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Rückforderung von Corona-Soforthilfen

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Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft vor immense Herausforderungen gestellt. Unternehmen und Selbständige wurden von der plötzlichen Krise schwer und überraschend getroffen. Die Bundesregierung sah sich unter Zugzwang. Prompt wurde daher am 23. März 2020 die "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige" (Corona-Soforthilfe) beschlossen, so dass millionenfach Existenzen kurzfristig mit Zuschüssen abgesichert werden konnten.

Mit Stand 30. Juni 2020 wurden ca. 13,5 Mrd. € an Bundesmitteln für die Corona-Soforthilfe aufgebracht und mehr als 2 Millionen Anträge über die Länder abgewickelt – schnell und unbürokratisch.

Zwei Jahre später sehen sich viele Begünstigte mit Rückforderungsbescheiden konfrontiert – der Schreck ist groß. Gingen doch viele Antragsteller davon aus, die gesamte Zuschusssumme behalten zu dürfen.

Der Beitrag nimmt diese Situation zum Anlass, zu erklären, wann der Staat die Corona-Soforthilfe rechtlich zurückfordern darf und was Kleinstunternehmen und Soloselbständige sowie sie begleitende Steuerberater dabei zu beachten haben.
 
 

A. Rechtliche Einordnung von Corona-Soforthilfen

Soforthilfe, Überbrückungshilfe I-IV, Neustarthilfe oder Dezemberhilfe. Der Dschungel an Corona-Hilfspaketen wächst stetig an – die Übersicht scheint schnell verloren zu sein. Daher ist zunächst am Beispiel der NRW-Soforthilfe 2020 in den Blick zu nehmen, was die Corona-Soforthilfe überhaupt ist und worin sie sich insbesondere zu ihren Nachfolgemodellen unterscheidet.

Am einfachsten lassen sich die verschiedenen Hilfspakete in zeitlicher Hinsicht ordnen. Den Startschuss gab die Bundesregierung mit der Corona-Soforthilfe, die von April bis Juni 2020 gewährt wurde. Ab Juni wurde die deutsche Wirtschaft anschließend von den verschiedenen Überbrückungshilfen gestützt, die sich in aufsteigender Nummerierung untereinander ablösten.

Die anfängliche Corona-Soforthilfe konnte von Soloselbständigen, Angehörige der Freien Berufe und Kleinstunternehmen in Anspruch genommen werden, die sich nicht bereits bei Pandemiebeginn in finanziellen Schwierigkeiten befanden.

Sie diente zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen für laufende Betriebskosten wie z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume oder Leasingraten, die durch die rasante Verbreitung des Corona-Virus entstanden. Je nach der Anzahl der Beschäftigten konnten in NRW bis zu 25.000 EUR pauschal für einen Zeitraum von drei Monaten gewährt werden.

Die Besonderheit hierbei war, dass auf eine umfangreiche Nachweisprüfung bei der Antragstellung verzichtet wurde. Es genügte eine glaubhafte und strafbewehrte Versicherung der Antragsteller - schnell und unbürokratisch sollte die Hilfe erfolgen.

Die anfänglichen Corona-Soforthilfen sollten daher gerade nicht dazu dienten, unmittelbar Schäden oder Umsatzverluste zu kompensieren, sondern sollten lediglich Liquiditätsengpässe überbrücken.

Dies ist bei den Überbrückungshilfen anders. Der Kreis der Antragsberechtigten wurde erheblich ausgeweitet, das Antragsverfahren bürokratischer, die Fördersummen sind nicht pauschaliert und die Förderungsvoraussetzungen haben eine abgeänderte Stoßrichtung. Voraussetzung und Höhe der Überbrückungshilfe werden nun grundsätzlich durch den Umsatzeinbruch des Antragstellers bestimmt.
 
 

B. Das Rückforderungsverfahren

Eine Rückforderung der Corona-Soforthilfe kann in Betracht kommen, wenn sie 2020 gewährt wurde, oder dass ein tatsächlicher Liquiditätsengpass vorlag. Gleiches gilt auch, wenn die Hilfe zweckwidrig verwendet wurde. Doch wie läuft ein solches behördliches Rückforderungsverfahren ab und was müssen Betroffene beachten?
In NRW hatten die Begünstigten der Soforthilfe beispielsweise bis zum 31.10.2021 Zeit, am sog. Rückmeldeverfahren teilzunehmen. In diesem Verfahren müssen sie den Behörden ihren tatsächlichen Liquiditätsengpass darlegen – etwas, das sie gerade bei der Antragstellung lediglich versichern und nun nachholen müssen.

