei einer etwaigen Akteneinsicht nach § 100 VwGO nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden dürfen? Oder anders gefragt: Können Unterlagen dem Gericht vorgelegt werden, aber die Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO gleichzeitig durch die vorlegende Behörde ausgeschlossen werden?
Vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Die Kläger waren Teilnehmer eines Bodenordnungsverfahrens und wandten sich gegen einen Beschluss zur Vergrößerung des Neuordnungsgebiets. Im Widerspruchsverfahren hatten die Kläger erfolglos Einsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge zur Gebietserweiterung begehrt. Im Gerichtsverfahren legte der Beklagte die vollständigen Akten zur angeordneten Gebietserweiterung vor, wies aber zugleich darauf hin, dass „aufgrund der Nichtbetroffenheit der Kläger in Bezug auf die Gebietsänderung“ kein Erfordernis der Akteneinsichtnahme in andere als die ihm bereits vorgelegten Akten bestehe. Mehrere Akteneinsichtsgesuche der Kläger nach § 100 VwGO scheiterten pandemiebedingt oder aus Termingründen. Nachdem sich schließlich ein konkreter Einsichtstermin abzeichnete, holte ein Vertreter des Beklagten die Akten beim Flurbereinigungsgericht zurück. Erst im Nachgang erläuterte der zuständige Berichterstatter den Klägern das Vorgehen in einer Verfügung. Das Oberverwaltungsgericht (Flurbereinigungsgericht) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Die Kläger stützten ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf verschiedene Verfahrensfehler, u.a. auf das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG wegen der unvollständigen Akteneinsicht.
 

Unterscheidung zwischen den Unterlagen, die dem Gericht vorgelegt werden sollen und den Unterlagen, die dem Gericht tatsächlich vorgelegt wurden

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass dem Gericht vorgelegte Verwaltungsvorgänge nicht zurückgeholt werden könnten. Durch ein solches Vorgehen und eine daraus resultierende unvollständige Einsichtsmöglichkeit werde das rechtliche Gehör gemäß § 103 Abs. 1 GG verletzt.
Zur Begründung beschreibt das Bundesverwaltungsgericht auch den Umfang des Akteneinsichtsrecht (§ 100 VwGO) wie folgt:

„Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich dabei auf alle dem Gericht in der konkreten Streitsache vorliegenden Akten mit ihrem gesamten Inhalt. Die Einsicht in diese Akten kann das Gericht auch dann nicht verweigern, wenn deren Inhalt seiner Auffassung nach keine Bedeutung hat. Denn über den Beweiswert vorgelegter Akten kann und darf es sich erst dann ein abschließendes Urteil bilden, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zu deren Inhalt zu äußern.“

Im Anschluss daran beschreibt es auch Ausnahmen hierzu:

„Behörden sind grundsätzlich nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Vorlage von Akten verpflichtet. Nur in Ausnahmefällen können sie aus Geheimschutzgründen die Aktenvorlage verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und ein selbstständiges in-camera-Verfahren einleiten, dessen Einzelheiten in § 99 Abs.  2 VwGO geregelt sind. Daneben kann es mitunter aus Gründen des Datenschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten sein, vor einer Aktenvorlage an das Gericht Schwärzungen vorzunehmen; das Akteneinsichtsrecht unterliegt insoweit einer teleologischen Reduktion (…)“.

Hiermit stellt das Bundesverwaltungsgericht auf zwei Ausnahmemöglichkeiten der Vorlagepflicht ab, die aber auch dazu führen, dass das Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO sich auf einen geringeren Teil der tatsächlich vorhandenen und vom Gericht angeforderten Informationen bezieht. Allerdings führt dies nicht zu einer Beschneidung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO, da dieses sich nur auf solche Unterlagen bezieht, die dem Gericht tatsächlich auch vorliegen. Hierbei sind demnach zwei Stufen zu unterscheiden:
  1. welche Informationen werden vom Gericht angefordert und dort vorgelegt – das richtet sich nach § 99 VwGO

  2. welche Informationen wurden dem Gericht vorgelegt und können gemäß § 100 VwGO von den Beteiligten eingesehen werden

 

Vorgelegte Unterlagen, die Gegenstand der Gerichtsakten geworden sind, müssen über § 100 VwGO vollständig zugänglich gemacht werden

Das Bundesverwaltungsgericht stellt schließlich ganz eindeutig und dem Wortlaut des Gesetzes folgend fest, dass einmal dem Gericht vorgelegte Unterlagen Teil der Gerichtsakte geworden sind und über § 100 VwGO einem Beteiligten auf Antrag zugänglich gemacht werden müssen. Mit der Übersendung der Unterlagen ans Gericht sind diese Gegenstand des Verfahrens geworden.
 

