Sektoruntersuchung „Erfassung von Siedlungsabfällen / Aufbereitung von Hohlglas“: Rethmann-Gruppe deutlicher Marktführer und muss künftig möglicherweise Kleinsterwerbe anmelden | Fieldfisher
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Insight

Sektoruntersuchung „Erfassung von Siedlungsabfällen / Aufbereitung von Hohlglas“: Rethmann-Gruppe deutlicher Marktführer und muss künftig möglicherweise Kleinsterwerbe anmelden

Lea Josten
17.01.2024

Locations

Germany

Das Bundeskartellamt hat am 28. Dezember 2023 die Ergebnisse seiner Sektoruntersuchung im Bereich der Erfassung von Siedlungsabfällen und der Aufbereitung von Hohlglas (Glasverpackungen) veröffentlicht. Danach ist die Rethmann-Gruppe (REMONDIS, Rhenus und SARIA) in vielen Bereichen der Entsorgungswirtschaft mit beachtlichen Marktanteilen Marktführer und hält einen großen Abstand zu konkurrierenden Unternehmen.

Das Bundeskartellamt prüft nun, ob ein Verfahren zum Erlass einer Meldepflichtverfügung gegen die Rethmann-Gruppe einzuleiten ist, um grundsätzlich kleinere anmeldefreie Unternehmenszusammenschlüsse im Rahmen der Fusionskontrolle prüfen zu können.

Marktteilnehmer und Vertreter der interessierten Wirtschaftskreise sind aufgefordert, schriftlich zu dem Bericht Stellung zu nehmen (Frist 29. Februar 2024).

Das Instrument der Sektoruntersuchung

Seit der 7. GWB-Novelle ist es dem Bundeskartellamt nach § 32e GWB erlaubt, sogenannte Sektoruntersuchungen durchzuführen und so Strukturen und Wettbewerbsbedingungen eines bestimmten Wirtschaftszweiges zu untersuchen und zu analysieren. Dafür müssen Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist. Im Anschluss an eine Sektoruntersuchung und deren Veröffentlichung stehen dem Bundeskartellamt, unbeschadet seiner sonstigen Befugnisse, weitere Kompetenzen nach § 32f GWB zur Verfügung. Derzeit arbeitet das Bundeskartellamt an Sektoruntersuchungen im Bereich des Krankenhauswesens sowie zur Bereitstellung und Vermarktung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.

Die Sektoruntersuchungen in der Entsorgungswirtschaft

Im Dezember 2021 veröffentlichte das Bundeskartellamt die Sektoruntersuchung zur Erfassung von Haushaltsabfällen. Danach ergaben sich verschiedene Anhaltspunkte für einen nachlassenden Wettbewerb in diesem Wirtschaftszweig. Insbesondere wurde eine Verringerung der Bieteranzahl auf Ausschreibungen, ein Rückgang von Auftragnehmerwechseln bei der Vergabe sowie ein Anstieg der Preise von Verkaufsverpackungen festgestellt. Darüber hinaus wurde ermittelt, dass die Unternehmen der Rethmann-Gruppe bei der Erfassung von Haushaltsabfällen bundesweit mit einem erheblichen Abstand führend vor ihren Wettbewerbern waren. Mit der nun veröffentlichten Sektoruntersuchung sollte ermittelt werden, wie sich die Wettbewerbsverhältnisse seitdem entwickelt haben und ob die Unternehmen der Rethmann-Gruppe auf bundesweiter Ebene auch weiterhin Marktführer sind. Das Bundeskartellamt erweiterte den Untersuchungsgegenstand überdies auf sämtliche Siedlungsabfälle und ergänzte diesen um die nachgelagerte Aufbereitung von Hohlglas (Glasverpackungen).