Kommt die Behörde innerhalb des Rückmeldeverfahrens dann zu dem Schluss, dass die Soforthilfe größer war als der Liquiditätsengpass oder gar zweckentfremdet wurde, wird der Zuwendungsempfänger in einem nächsten Schritt zu einer Stellungnahme aufgefordert, der sogenannten Anhörung.

Als wegweisende Verwaltungsverfahrensstation sollte die Anhörung im Idealfall bereits von einem Rechtsanwalt begleitet werden, wenn entweder eine mögliche Rückforderung als unberechtigt angesehen wird oder die Behörde anklingen lässt, dass auch strafrechtliche Ermittlungen in Betracht kommen. Denn hier gewährt die Behörde dem Zuwendungsempfänger bereits die Möglichkeit, sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen für eine potentielle Rückforderung zu äußern. So können Missverständnisse aufgeklärt, andererseits aber auch das Ermessen der Behörde gelenkt werden.

Umgangssprachlich kann in der Anhörung daher alles was gesagt wird, für oder gegen den Begünstigten verwendet werden und darüber entscheiden, ob sich die Behörde zu einer Rückforderung entschließt oder nicht. Insbesondere können sämtliche Erklärungen innerhalb der Anhörung in der Regel auch für ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetruges verwendet werden.

Entschließt sich die Behörde nach der Anhörung zu einer Rückforderung, so ergeht an den Soforthilfe-Empfänger ein Rückforderungsbescheid. Dieser Verwaltungsakt kann nach seiner Zustellung je nach Bundesland zunächst mit einem Widerspruchsverfahren oder direkt mit einer Klage angegriffen werden.
 
 

C. Prüfung der Rückforderungsberechtigung

Ob ein solcher Rückforderungsbescheid der Behörde auch rechtlichen Bestand hat, hängt maßgeblich davon ab, ob er rechtmäßig ergangen ist. Es kommt darauf an, ob die Behörde die Rückforderung auf eine taugliche Rechtsgrundlage (unter 1.) stützt, deren formelle (unter 2.) und materielle Voraussetzungen (unter 3.) erfüllt sind. Auch muss ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden sein (unter 4.).
 
1. Rechtsgrundlage
Den Behörden werden in der Regel keine Fehler bei der Ermittlung der Rechtsgrundlage für die Rückforderung unterlaufen. Ein Rückzahlungsverlangen wird regelmäßig auf § 49a Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) gestützt werden. Danach sind die erbrachten Corona-Soforthilfen zurückzuerstatten, soweit die Leistungsgewährung im Rahmen der Soforthilfe nach § 48 Abs. 1 VwVfG zurückgenommen oder nach § 49 Abs. 3 VwVfG widerrufen worden ist.  § 48 Abs. 1 VwVfG findet Anwendung, wen die Gewährung der Corona-Soforthilfe von Anfang an nicht hätte erfolgen dürfen und damit rechtswidrig war. Der Widerruf der Begünstigung nach § 49 VwVfG kommt in Betracht, wenn der Antragsteller zwar einen Anspruch auf die Hilfe hatte, sie aber zweckwidrig verwendet hat.
 
2. Formelle Voraussetzungen
Der Rückforderungsbescheid muss auch von der zuständigen Behörde erlassen worden sein. Insbesondere muss der Soforthilfe-Empfänger angehört worden sein. Auch hier unterlaufen der Behörde typischerweise keine Fehler.
 
3. Materielle Voraussetzungen
In den meisten Rückforderungsverfahren wird es hingegen maßgeblich darauf ankommen, ob die Gründe für eine Rückforderung auch tatsächlich vorliegen. Das ist unter anderem der Fall, wenn a) die Leistungsbewilligung rechtswidrig war. Dann kann gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG der Bewilligungsbescheid zurückgenommen werden. Oder wenn b) die Förderung unzweckmäßig verwendet wurde. Dann kann die Behörde den Bewilligungsbescheid gem. § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG widerrufen und zur Rückzahlung gem. § 49a Abs. 1 VwVfG auffordern.

Von entscheidender Bedeutung ist daher zunächst, ob die Behörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgeht. Daher muss bereits im Rahmen der Anhörung Akteneinsicht genommen werden, um einen falschen Sachverhalt richtig zu stellen.
 
a) War der Antragsteller tatsächlich förderungsberechtigt?
Von entscheidender Bedeutung wird die Frage sein, ob die Voraussetzungen für eine Förderung vorlagen – also, ob der Soforthilfe-Empfänger bei Antragstellung einen erheblichen Liquiditätsengpass hatte. War diese Voraussetzung bei Antragstellung nicht erfüllt, ist die Bewilligung insoweit rechtswidrig, so dass die Behörde die Förderung zurücknehmen kann. Wann ein Liquiditätsengpass vorliegt, lässt sich am Beispiel der NRW-Soforthilfe (Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, -V B 5- 2020-, vom 31. Mai 2020, S. 3) demonstrieren:

Danach liegt ein Liquiditätsengpass vor, wenn
  • a) mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März 2020 durch die Pandemie weggefallen sind,

  • b) die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind,

  • c) die Umsatzmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder

  • d) die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Antragstellers zu erfüllen.


