FAQ: Deutschland setzt auf Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) – was müssen Unternehmen wissen? | Fieldfisher
Skip to main content
Publication

FAQ: Deutschland setzt auf Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) – was müssen Unternehmen wissen?

Locations

Germany

Am Dienstag, den 11.1.2022, hat der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt, das Tempo beim Klimaschutz deutlich zu erhöhen. Deutschland verfehle laut dem Minister seine mit dem Klimaschutzgesetz selbst gesteckten Ziele der Reduktion von CO2-Emissionen um 65% (im Vergleich zu 1990) bis 2030. Mit zwei Maßnahmepaketen soll noch in diesem Jahr das Ruder gewendet werden. Ein Mittel sollen dabei die sogenannten Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) sein. Habeck will die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen schaffen, damit sie in großem Umfang eingesetzt werden können. Auch wenn Einzelheiten noch der Ausgestaltung bedürfen, sollen nachfolgend die wichtigsten Fragen zu diesem Instrument beantwortet werden.

 

Was sind Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) grundsätzlich?

Es handelt sich um Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Industrieunternehmen, mit denen – sehr vereinfacht ausgedrückt – Investitionen der Industrie in die CO2-Redukation vom Staat langfristig gefördert werden.
Klimaschutzverträge bieten aus Sicht der Bundesregierung die Möglichkeit, die Markteinführung klimafreundlicher Prozesse in der Industrie über eine Abfederung der von Kostendifferenzen und Risiken (im Vergleich zu bewährten klimaschädlichen Technologien) zeitlich deutlich vorzuziehen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass technische Anlagen und Infrastrukturen häufig eine lange Lebensdauer haben und sich erst nach Jahren rentieren. Wenn daher jetzt noch in "klimaschädliche" Infrastruktur investiert wird, weil diese derzeit kostengünstiger ist, kann der Effekt entstehen, dass diese noch über Jahrzehnte betrieben wird. Besser wäre es daher, wenn Unternehmen jetzt schon in klimafreundliche, CO2-arme Technologien oder Prozesse investieren – auch wenn diese Investitionen im Vergleich zu ihren klimaschädlicheren Alternativen deutlich teurer sind. Vereinfacht ausgedrückt sollen Klimaschutzverträge dazu dienen, diese Differenzkosten für Unternehmen (teilweise) auszugleichen durch eine Förderung des Staates, damit die Unternehmen gleich in die klimafreundlichere Technologie investieren. Zudem ist die Bundesregierung der Ansicht, dass auf diese Weise auch die Entwicklung moderner Technologien gefördert wird.
In der Regel wird es sich dabei um öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne der §§ 54 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes handeln. Öffentlich-rechtliche Verträge ersetzen einen Verwaltungsakt. Mit ihnen treten der Staat und der Bürger bzw. Unternehmen in ein Vertragsverhältnis mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ein. Da die Reduktion von CO2-Emissionen auch nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts eine Staatsaufgabe zum Schutz der Lebensgrundlagen (für künftige Generationen) ist und auch die Europäische Union dieses Ziel verfolgt ("Green Deal"), handelt es sich um einen Vertrag im öffentlichen Interesse. Das grenzt das Vertragsverhältnis grundsätzlich von zivilrechtlichen Verträgen ab.
Zwar ist eine Ausgestaltung als zivilrechtlicher Vertrag ebenfalls denkbar, aber auch wegen steuerlicher Implikationen (Zahlung von Umsatzsteuer?) voraussichtlich nicht sinnvoll. Die Praxis des Bundes ist hier abzuwarten.

 

Wieso wird nicht mit klassischen Elementen des Fördermittelrechts gearbeitet?

Klassisch sind im Fördermittelrecht vor allem Zuwendungsbescheide, mit denen der Staat einseitig für bestimmte Projekte eine Förderung gewährt, häufig in Form eines verlorenen Zuschusses.  Das ist die klassische Projektförderung anhand von Richtlinien.
Es gibt aber auch in der Praxis schon Zuwendungsverträge. Vor allem die EU setzt dieses Mittel ein bei der Gewährung von Fördermitteln. Die Klimaschutzverträge sind durch zwei Elemente gekennzeichnet:

  • Sie sind mit klaren Vertragskonditionen durch das Mittel der Leistung und Gegenleistung ("Ich gebe Dir etwas, damit Du etwas tust") gekennzeichnet. Das entspricht dem Ziel der Klimaschutzverträge; ein vertraglicher Charakter kommt diesem Ziel näher als ein einseitiger staatlicher Bescheid. Zudem setzt ein Vertrag auf Freiwilligkeit und Motivation der Unternehmen zum Handeln.

  • Sie sind weitaus längerfristig angelegt, oft über Jahrzehnte, als die klassische Handlungsform des Zuwendungsbescheides.


Die Arbeit mit einem Vertrag ist daher sinnvoll.

 

Was wird ein solcher Vertrag im Detail regeln?

Hier ist eine Orientierung anhand eines Eckpunktepapiers für die Förderrichtlinie Klimaschutzverträge zur Umsetzung des Pilotprogramms "Carbon Contracts for Difference" des Bundesumweltministeriums aus dem April 2021 möglich.
Im Kern basieren Klimaschutzverträge auf einer gegenseitigen Zahlungsverpflichtung der Vertragspartner, die aus der Differenz eines vertraglich festgelegten Preises (Strike-Price) für Treibhausgasemissionen und dessen Marktpreis resultiert. Die Bundesregierung garantiert letztlich die Differenzkosten zwischen tatsächlichen projektbezogenen Minderungskosten für Emissionen und den EU ETS-Preisen nach bestimmten Parametern. Die maßgeblichen Größen, nach denen sich eine Zahlung der Bundesregierung bemessen wird, könnten in Zukunft dann sein:

  • Die durch das geförderte Projekt verminderten Emissionen im Vergleich zu einer (klimaschädlicheren) Referenztechnologie.

