Harter Wind aus Brüssel: EU verschärft Regelungen für ausländische Beihilfen | Fieldfisher
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Harter Wind aus Brüssel: EU verschärft Regelungen für ausländische Beihilfen

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A. Einleitung

EU-ausländische Investoren und die geförderten Unternehmen werden es in Zukunft schwerer auf dem europäischen Binnenmarkt haben. Am 30. Juni 2022 gab die Europäische Kommission bekannt, dass eine Einigung über die ursprünglich im Mai 2021 vorgeschlagene Verordnung über ausländische Beihilfen ("FS-Verordnung - Foreign Subsidies Regulation") erzielt wurde.
 

Das Ziel: Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen durch Beihilfen ausländischer (Staats-) Unternehmen auf dem europäischen Binnenmarkt.
 

Den europäischen Entscheidungsträgern missfiel die Regelungslücke, die darin bestand, dass von Nicht-EU-Regierungen gewährte Beihilfen größtenteils unkontrolliert blieben, während die von den Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen einer strengen Prüfung (u.a. durch die Art. 107 ff. AEUV) unterzogen werden – schließlich solle doch im Grundsatz Gleichheit für Alle herrschen.

Die FS-Verordnung sieht zur Zielerreichung eine breite Palette an rechtlichen Instrumenten vor, die ab Mitte 2023 zum Einsatz kommen sollen. Im Fokus der FS-Verordnung stehen dabei Unternehmen, die Fusionen und Übernahmen tätigen, an großvolumigen öffentlichen Ausschreibungen der EU teilnehmen oder sonstige Beihilfen aus Drittländern erhalten.
 

 

B. Zukünftige Rechtsbefugnisse der EU-Kommission

Nach der am 30. Juni 2022 erzielten Einigung wird die Kommission befugt sein, Finanzbeiträge von Regierungen aus Drittländern an die in der EU tätigen Unternehmen zu untersuchen. Stellt die Kommission fest, dass die Finanzbeiträge wettbewerbsverzerrende Auswirkungen haben, so können Maßnahmen ergriffen werden, die wettbewerbsverzerrende Auswirkung zu beseitigen.

Der EU-Kommission stehen dabei drei Instrumente zur Verfügung:
  • ein meldebasiertes Untersuchungsinstrument für bestimmte Transaktionen, die auf die Erleichterung von Unternehmenszusammenschlüssen abzielen;
  • ein meldebasiertes Untersuchungsinstrument für bestimmte Angebote bei großen öffentlichen Vergabeverfahren; und

  • ein allgemeines Untersuchungsinstrument, mit dem die Kommission von sich aus alle Märkte untersuchen kann, die möglicherweise einer drittstaatsbedingten Wettbewerbsverzerrung unterliegen.

Die Schaffung von Anmeldepflichten stellt dabei eine 180-Grad-Wendung der Zuständigkeiten im Vergleich zum mitgliedstaatlichen Beihilferegime dar. Dort müssen die Mitgliedstaaten (und nicht die Unternehmen) bestimmte Beihilfen bei der Kommission anmelden. Nach der FS-Verordnung sind nun die Unternehmen selbst für die Anmeldung und die Beantwortung von Auskunftsersuchen verantwortlich.

Ein wenig Last wird den Unternehmen aber durch bestimmte Schwellenwerte von den Schultern genommen:
  1. Die Anmeldepflicht bei Unternehmenszusammenschlüssen entsteht erst ab einem Finanzbeitrag von mind. 50 Mio EUR, sofern eines der fusionierenden Unternehmen einen EU-Umsatz von mind. 500 Mio EUR hat.
  2. Die Anmeldepflicht im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren entsteht erst dann, wenn der geschätzte Auftragswert mind. 250 Mio. EUR und das Angebot einen ausländischen Finanzbeitrag von mind. 4 Mio. EUR pro Drittland beträgt.


 
 

C. Was haben Unternehmen nun zu beachten?

Wenn eine unternehmensinterne Prüfung zu dem Bestehen einer Anmeldepflicht kommt, ist die Transaktion/Angebot bei der EU-Kommission anzumelden. Dann kann es je nach Fall zu einer über 100-tägigen Prüfphase (!) kommen, während dessen die angemeldete Transaktion ausgesetzt wird.
 
 
Verstöße gegen diese Pflichten sind mit Geldbußen von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen bedroht.
 
 
Wird eine wettbewerbsverzerrende ausländische Beihilfe festgestellt, nimmt die Kommission eine Abwägung zwischen den positiven und negativen Auswirkungen der Beihilfe vor. Überwiegen letztere, so können strukturelle oder verhaltensbezogene Abhilfemaßnahmen auferlegt werden (als ultima ratio sogar das Verbot der Transaktion oder Beteiligung am Vergabeverfahren).

Während es sich bei diesen Verfahren zwar auf den ersten Blick um bekannte Instrumente aus dem Arsenal der Kommission handelt, die wir bereits in verschiedenen Zusammenhängen gesehen haben, ist derzeit unklar, was die genauen Einzelheiten der Anmeldungen sind und was die Informationsanfragen beinhalten werden.

Da sich die Unternehmen auf die Einhaltung der neuen Bestimmungen vorbereiten, gehen wir davon aus, dass die Europäische Kommission bis zum Inkrafttreten des FSR, Meldeformulare und entsprechende Leitlinien herausgeben wird.

Nichtsdestotrotz wäre es ratsam, unverzüglich mit der Sammlung von Informationen über etwaige ausländische Beihilfen zu beginnen und dieses zusätzliche Risiko und die potenzielle Meldung bei der Planung künftiger Fusionen, Übernahmen oder Vergabeverfahren, deren Abschluss bis Mitte 2023 oder später erwartet wird, zu berücksichtigen.

Dabei stehen wir Ihnen bei Fieldfisher gerne zur Seite.


 

Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.

Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.