Zurücksenden der Unterlagen durch das Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht geht nicht weiter auf die teilweise Gerichtspraxis ein, solche Unterlagen umgehend – noch vor der Eintragung als Bestandteil der Gerichtsakte – an den Absender zurückzusenden, auf den Konflikt mit dem Akteneinsichtsrecht hinzuweisen und zur erneuten Vorlage – unter Berücksichtigung des umfassen den Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO – aufzufordern. Diese Praxis ist umstritten, uns selbst aber auch schon begegnet. Hierfür ließe sich anführen, dass das Gericht nicht sehenden Auges gegen Datenschutz oder Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verstoßen darf. Verlassen sollte man sich hierauf jedoch nicht.
 

Relevanz für Informationszugangsverfahren und presserechtliche Auskunftsansprüche

Die vorliegende Entscheidung hat erhebliche Relevanz für Informationszugangsverfahren und presserechtliche Auskunftsansprüche gegen Behörden.
In diesen Fällen kann eine unüberlegte Übersendung behördlicher Unterlagen nicht nur zur Verletzung von Geheimhaltungsbelangen führen, sondern gerade auch zur Erledigung des Gerichtsverfahrens. Dies kann nicht nur bei Vorlage der materiell streitgegenständlichen Unterlagen eintreten, sondern auch bereits dann, wenn zum Beispiel die begehrten Informationen (teilweise) im Verwaltungsvorgang enthalten sind und dieser auf Anforderung des Gerichts dort vorgelegt wird.
Es sollte daher nicht vorschnell einer gerichtlichen Verfügung zur Vorlage nachgekommen werden, sondern stets im Einzelfall geprüft werden, was unbedenklich vorgelegt werden kann.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Behörden dürfen Unterlagen nicht wahllos und ungeprüft an das Gericht verschicken, wenn sie nicht wollen, dass der Kläger umfassend von diesen Kenntnis erlangt. Denn zum Bestandteil der Gerichtsakte gemachte Verwaltungsvorgänge unterliegen grundsätzlich dem Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO.
  • Dies kann auch nicht durch einen einfachen Zusatz bei der Aktenübersendung (etwa: „Wir weisen darauf hin, dass die Teile x der Unterlagen dem Kläger nicht zugänglich gemacht werden dürfen“) vermieden werden.
  • Will eine Behörde bestimmte Unterlagen oder bestimmte Inhalte daraus, etwa aus Datenschutzgründen oder zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geheim halten, muss sie entweder die Vorlage nach § 99 Abs. 1 VwGO verweigern oder einzelne Inhalte ausheften und durch Fehlblätter kenntlich machen bzw. schwärzen.
 

 

Presserecht Update

Einleitung: Presserechtliche Informationsansprüche sind weiterhin ein aktuelles Thema für die Rechtsprechung. Mehr als zuvor bemühen sich Journalisten unter Berufung auf Art. 5 GG an Informationen des Staates zu gelangen, um ihre Berichterstattung zu untermauern und zu belegen. Soziale Medien befördern den Wunsch der Bevölkerung nach Transparenz auch der öffentlichen Hand. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat, dass ein originärer presserechtlicher Anspruch gegen die öffentliche Hand besteht, gibt es inzwischen eine Vielzahl von Anfragen der Presse aus jedem denkbaren Anlass.
 

Verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Auskünfte zur Pressearbeit des BND

Das BVerwG hat nun aktuell (BVerwG 6 A 10.20) entschieden, dass Journalisten aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG auch Auskünfte darüber erhalten und verlangen können, welche Medienvertreter aus Anlass sogenannter Kennenlerntermine Zugang zur Liegenschaft des Bundesnachrichtendienstes in Berlin erhalten haben. Ein Anspruch auf Auskunft zu den Namen der konkreten Medienvertreter und der von ihnen vertretenen Medien besteht hingegen nicht.
Geklagt hatte ein Journalist und Redakteur einer Tageszeitung. Er begehrte Auskunft, welche Medienvertretern Zugang zur Liegenschaft des Bundesnachrichtendienstes in Berlin erhalten hatten und mit welchen dieser Medienvertreter im Jahr 2019 vertrauliche Einzelgespräche geführt wurden. Er wollte damit konkrete Informationen zur Pressearbeit des Bundesnachrichtendienstes erhalten und erfahren wie der Bundesnachrichtendienst seine Einzelgespräche durchführt.
Außergerichtlich wurde dieser Auskunftsanspruch für den Journalisten nicht zufriedenstellend beantwortet, sodass er eine Auskunftsklage gegen den Bundesnachrichtendienst erhob. Im Laufe des Klageverfahren beantwortete der Bundesnachrichtendienst weitere Fragen des Journalisten.
 

