Kammergericht Berlin: Bitcoin keine Rechnungseinheiten nach KWG und kein E-Geld nach ZAG | Fieldfisher
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Kammergericht Berlin: Bitcoin keine Rechnungseinheiten nach KWG und kein E-Geld nach ZAG

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Das Kammergericht Berlin (4. Strafsenat) hat am 25. September die Feststellung getroffen, Bitcoins seien keine Rechnungseinheiten iSd Kreditwesengesetzes ("KWG") und auch kein E-Geld iSd...

Das Kammergericht Berlin (4. Strafsenat) hat am 25. September 2018 die Feststellung getroffen, Bitcoins seien keine Rechnungseinheiten iSd Kreditwesengesetzes ("KWG") und auch kein E-Geld iSd Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes ("ZAG"). Es verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des LG Berlin vom 15. November 2017, das bereits einen Freispruch für den Angeklagten vorsah (Az. (4) 161 Ss 28/18 (35/18), 4 35/18)).

 

Hintergrund

Der Angeklagte betrieb eine Internethandelsplattform, über die Bitcoins gehandelt werden konnten. Hierzu vermittelte der Angeklagte Käufer und Verkäufer. Die Käufer mussten sich registrieren und einen entsprechenden Geldbetrag auf einen eigens hierfür eingerichteten Account einzahlen, um so Bitcoins erwerben zu können. Die Verkäufer konnten wiederum ihre erworbenen Bitcoins via Account auf der Internetseite einstellen und öffentlich anbieten. Die Zahlungen der Kunden erfolgten dabei – überwiegend per Giropay – auf ein polnisches einer "konventionellen" Geschäftsbank. Infolge des starken Medieninteresses rund um Kryptowährungen erhöhte sich der Kontostand der Plattform des Angeklagten binnen weniger Tage von 209.832,16 Euro (Stand 27. März 2013) auf rund 2,45 Mio. Euro (Stand 15. April 2013). Polnische Behörden sperrten am 9. April 2013 das polnische Konto wegen des Verdachts der Geldwäsche, die Geschäftsbank kündigte die Kontoverbindung des Angeklagten. Der Angeklagte nahm daraufhin anwaltliche Beratung in Anspruch, die Handelsplattform ging im April 2013 vom Netz.

 

Entscheidung des Kammergerichts

Das KG Berlin hat eine Strafbarkeit des Handelns des Angeklagten verneint, da der Handel mit Bitcoins in der festgestellten Form nicht erlaubnispflichtig sei – Bitcoins seien keine Finanzinstrumente im Sinne des Kreditwesengesetzes.

Das Gericht stellte insbesondere fest, es fehle Bitcoins an einer allgemeinen Anerkennung und der entsprechenden vorhersehbaren Wertbeständigkeit, die es ermöglichen würde, ihn zur allgemeinen Vergleichbarkeit verschiedener Waren oder Dienstleistungen heranzuziehen. Damit wäre aber eine wesentliche begriffliche Voraussetzung von Rechnungseinheiten, wie sie in der vom Gesetzgeber vorgenommenen Gleichstellung mit Devisen und der in diesem Kontext beispielhaft herangezogenen ECU zum Ausdruck komme, nicht gegeben.

Die BaFin vertritt bekanntlich in ihrem Merkblatt zu Finanzinstrumenten eine gegenteilige Ansicht. Hier trifft das Kammergericht Feststellungen, die man – zurückhaltend formuliert – als Ohrfeige für die Aufsicht verstehen muss: "[Die BaFin] verkennt, dass es nicht Aufgabe der Bundesbehörden ist, rechtsgestaltend (insbesondere) in Strafgesetze einzugreifen. In seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot enthält Art. 103 Abs. 2 GG die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, gelten danach für den grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass der Normadressat im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht.  Zwar wird der BaFin in § 6 KWG eine allgemeine Missstandsaufsicht und allgemeine Anordnungskompetenz zum Erlass von gegen Institute gerichteten Verwaltungsakten zugesprochen. Ziel dieser Vorschrift ist jedoch allein die vorbeugende Gefahrenabwehr für das Kredit- und Finanzdienstleistungswesen, nicht jedoch die Ausdehnung des Anwendungsbereiches von strafrechtlichen Normen durch die Erweiterung der Voraussetzungen für das Vorliegen erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen. Das genannte Merkblatt hat daher keinen rechtsgestaltenden Charakter und kann einen solchen auch nicht haben. Mit der Behauptung, Bitcoins fielen unter den Begriff der Rechnungseinheiten im Sinne von § 1 Abs. 11 KWG, überspannt die Bundesanstalt den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich." Und weiter: "Der Gesetzgeber hat selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen und darf diese Entscheidung nicht den Organen der vollziehenden Gewalt überlassen."

Weiter stellte das Gericht fest, dass es sich bei Bitcoin auch nicht um E-Geld handeln soll. Dies insbesondere deshalb, weil zum Zeitpunkt der Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie Bitcoins bereits im Umlauf und auch andere Kryptowährungen im Entstehen waren. Gleichwohl habe der Gesetzgeber davon abgesehen, diese im KWG oder ZAG ausdrücklich zu regeln und der Aufsicht der BaFin zu unterstellen.

 

Ausblick

Das Urteil ist ein Meilenstein bei der Ausbildung eines Rechtsrahmens für Kryptowährungen. Die Einordnung von Rechnungseinheiten als Finanzinstrumente nach KWG war bisher ein deutscher Sonderweg und die Community wird aufatmen, dass das KG diesem Ansatz einen Riegel vorgeschoben hat. Nichts ist indessen zu der Frage gesagt, wann Kryptowährungen im Einzelfall als Wertpapiere und damit als Finanzinstrumente im Sinnes des Wertpapierhandelsgesetzes ("WpHG") einzuordnen sind. In solchen Fällen wären Anbieter natürlich möglicherweise im Bereich der Anlageberatung- bzw. -vermittlung oder Finanzportfoliovwerwaltung unterwegs und müssten insbesondere die Wohlverhaltensregeln des WpHG und der MaComp beachten. Auch die Regeln für Insiderhandel und Marktmanipulation dürften bei einem Listing an einer "Krypto-Börse", die ggf. als MTF einzuordnen wäre, einzuhalten sein.

Nicht ausgeschlossen erscheint auch, dass der deutsche Gesetzgeber sich zu einem Tätigwerden aufgerufen sieht und für Bitcoin und andere Virtual Currencies nun ausdrückliche Vorgaben in das KWG und das ZAG aufnimmt – insoweit ist die Industrie zu einem engen Dialog mit der Legislative aufgefordert.

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