Ergebnisse und Folgen der Sektoruntersuchung

Die Sektoruntersuchung ergab, dass die Rethmann-Gruppe im Jahr 2021 durchgängig bei der bundesweiten Erfassung auf den Märkten von Rest-, Bio- und Sperrmüll Anteile in Höhe von 25-30 Prozent erreichten. Auf den Märkten getrennt gesammelter Fraktionen von Papier, Pappe, Kartonage, gemischten Verpackungen/Wertstoffe und Glas seien Marktanteile in Höhe von 20-25 Prozent erreicht worden. Bei der Erfassung von Verkaufsverpackungen im Auftrag dualer Systeme erreiche die Rethmann-Gruppe bei Leichtverpackungen Anteile in Höhe von 25-30 Prozent und bei Behälterglas Anteile in Höhe von 35-40 Prozent. Bei der der Erfassung der nachgelagerten Aufbereitung von Behälterglas seien bundesweit Anteile in Höhe von 35-40 Prozent erreicht worden. Die Abstände zu den jeweils nächstfolgenden Wettbewerbern seien zudem in den meisten Bereichen beträchtlich. Ein Vergleich der Jahre 2018 bis 2021 zeige zudem, dass sich die Abstände zwischen der Rethmann-Gruppe und ihren Wettbewerbern insgesamt nicht signifikant verändert hätten. Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes sagte hierzu:

„Insbesondere bei der Erfassung von Restmüll sowie bei der Erfassung und Aufbereitung von Altglas hat die Rethmann-Gruppe eine sehr starke Marktposition. Angesichts dieser Ergebnisse werden wir im nächsten Schritt prüfen, ob wir Rethmann verpflichten, künftig auch die Übernahmen von kleineren Unternehmen bei uns anzumelden. Wir könnten dann die wettbewerblichen Auswirkungen auch kleinerer Übernahmen von Unternehmen prüfen und die fortschreitende Marktkonzentration einer Kontrolle zuführen.

Der Bundeskartellamtspräsident zielt hier auf die Befugnis nach § 32f Absatz 2 GWB an. Danach kann das Bundeskartellamt ein Unternehmen verpflichten, Zusammenschlüsse anzumelden, bei denen der Erwerber im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse im Inland von mehr als 50 Millionen Euro und das zu erwerbende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse im Inland von mehr als einer Million Euro erzielt hat. Grundsätzlich unterliegen Unternehmenszusammenschlüsse erst einer Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt, wenn die deutlich höheren Umsatzschwellen des § 35 GWB erfüllt sind. Nach der Anhebung der Inlandumsatzschwellen durch die 10. GWB-Novelle wird die Schwelle erst überschritten, wenn ein beteiligtes Unternehmen im Inland mindestens 50 Millionen Euro und das andere mindestens 17,5 Millionen Euro Umsatz erzielt hat.

Das Instrument der Meldepflichtverfügung von Zusammenschlüssen

Zur Anwendung der reduzierten Schwellen nach § 32f GWB müssen im Rahmen einer zuvor durchgeführten Sektoruntersuchung objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb in dem untersuchten Wirtschaftszweig erheblich behindert wird. Anhaltspunkte für eine solche Behinderung können beispielsweise sein, dass ein bereits marktmächtiges Unternehmen schrittweise kleine Wettbewerber übernimmt oder die für seine Marktposition potenziell gefährlichen Newcomer aufkauft. Die Norm soll dem Bundeskartellamt somit ein flexibleres und partielles Einschreiten außerhalb der grundsätzlich geltenden Umsatzschwellen ermöglichen. Dies ist nach Ansicht des Bundeskartellamtes auch im konkreten Fall erforderlich, da eine Gefahr für den in Deutschland mittelständisch geprägten Entsorgungsbereich bestehe. Demnach könnten größere Unternehmen kleinere Unternehmen in erheblichem Umfang aufkaufen, ohne dass die wettbewerblichen Auswirkungen des Vorhabens durch das Bundeskartellamt kontrolliert werden könnten. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass in diesem fusionskontrollfreien „Unterschwellenbereich“ zahlreiche Aufkäufe durch größere Anbieter stattgefunden hätten.

Das Bundeskartellamt beabsichtigt nun zu prüfen, ob ein Verfahren zum Erlass einer solchen Verpflichtung gegen die Rethmann-Gruppe einzuleiten ist. Marktteilnehmer und Vertreter der interessierten Wirtschaftskreise sind daher aufgefordert, schriftlich zu dem Bericht Stellung zu nehmen. Ergeht eine solche Meldepflichtverfügung und unterlässt ein Unternehmen eine Anmeldung, greift einerseits das Vollzugsverbot des § 41 GWB und es droht ein Bußgeld.

Link zur Pressemitteilung des Bundeskartellamts

Link zum Abschlussbericht der Sektoruntersuchung

 

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Spezialgebiete

Kartellrecht