Der Liquiditätsengpass ergibt sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben (ohne Personalaufwand) unter Berücksichtigung eingesparter Kosten im Erfassungszeitraum.

Hier zeigt erneut der Unterscheid zu den Überbrückungshilfen. Dort ist ein Liquiditätsengpass keine Voraussetzung für einen Fixkostenzuschuss. Es kommt z.B. bei der Überbrückungshilfe IV grundsätzlich nur darauf an, ob ein Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent in den Fördermonaten vorliegt. Maßgeblich für den Vergleich ist der jeweilige Referenzmonat aus 2019.

Der Vorteil der Überbrückungshilfe ist insofern, dass Unternehmen geholfen werden kann, die Rücklagen angehäuft hatten und damit unter der Corona-Soforthilfe keinen Liquiditätsengpass hatten, aber zur Existenzsicherung dennoch auf Förderung angewiesen sind.

Kommt die Behörde nach ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass kein oder ein geringerer Liquiditätsengpass vorlag, kann sie sich dazu entschließen die Bewilligung (insoweit) zurückzunehmen und zur Zahlung aufzufordern.
 
b) Hat der Antragsteller die Soforthilfe zweckgemäß verwendet?
Weiterer Streitpunkt in den Rückforderungsprozessen wird sein, ob der Begünstigte die Soforthilfe zweckgemäß verwendet hat. Die Mittel aus der Corona-Soforthilfe waren zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für die fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben vorgesehen. Kann der Begünstigte nicht nachweisen, dass er die Mittel auch zu diesem Zweck eingesetzt hat, ist mit einem Widerruf des Bewilligungsbescheides gem. § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG und einer anschließenden Rückzahlungsaufforderung zu rechnen.

Hier gibt es in der Praxis häufig das Problem, dass sich die Antragsteller einen "Unternehmerlohn" ausgezahlt haben. Denn gerade am Anfang, in den Wirren der ersten Pandemiewochen, war insbesondere die Kommunikation von politischen Akteuren verwirrend. Teilweise wurde sogar ausdrücklich öffentlich geäußert, dass auch ein angemessener Unternehmerlohn von der Soforthilfe gedeckt war. Das war aus Mitteln des Bundes nicht der Fall.
 
4. Rechtsfolge: Ermessen
Liegen aus Behördensicht die Voraussetzung für eine Rückforderung vor, liegt es in ihrem Ermessen, ob sie auch tatsächlich zur Kasse bittet.

In der Praxis wird die Soforthilfe in der Regel hingegen bereits verbraucht sein. Doch ganz zum Leid der Begünstigten kann die Behörde selbst dann grundsätzlich zur Rückzahlung auffordern.

Unter bestimmten Umständen kann sich jedoch auf sogenannten Vertrauensschutz berufen werden. In solchen Fällen muss der Begünstigte, der den Zuschuss verbraucht hat, dann nichts zurückzahlen.

Es sollte jedoch nicht verführt aufgeatmet werden. Der Vertrauensschutz besteht nur in engen Ausnahmefällen und greift beispielsweise nicht, wenn der Begünstigte Angaben zu seinem Liquiditätsengpass einfach "ins Blaue hinein" getätigt hat oder unbeabsichtigt Angaben tätigt, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren. Hier kommt es sehr auf den Einzelfall an. Generell gilt jedoch: Wer wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit verkannte, dass seine Angaben bei der Antragstellung falsch waren, kann sich in der Regel nicht einen Vertrauensschutz berufen.
 
 

D. Rechtsbehelfe

Auch wenn sich die Behörde tatsächlich für eine Rückforderung entscheidet, ist der Begünstigte der Aufforderung nicht schutzlos ausgeliefert. Nach Zustellung des Rückforderungsbescheides hat er in den meisten Bundesländern einen Monat Zeit, Widerspruch gegen den Bescheid zu erheben.

Hält die Behörde trotz Widerspruchs an ihrer Auffassung fest, kann der Begünstigte dann innerhalb eines Monats Klage vor den Verwaltungsgerichten erheben.

In einigen Bundesländern wurde das Widerspruchsverfahren abgeschafft. Hier kann der Betroffen gegen den Rückforderungsbescheid Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung, das heißt eine Rückzahlung ist erst dann notwendig, wenn in der Sache abschließend entschieden wurde (also etwa bei einer Klage das Gericht rechtskräftig entschieden hat).

 

Über den Autor

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.
 
 

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