Recherche- und Redaktionsgeheimnis sind je nach begehrter Information unterschiedlich zu berücksichtigen

Das Bundesverwaltungsgericht sah den Anspruch teilweise als begründet an. Hinsichtlich der Frage des Zugangs zur Liegenschaft sah das Bundesverwaltungsgericht keine schutzwürdigen privaten Interessen der betroffenen Journalisten und der von ihnen vertretenen Medien dem Anspruch entgegenstehen. Auch das Recherche- und Redaktionsgeheimnis verhindert einen solchen Auskunftsanspruch im konkreten Fall nicht, weil die begehrten Auskünfte keinen Bezug zu einer konkreten Recherche erkennen lassen und daher keine Gefahr besteht, dass durch die Auskünfte über die Kennenlerntermine konkrete Recherchetätigkeiten aufgedeckt werden. Ebenso wenig steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Medienvertreter entgegen, da die Auskunft deren auf Öffentlichkeit angelegte berufliche Sphäre betrifft.
Allerdings können keine weitergehenden Auskünfte zu den Einzelgesprächen begehrt werden. Die Bekanntgabe der Namen der Medienvertreter und Daten von Einzelgesprächen ließe Rückschlüsse auf die konkrete Recherchetätigkeit zu. Diese Rückschlüsse könnten bei Einbeziehung des vom Antragsteller vorgegebenen zeitlichen Rahmens und der Veröffentlichungen der Medienvertreter auf konkrete Recherchethemen schließen lassen. Schließlich würde das einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Recherche- und Redaktionsgeheimnis aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG mit sich bringen. Dieser könne von dem Auskunftsinteresse nicht überwogen werden.
 

Keine zwingende Anhörung der Betroffenen erforderlich

Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gebietet es laut Bundesverwaltungsgericht jedoch der auskunftspflichtigen Stelle grundsätzlich nicht, vor Erteilung oder Ablehnung der Auskunft die Betroffenen, deren private Interessen in die Abwägung mit dem Auskunftsinteresse der Presse einzustellen sind, anzuhören oder um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Die Pressearbeit einer Behörde muss transparent stattfinden. Dreh- und Angelpunkt ist Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.
  • Hierbei werden die entgegenstehenden Rechte und Interessen der im Rahmen der Pressearbeit beteiligten Medienvertreter und eines Medienvertreters der hierüber Auskunft begehrt gegeneinander abgewogen.
  • Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet der auskunftspflichtigen Stelle grundsätzlich nicht, vor Erteilung oder Ablehnung der Auskunft die Betroffenen, deren private Interessen in die Abwägung mit dem Auskunftsinteresse der Presse einzustellen sind, anzuhören oder um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen.
 

 

IFG & UIG Update

Einleitung: Die Informationsfreiheitsrechte des IFG, UIG und des VIG beschäftigen Behörden und Rechtsprechung regelmäßig. Es gibt viele Anträge, die sich auf politisch und wirtschaftlich sensible Themen beziehen oder in ihrem schieren Umfang für die Behörden kaum zu bewältigen sind.
In den letzten Jahren hat sich immer mehr abgezeichnet, dass die Gerichte hier die Ansprüche weit auslegen und die entgegenstehenden Ausschlussgründe sehr restriktiv handhaben. Die einschlägige Rechtsprechung sollte daher regelmäßig verfolgt werden. Im Übrigen bedarf es stets einer einzelfallbezogenen Betrachtung. Die aus unserer Sicht wichtigsten Entscheidungen aus jüngerer Zeit werden nachfolgend dargestellt.


IFG: Einstufung als Verschlusssache ist kein Ausschlussgrund

Ab und an müssen sich die Verwaltungsgerichte auch mit nicht ganz alltäglichen Fragen beschäftigen. So ging es dem VG Köln im Rahmen eines journalistischen Auskunftsanspruchs. Praktisch relevant ist diese Entscheidung dennoch, da es hierbei um eine klassische Frage nach einem Ausschlussgrund ging.
Das Verwaltungsgericht Köln hat am 22.07.2021 zum Aktenzeichen 13 K 15354/17 entschieden, dass kein Anspruch gegen das Bundesministerium der Verteidigung, die Positionsdaten des Kriegsschiffes „Rhein“ am Osterwochenende 2017 im Mittelmeer zu erhalten besteht, weil die Offenlegung die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnte.
Der Kläger ist freier Journalist und bei dem Verein „Open Knowledge Foundation“ Projektleiter für das Portal „FragDenStaat.de“, über das Anfragen auf der Grundlage u. a. des Informationsfreiheitsgesetzes an Behörden gestellt werden können. Im Juli 2017 beantragte der Kläger bei dem Bundesministerium der Verteidigung Informationen über die Position des Tenders „Rhein“, eines Versorgungsschiffes der Deutschen Marine am 15. und 16. April 2017. Das Schiff war zu diesem Zeitpunkt in der Militäroperation „Sophia“ eingesetzt worden, die sich u. a. gegen Schleuser im Mittelmeer richtete.
Außergerichtlich lehnte das Bundesministerium für Verteidigung die Offenlegung der Positionsdaten ab. Begründet wurde dies mit einem Geheimhaltungsbedarf im öffentlichen Interesse. Zudem sei das Schiffstagebuch dieses Kriegsschiffes als "Verschlusssache" eingestuft. Denn die Kenntnis der Geokoordinaten nebst Kurs und Geschwindigkeit ließen Rückschlüsse auf Operationsführung zur Schleuserbekämpfung im Mittelmeer und Durchsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Libyen, über Patrouillengebiete der Einsatzkräfte (anhand der Zeit und des Ortes der Aufklärung in Vorbereitung anderer militärischer Aktivitäten) sowie die Fähigkeiten der Schiffe der Deutschen Marine zu.
 

Gefährdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik

Das VG Köln bestätigte nun die Einschätzung des Bundesministeriums und dessen Ablehnung des Antrags. Es sah in der Offenlegung der begehrten Informationen ebenfalls eine Gefährdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.
Schleuser oder Embargobrecher könnten aus den Daten nicht nur Rückschlüsse auf die Einsatztaktik deutscher Kriegsschiffe ziehen, sondern auch auf deren technische Möglichkeiten, wie z. B. die Reichweite von Radaranlagen. Die Positionsdaten unterlägen der Vertraulichkeit, um nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des mandatierten Auftrages zu vermeiden. Solche nachteiligen Auswirkungen seien bei Bekanntgabe der Positionsdaten mit Blick auf die Operation „Sophia“ im Rahmen der mandatierten Operation zur Unterbindung der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke im südlichen und zentralen Mittelmeer sowie der Durchsetzung des VN-Waffenembargos gegenüber Libyen auf Hoher See zu erwarten. Würde ein an der Operation beteiligtes Schiff seine Position übermitteln, könnten Menschenschmuggler und Embargobrecher diese Position weiträumig umfahren, um eine Entdeckung oder Verfolgung zu vermeiden. Diese sicherheitsrechtliche Gefährdungslage bestehe ebenso mit Blick auf Positionsdaten aus der Vergangenheit, da anhand dieser Informationen Operationsmuster und -verfahren der beteiligten Schiffe des Einsatzverbundes nachvollzogen und Bewegungsprognosen erstellt werden könnten. Die auf diesem Wege möglichen Wahrscheinlichkeitsprofile durch Menschenschmuggler und Embargobrecher müssten auch mit Blick auf die Effektivität des Einsatzes sowie die angestrebte Gefahrenabwehr durch die bezeichneten Personengruppen sowie aufgrund des vorgegebenen Einsatzprofils verhindert werden. Zudem ließen sich aus den Positionen des deutschen Schiffes Rückschlüsse auf die Positionen der anderen Schiffe des Einsatzverbandes ziehen, was sogar die Gefahr terroristischer Angriffe auf die Kriegsschiffe berge.
 

Einstufung als Verschlusssache nicht ausreichend

Wesentlich in der Argumentation des VG Köln hierbei war auch der Punkt, dass die Einstufung als Verschlusssache nicht ausreichend ist, um einen Informationsanspruch ablehnen zu können. Es kommt vielmehr auf die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache an. Denn den öffentlichen Belangen drohen keine Nachteile, wenn eine als Verschlusssache eingestufte Information bekannt wird, es sei denn die Einstufung entspricht den materiellen Geheimhaltungsbedürfnissen. Dabei muss nicht der sichere Nachweis eines Nachteils erbracht werden. Es genügt insofern die Möglichkeit einer Beeinträchtigung. Diese Möglichkeit darf aber nicht nur eine theoretische sein. Insoweit muss die informationspflichtige Stelle plausibel darlegen, welche konkreten Gefahren die Einstufung eines Vorgangs als Verschlusssache rechtfertigen. Die informationspflichtige Stelle ist zu der Prüfung verpflichtet, ob die materiellen Voraussetzungen für die seitens der herausgebenden Stelle (§ 15 Abs. 1 VSA) erfolgte Einstufung als Verschlusssache (noch) vorliegen. Auch hier wird bei der Darlegung ein Mindestmaß an Plausibilität als ausreichend angesehen.
Gegen das Urteil konnten die Beteiligten einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Ob dieser Antrag erfolgt ist, ist nicht bekannt.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Fragen nach materiellen Geheimhaltungsgründen können auch in ungewöhnlichen Fallgestaltungen auftauchen.
  • Ausschlussgründe sind stets einzelfallbezogen zu prüfen und darzulegen. Hierbei genügt ein Mindestmaß an Plausibilisierung um den geheimhaltungsbedürftigen Inhalt nicht offen zu legen.
  • Eine zuvor erfolgte Einstufung als "Verschlusssache" genügt nicht als Ausschlussgrund. Diese muss sich auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch materielle Geheimhaltungsbedürfnisse stützen lassen.
 

