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Praxis-Tipp: Wie mit Rechtsunsicherheiten bei den Schlussabrechnungen umgehen?

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Häufig ergeben sich bei den Corona-Überbrückungshilfen für die Steuerberaterinnen und Steuerberater Rechtsunsicherheiten, die sich auch nach stundenlangem Studium der komplexen FAQ nicht klären lassen. Liegen verbundene Unternehmen vor? Können diese bestimmten Fixkosten angesetzt werden? Liegt eine verbotene Bonuszahlung vor? Und wie wird der Umsatz bestimmt?
 
Wir helfen häufig, solche Rechtsfragen zu lösen. Aber natürlich gilt wie immer im Recht: Wo Juristen aufeinandertreffen, gibt es unterschiedliche Rechtsmeinungen. Die den Antrag und die Schlussabrechnung bearbeitende Behörde können andere Ansichten vertreten als Rechtsanwälte und Steuerberater. Wie stellen Unternehmen und prüfende Dritte sicher, dass sie hier nicht etwas Falsches erklären, was zwar im Einklang mit der Meinung des eigenen Anwalts steht, aber vielleicht nicht von der behördlichen Seite geteilt wird?

 

Wichtig: Steuerberater müssen Rechtsfragen nicht abschließend lösen

Wichtig ist hier zunächst: Steuerberaterinnen und Steuerberater müssen die Rechtslage nicht selbst abschließend klären. Das ergibt sich schon aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts. Der in § 24 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelte Grundsatz der Amtsermittlung ist der Grundgedanke des deutschen Verwaltungshandelns. Die Behörde muss den gesamten Sachverhalt von Amts wegen ermitteln und darüber entscheiden. Dies unterscheidet das Verwaltungsverfahren vom Zivilprozess in Deutschland. Im Zivilprozess müssen die Parteien dem Gericht den Sachverhalt beibringen. Sind die Angaben der Parteien unvollständig oder unrichtig, muss das Gericht auf der Grundlage dieses Vorbringens entscheiden. Dagegen dient das Verwaltungsverfahren der materiellen Wahrheitsfindung durch die Behörden. Dabei ist es zulässig, dem Beteiligten im Verwaltungsverfahren bestimmte Mitwirkungspflichten aufzuerlegen, damit die Behörde Kenntnis vom vollständigen Sachverhalt erlangt, der der Entscheidung zugrunde gelegt werden soll.

Gegenstand dieses Amtsermittlungsgrundsatzes ist dabei auch der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm. Die Behörde muss von Amts wegen prüfen, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung gegeben sind. Es ist rechtlich unerheblich, ob der Antragsteller das Vorliegen der Antragsvoraussetzungen bejaht. Die Entscheidung, ob bestimmte Voraussetzungen nach der Rechtsgrundlage getroffen sind, obliegt allein der Behörde. Hat die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und sich einen Überblick über die gesetzlichen Voraussetzungen verschafft, erlässt sie einen Verwaltungsakt, § 35 VwVfG.

Der Verwaltungsakt stellt die abschließende Entscheidung der Behörde dar. Für einen Einzelfall regelt er verbindlich den Sachverhalt. Die Behörde entscheidet mit dem Verwaltungsakt konkret, ob ein bestimmter Sachverhalt unter bestimmte gesetzliche Voraussetzungen fällt und damit eine Rechtsfolge auslöst. Der Verwaltungsakt dient nach deutschem Recht gerade dazu, Rechtsunsicherheiten aus dem Weg zu räumen und verbindlich über einen Sachverhalt zu entscheiden. Daher dürfen und sollen Bürger sich mit Anliegen an Behörden gerade dann wenden, wenn die Rechtslage aus ihrer Sicht unklar ist. Es ist nach § 24 Abs. 1 VwVfG Aufgabe der deutschen Behörde, die Sach- und Rechtslage zu ermitteln und über sie rechtsverbindlich mit einem Verwaltungsakt zu entscheiden. Das bedeutet damit: Die Steuerberaterinnen und Steuerberater als prüfende Dritte müssen die Rechtslage nicht abschließend ermitteln. Rechtsunsicherheiten können bleiben – sie sind (dazu sogleich) nur offenzulegen.

 

Wie sollten Rechtsunsicherheiten offengelegt werden?

In der Praxis werden wir dann häufig gefragt, wie diese Rechtsunsicherheiten offengelegt werden können, so dass antragstellendes Unternehmen und Steuerberaterin bzw. Steuerberater rechtssicher handeln. Das Problem sei dabei, dass die elektronischen Formulare für Antragstellung oder Schlussabrechnung gar keine weitergehenden Erklärungen in Textform zulassen.

Unabhängig von der elektronischen Erklärung, die im Antragsformular oder im Formular der Schlussabrechnung vorgegeben ist, kann der prüfende Dritte weitergehende Angaben treffen und Unterlagen einreichen, die seine Erklärung unterstützen oder verdeutlichen. Konkret ist es möglich – und ständige Praxis des Autors bei der Unterstützung von Unternehmen und deren prüfenden Dritten -, komplexe Anträge auf Überbrückungshilfe mit weitergehenden Informationen (im Sinne sog. "Side letters") weiter zu verdeutlichen und auszuführen. Denn der von der handelnden Behörde zu prüfende Sachverhalt besteht nicht nur aus dem abgegeben elektronischen Formular, sondern aus allen eingereichten Unterlagen und Erklärungen. Sie bilden eine Gesamtheit, die für die Entscheidung des Zuwendungsgebers erheblich ist. Dies ergibt sich aus § 24 Abs. 3 VwVfG, der bestimmt:

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Die Regelung bezweckt, dass die Behörde Erklärungen oder Anträge nicht ohne sachliche Prüfung zurückweist. Die Vorschrift statuiert nicht nur eine Obliegenheit, sondern eine echte verfahrensrechtliche Nebenpflicht der Behörde bzw. einen korrespondierenden Anspruch der Absender. Dabei ist es rechtlich zulässig, dass die Behörde das Ausfüllen von Formularen fordert oder wie bei der Überbrückungshilfe eine elektronische Antragstellung. Diese kann rechtlich zulässig zur Voraussetzung einer Antragstellung erhoben werden.

Allerdings darf die Behörde sich nach § 24 Abs. 3 VwVfG nicht nur auf das Formular beschränken. Sie muss auch die weitergehenden Angaben bei ihrer Entscheidungsfindung nach den dargestellten Grundsätzen der Amtsermittlungspflicht berücksichtigen. Daraus folgt für die Praxis: Reichen Sie ergänzende Erklärungen ein.

Besonders bewährt hat sich hierbei, ein anwaltliches Gutachten einzureichen, das die Rechtsargumente für den Antragsteller darstellt, aber auch auf Rechtsunsicherheiten hinweist. Mit diesem Vorgehen haben wir in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gehabt und wissen, welche Anforderungen die entscheidenden Stellen an solche Gutachten stellen. Gerade in kniffligen Situationen unterstützen wir daher gerne.
 
 

Über den Autor

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.

 

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