 

IFG: Richterdaten müssen nicht herausgegeben werden

Das VG Berlin musste sich kürzlich auch mit einer es selbst betreffenden Fragestellung befassen. Die Bewertungsplattform "richterscore" begehrte bei der Berliner Senatsverwaltung Zugang im Einzelnen aufgeschlüsselten Informationen über die im Land Berlin beschäftigten Richterinnen und Richter. Dies lehnte die Senatsverwaltung unter anderem wegen datenschutzrechtlicher Bedenken ab (Urteil vom 18.11.2021 - VG 2 K 6.19).
Die Klägerin betreibt das digitale Bewertungsportal "richterscore". Auf dieser Plattform können sich Anwälte über Richterinnen und Richter austauschen, um sich auf Verhandlungen vorzubereiten. Um nach eigener Aussage die Gerichtsbarkeiten transparenter zu machen, beantragte die Klägerin auf Grundlage des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu im Einzelnen aufgeschlüsselten Informationen, insbesondere Name, Vorname, Titel, Geburtsdatum, Amtsbezeichnung und Beschäftigungsumfang.
Unter Berufung auf das öffentliche Interesse, welches nach Auffassung der Klägerin schwerer wiege als gegenläufige Interessen der Betroffenen, erhob diese Klage zum Verwaltungsgericht. Sie begründete diese Auffassung damit, dass die Daten bereits im vom Deutschen Richterbund herausgegebenen Handbuch der Justiz veröffentlicht seien. Unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes müsse daraus folgen, dass der Klägerin genau die gleichen Daten zustünden, wie der dem Deutschen Richterbund.
Das Verwaltungsgericht Berlin sah dies anders und wies die Klage in wesentlichen Teilen ab. Gerade der Schutz personenbezogener Daten stehe hier eine Zugänglichmachung entgegen. Denn die betroffenen Richter hätten anders als beim Handbuch der Justiz nicht in die Weitergabe der Daten eingewilligt. Dem gegenüber stünden alleine private Interessen der Klägerin, deren Ziel es sei, eigene wirtschaftliche Ziele zu erreichen.
In dem Blick nahm das Verwaltungsgericht hierbei auch den Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes und stellte fest, dass dieses auf Kontrolle staatlichen Verwaltungshandelns und Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung gerichtet sei. Keinem dieser Ziele diene jedoch der Antrag der Klägerin.
Auch mit weiteren Ausschlussgründen befasste sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung. Es argumentierte, dass bundesrechtliche Geheimhaltungspflichten ebenfalls einer Zugänglichmachung entgegenstünden, da es sich um Personalaktendaten handele.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Bei aller gewünschten Transparenz der Verwaltung sind personenbezogene Daten weiterhin ein überragendes Rechtsgut.
  • Das Verwaltungsgericht hat aber auch erkennen lassen, dass auch bei einem überragenden Rechtsgut stets eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, die auch die Interessen des Antragstellers berücksichtigt.
  • Es sind daher grundsätzlich Fälle denkbar, in denen ein Antrag auf Basis von Erwägungen gestellt wird, die den Schutz personenbezogener Daten überwiegen. In unserer Praxis ist dies allerdings ein absoluter Ausnahmefall, der höchstens einmal bei in der Gesamtöffentlichkeit sehr exponierten Personen vorkommen kann.
 
 

UIG: Keine Auskunft über städtische Eigentumsverhältnisse

Das VG Karlsruhe musste sich kürzlich mit einem auf das UIG gestützten Auskunftsanspruch eines Bürgers befassen, der von der Stadt Bruchsal Auskunft über Lage und Größe aller städtischen Grundstücke außerhalb des Bebauungszusammenhangs des Ortsteils Heidelsheim begehrte.
Das VG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen (VG Karlsruhe, Urt. v. 30.09.2021 – 14 K 2520/20), nachdem die Stadt den Antrag außergerichtlich bereits mit der Begründung abgelehnt hatte, die verlangte Auskunft falle nicht unter den freien Zugang zu Umweltinformationen, da es nicht um den tatsächlichen Zustand der Grundstücke, sondern die städtischen Eigentumsverhältnisse gehe. Mit der Klage zum Verwaltungsgericht verfolgte der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter.
 

Städtische Eigentumsverhältnisse an Grundstücken sind keine Umweltinformationen

Das VG Karlsruhe schloss sich dieser Argumentation im Wesentlichen an. Ein solcher Anspruch könne nicht auf das Umweltverwaltungsgesetz gestützt werden, da es sich bei den begehrten Informationen nicht um Umweltinformationen handele. Es fehle an einem Umweltbezug, denn es werde keine Auskunft über den umweltrelevanten Zustand der Grundstücke begehrt.
Auch ein konkreter Zusammenhang zu geplanten oder notwendigen umweltrelevanten Maßnahmen sei nicht ersichtlich. Auch ein Rückgriff auf das allgemeine Informationsfreiheitsrecht kommt insoweit nicht in Betracht, da der in § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO normierte Anspruch auf Einsichtnahme in das Grundbuch eine Rechtsvorschrift ist, die den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne des Landes-Informationsfreiheitsgesetzes vorrangig und abschließend regelt. Auch die Gefahr, dass die Gemeinde im Vorfeld späterer, in Umsetzung öffentlicher Zwecke und ggf. auch langfristig angelegter kommunaler Planungen erfolgender privatrechtlicher Grundstücksgeschäfte einer Ausforschung durch Kaufinteressenten und konkurrierende Grundstücksanbieter ausgesetzt wäre, weshalb das Bekanntwerden der hier begehrten Informationen prognostisch - jedenfalls auch - auf die Interessen der Gemeinde im Wirtschaftsverkehr nachteilige Auswirkungen haben kann, steht einem solchen Informationsbegehren entgegen.
Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zugelassen. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen können. Zum Zeitpunkt dieses Newsletters war nicht bekannt, ob Berufung einlegt wurde.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Speziell für auf Umweltinformationen ausgerichtete Gesetze können nur dann Anspruchsgrundlage sein, wenn tatsächlich Umweltinformationen begehrt werden.
  • Bei Informationen über Grundstücke ist zu prüfen, zu welchen Umständen oder Rechtsbeziehungen Informationen begehrt werden, um einen Umweltbezug feststellen oder ablehnen zu können.
  • Selbst wenn es sich nicht um Umweltinformationen handelt, kommt nicht stets ein Rückgriff auf das allgemeinere Informationsfreiheitsgesetz in Betracht. Sondervorschriften können hier vorgehen und sind im Einzelfall zu ermitteln.
 

 

Verbraucherinformation

Einleitung: Das Thema Verbraucherschutz hat höchste Aktualität, sowohl in der Praxis wie in der Gesetzgebung, in der Rechtsprechung und im Schrifttum. Der Schutz des Bürgers entfacht hierbei zumeist Sympathie und vorbehaltlose Zustimmung. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz des Bundes verband der Gesetzgeber ein modernes Verständnis von Verbraucherpolitik. Durch die Herstellung von Markttransparenz sollen die Verbraucher in die Lage versetzt werden, informierte Konsumentscheidungen zu treffen. Hiervon erhofft man sich wiederum ein verbessertes Funktionieren der Märkte insgesamt. Zunehmend sehen sich Behörden daher auch immer öfter Anfragen auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes ausgesetzt. Hierbei stoßen der Wunsch nach Transparenz und die behördlichen Kapazitäten aufeinander.
 

Viele Anfragen sind kein Grund zur Ablehnung einer Verbraucherinformation

Erneut musste sich ein Gericht mit der Frage befassen, ob eine Vielzahl von Anträgen eine Behörde berechtigen diese unter Verweis auf fehlende Kapazitäten abzulehnen. Einen ähnlichen Fall hatte bereits das Bundesverwaltungsgericht am 24.11.2020 – 10 C 12.19, entschieden.
Vorliegend nun entschied das Verwaltungsgericht Berlin am 17.11.2021 – VG 14 K 153/20, dass eine Vielzahl von Anträgen nicht bereits aus diesem Grund von der Behörde abgelehnt werden könne. Auch ein Hinweis auf knappe Ressourcen und die eigentlichen Aufgaben der Behörde rechtfertigen keine Ablehnung. Die Bearbeitung müsse dann vielmehr "gestreckt" erfolgen, nötigenfalls unter Schaffung der erforderlichen Kapazitäten.
 

Streit um Herausgabe von Kontrollberichten

Der Kläger hatte zuvor beim Bezirksamt Pankow in Berlin über die Internetplattform "Topf Secret" einen Antrag auf Informationszugang auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes gestellt. Foodwatch und die Transparenz-Initiative "FragDenStaat" haben gemeinsam die Online-Plattform "Topf Secret" ins Leben gerufen, auf der Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse von Hygienekontrollen in Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben mit wenigen Klicks abfragen und veröffentlichen können. Der Antragsteller begehrte Informationen über lebensmittelrechtliche Betriebsprüfungen und dabei festgestellte Beanstandungen in einem bestimmten Betrieb und die hierzu vorliegenden Kontrollberichte.
Das Bezirksamt lehnte diesen Antrag ab und argumentierte damit, der Antragsteller wäre Teil einer politischen Kampagne von "Topf Secret", Behörden lahmzulegen. Zwar würde der Antrag des Klägers nur zwei bis drei Stunden Bearbeitungszeit kosten. Über diese Plattform seien nun jedoch mehrere hundert Anträge gestellt worden, deren Abarbeitung insgesamt bis zu 1.800 Arbeitsstunden binden würde. Zeit, in der sonst rund 900 Lebensmittelkontrollen durchgeführt werden könnten.
Aufgrund dessen nahm das Bezirksamt einen gesetzlichen Ausschlussgrund an, weil "durch die Bearbeitung des Antrags die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde". Dagegen wendete sich der Kläger mit seiner Klage. Die Behörde begründet die „einheitliche“ Bewertung der Anträge damit, dass Personen, die ihren Antrag über das genannte Internetportal stellen, in Wirklichkeit nicht an dem Informationszugang selbst interessiert seien, sondern das Ziel verfolgten, die Behörde „lahmzulegen“. Damit machte sie der Sache nach geltend, die Anträge seien rechtsmissbräuchlich gestellt.
 

Aufwand für einzelnen Antrag maßgeblich

Das Verwaltungsgericht Berlin gab der Klage teilweise statt. Es sah den vom Bezirksamt angenommenen Ausschlussgrund als nicht gegeben an. Wortlaut und Gesetzesbegründung dieses Ausschlussgrundes wären maßgeblich und sähen diesen nur vor, wenn einzelne Anfragen einen außergewöhnlich hohen Aufwand und hohe Bearbeitungskosten verursachen würden. Zum Beispiel wie bei einem Verfahren vor dem OVG Lüneburg (Urteil vom 2. September 2015 - 10 LB 33/13 -, juris Rn. 101) zu einem Antrag, welcher 13 Aktenordner füllte, Personal- und Sachkosten in Höhe von 48.000,- € sowie die Einstellung eines zusätzlichen Vollzeitmitarbeiters verursachte. Bei einer Vielzahl von Anfragen, bei denen eine einzelne diese Voraussetzungen jedoch nicht erfülle, könne der Ausschlussgrund nicht zur Anwendung kommen. Zudem seien Anträge anderer Privatpersonen, die ebenfalls die Plattform genutzt hätten, dem Kläger nicht zuzurechnen. Die Möglichkeit, über die Plattform eine Anfrage zu einem konkreten Betrieb zu stellen, steht laut Verwaltungsgericht Berlin jedermann offen. Mit welchem Motiv Personen zu bestimmten Betrieben Informationen erlangen wollen, ist danach weder überprüfbar noch entscheidend. Eine Suche nach der „wahren“ Motivlage der Antragstellenden finde in der Judikatur zum Rechtsmissbrauch keine Stütze.
Schließlich kann die Behörde auch deswegen den Antrag nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG ablehnen, weil sie nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung zunächst verpflichtet ist, dem Informationsbegehren im Einzelfall soweit wie möglich zu entsprechen. Sie ist danach jedenfalls darauf zu verweisen, die Anträge zeitlich gestreckt abzuarbeiten. Soweit sie geltend macht, eine gestaffelte Auskunftserteilung komme nicht in Betracht, weil der arbeitszeitmäßige Aufwand auch in diesem Fall genauso hoch sei und „originäre“ Aufgaben der Behörde in dieser Zeit nicht erfüllt werden könnten, konnte dies das Gericht nicht überzeugen. Vor dem Hintergrund, dass nach dem Verbraucherinformationsgesetz ein Rechtsanspruch auf Erteilung der dort genannten Informationen besteht, trifft die betroffenen Behörden auch eine Obliegenheit, hierfür zeitliche Kapazitäten und interne Strukturen zu schaffen.
 

Kein Rechtsmissbrauch durch "Topf Secret"

Auch bei der Plattform "Topf Secret" konnte das Verwaltungsgericht keine Rechtsmissbräuchlichkeit feststellen. Hierüber solle allein die vom Verbraucherinformationsgesetz vorgesehene Transparenz erreicht werden. Eine Verpflichtung der Behörde zur Erteilung der begehrten Informationen komme derzeit gleichwohl (noch) nicht in Betracht, da das Bezirksamt vorher noch den hier betroffenen Betrieb anhören müsse.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass sorgfältig geprüft werden sollte, ob ein Antrag wegen Rechtsmissbräuchlichkeit abgelehnt wird.
  • Dies ist nur dann möglich, wenn der einzelne konkrete Antrag die Bearbeitungskapazitäten der Behörde überschreitet. Mehrere Anträge unterschiedlicher Antragsteller dürfen nicht gemeinsam betrachtet werden.
  • Im Übrigen sind Behörden verpflichtet, zeitliche Kapazitäten und interne Strukturen zu schaffen, um auch eine Vielzahl von Anträgen in angemessener Zeit bearbeiten zu können.
 

 

Staat & soziale Medien

Einleitung: Die Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern über soziale Medien und die Öffentlichkeitsarbeit von Behörden über solche Plattformen ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Hierbei sollten jedoch eine wesentliche Aspekte bedacht werden. Denn zum einen kann Öffentlichkeitsarbeit zu negativen Folgen sowohl für Behörde als auch für den Betroffenen mit sich bringen, wenn sie rechtlich nicht abgesichert erfolgt. Zum anderen können auch bei der Einzelkommunikation Fallstricke bestehen, die sich Behörden bewusst machen sollten.
 

Keine Einsicht in Twitterdirektnachrichten

Im Oktober vergangenen Jahres musste sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage befassen, ob in Twitterdirektnachrichten des Bundesinnenministeriums auf Antrag Einsicht gewährt werden muss. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte zuvor dem Antrag auf Einsicht in solche Kommunikation stattgegeben (VG Berlin, Urt. v. 26.08.2020 - 2 K 163.18) mit der Begründung, dass nur solche Informationen vom Einsichtsanspruch ausgenommen seien, die nicht ausschließlich privaten (persönlichen) Zwecken dienten.
Der Kläger betreibt die Internetseite FragDenStaat und wollte hierfür Einsicht in Twitter-Direktnachrichten des Bundesinnenministeriums erhalten. Twitter-Direktnachrichten sind eine Kommunikation lediglich zwischen der accountbetreibenden Behörde und dem Nachrichtenempfänger. Dritte erhalten keinen Zugang zu dieser Kommunikation. Die Nachrichten in die Einsicht begehrt wurde, waren informelle Korrespondenz. Diese umfassten u. a. Terminabsprachen, Danknachrichten für Bürgeranfragen etwa betreffend Tipp- und Verlinkungsfehler oder Fragen von Journalisten nach zuständigen Personen. Die Direktnachrichten werden beim Bundesinnenministerium selbst nicht gespeichert; sie sind für das Ministerium aber bei der Twitter Inc. abrufbar.
Das Bundesverwaltungsgericht ist nur der Argumentation des Bundesinnenministeriums gefolgt und hat die Klage abgewiesen (BVerwG, Urt. v. 28.10.2021 – 10 C 3.20). Es hat ebenso wie das Bundesinnenministerium angenommen, dass es sich nicht um amtliche Informationen handele, da die Kommunikation nicht amtlichen Zwecken gedient habe.
Vom Gesetzgeber sei zur Ausfüllung dieser Definition eine bestimmte Finalität der Aufzeichnung vorgesehen gewesen. Dabei müsse nicht nur die Information selbst amtlichen Zwecken dienen, sondern gerade auch ihre Aufzeichnung. Zwar sei dies grundsätzlich möglich bei Twitterdirektnachrichten, aber eben auch möglich, dass dies nicht der Fall sei. Nachrichten, die aufgrund geringfügiger inhaltlicher Relevanz keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen, sind keine amtlichen Zwecken dienende Informationen. Hieran ändert auch die Speicherung bei Twitter nichts, da diese nach dem Geschäftsmodell der Twitter Inc. erfolge. Durch das Bundesinnenministerium sei der Kommunikation kein amtlicher Zweck beigegeben worden. Ein solcher ist auch vor dem Hintergrund der Registraturrichtlinie der Bundesministerien und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Aktenführung nicht ersichtlich.
 


Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Kommunikation einer Behörde über soziale Medien kann aber muss nicht amtlichen Zwecken dienen. Es kommt stets auf den Zweck und Inhalt der Kommunikation an.
  • Geringfügige inhaltliche Relevanz, die nicht zu einer Veraktung der Informationen Anlass gibt, führt nicht zur Amtlichkeit der Informationen.
  • Es sollte stets abgewogen werden, was im Einzelnen über welche Kommunikationsform mit Bürgern an Informationen ausgetauscht wird. Dies insbesondere im Hinblick auf einen möglichen späteren Informationszugangsanspruch.
  • Die Entscheidung sollte nicht dahingehend verstanden werden, dass Informationsansprüche umgangen werden können, indem auf Kommunikation über soziale Medien ausgewichen wird.

 

 

Über die Autorin

Christine Charlotte Fischer ist Rechtsanwältin im Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht und spezialisiert auf das Informationsfreiheitsrecht im Hamburger Büro von Fieldfisher. Sie berät unterschiedliche Institutionen im öffentlichen Sektor, wie Bundesministerien, oberste Bundesbehörden und Verfassungsorgane.
Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung und Vertretung ihrer Mandanten in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Darüber hinaus erstellt Sie Gutachten zu öffentlich-rechtlichen Themen. Viele der von ihr betreuten Mandate betreffen Fragen des Rechts der Bundesländer, des Bundes und der Europäischen Union.
Im Rahmen ihrer Beratung steht sie ihren Mandanten von Anfang zur Seite, unterstützt mit einer aus eigener Erfahrung gewonnenen Kenntnis der Abläufe in Behörden und berücksichtigt hierbei auch Implikationen, die über reine Rechtsfragen hinausgehen. Ihr Ziel ist es stets für den Mandanten ein zufriedenstellendes Ergebnis herbeizuführen.

 

Spezialgebiete

Verwaltungsrecht