  • Die Mehrkosten, die sich aus der Differenz zwischen der teureren klimafreundlichen Technologie zu der klimaschädlicheren Referenztechnologie ergeben.

  • Hinsichtlich der Kosten für Emissionszertifikate wird die Differenz der realen Kosten des umzusetzenden Verfahrens und des Referenzverfahrens bei der Auszahlung berücksichtigt, das heißt diejenigen Kosten, die unter Berücksichtigung der kostenfreien Zuteilung bei den Unternehmen real anfallen.

 
Es klingt kompliziert, basiert aber am Ende auf empirisch nachvollziehbaren Berechnungen. Auf diese Weise lassen sich die projektspezifischen CO2-Minderungskosten als zentraler Parameter der Förderung durch die Klimaschutzverträge ermitteln. Die Mehrkosten der klimafreundlichen Investition werden also vom Staat gefördert.

 

Was sind die Mindestinhalte eines solchen Vertrages?

Wie die Verträge am Ende aussehen, ist noch offen. Mindestinhalte sind jedoch:
  • Vertragsdauer und Vertragswirkung: Die Bundesregierung will nicht "auf ewig" fördern, daher müssen die Vertragsdauer und die Frage seiner Wirksamkeit (hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung) definiert werden. Klimaschutzverträge sollen über einen Zeitraum geschlossen werden, der den Unternehmen hinreichende Planungssicherheit gibt. Daher werden Vertragslaufzeiten von 10 Jahren und mehr in der Praxis angestrebt.

  • Vertragspreis bzw. spezifische Förderung, Fördergegenstand: Eine zentrale Ausgestaltungsfrage ist, ob mit den Klimaschutzverträgen nur Betriebskostendifferenzen oder zusätzlich auch Investitionskostendifferenzen adressiert werden sollen. Die jüngsten Aussagen des Wirtschaftsministers Habeck sprechen dafür, dass auch Investitionskostendifferenzen ausgeglichen werden sollen. Letztlich aber wird die Bundesregierung noch entscheiden müssen, was der spezifische Fördergegenstand ist.

  • Weitere Förderkriterien: In der Regel werden weitere Förderkriterien definiert, so beispielsweise die Frage, ob nur klimafreundliche Energie (z.B. aus "grünem Wasserstoff", Solarenergie etc.) für den Betrieb der Anlage als Bedingung der Förderung verwendet werden darf. Hier hat die Bundesregierung einen breiten Spielraum.

  • Payment for Performance: Die tatsächlich in jedem Jahr anfallenden Fördersummen sind einerseits abhängig von dem für das jeweilige Jahr definierten Vertragspreis, andererseits von den tatsächlich entstehenden Emissionsminderungen. Die Details müssen in dem Vertrag geregelt werden.

 
 

Wer wird antragsberechtigt sein?

Das ist derzeit völlig offen. Antragsberechtigt werden voraussichtlich Industrieunternehmen mit Niederlassung in Deutschland sein, die über Produktionsanlagen im industriellen Maßstab verfügen oder planen sie zu errichten. Sie werden eine Förderung für den Bau neuer Anlagen oder die Umstellung von Prozessen in Anspruch nehmen können, bei denen – wie oben beschrieben – mit einer deutlichen CO2-Ersparnis zu rechnen ist. Was aber tatsächlich gefördert wird und für welche Projekte ein Klimaschutzvertrag in Betracht kommt, ist aber derzeit noch völlig offen.

 

Welche rechtlichen Probleme gibt es noch?

Eine Reihe von rechtlichen Fragen müssen gelöst werden, bevor Klimaschutzverträge ihre volle Wirksamkeit entfalten können. Dazu gehören u.a.:
  • Haushaltsrecht: Klimaschutzverträge führen zu einer Förderung von zehn Jahren und mehr. Solche langfristigen Förderungen sind derzeit im deutschen Haushaltsrecht noch nicht möglich, da sie Regierungen lange binden – auch nachdem längst Neuwahlen stattgefunden haben und Regierungswechsel kamen. Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck will offenbar insbesondere hier neue Regeln schaffen.

  • EU-Beihilferecht: Die Ausgestaltung der Verträge muss mir den EU-beihilferechtlichen Vorschriften übereinstimmen. Das EU-Beihilferecht wurde zuletzt zur Förderung von grünen Investitionen angepasst, doch bleibt noch rechtlich zu klären, ob damit den Klimaschutzverträgen tatsächlich ausreichender Spielraum eröffnet worden ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch die EU-Kommission insoweit noch einmal einen neuen Beihilferahmen ausarbeitet, da das Instrumentation dieser Verträge zur Erreichung der Ziele des Green Deal auch europaweit interessant sein kann.

  • Vergaberecht und Fördermittelrecht: Es muss ein sicherer Rechtsrahmen ausgearbeitet (oder jedenfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen ermittelt) werden, nach denen die Ausschreibung und Vergabe dieser Verträge in der Praxis erfolgen kann. Zudem ist entweder eine fördermittelrechtliche Regelung im Sinne einer Verordnung oder (wohl wahrscheinlicher) Richtlinie auszuarbeiten – oder aber die deutsche Regierungskoalition entschließt sich sogar dazu, mit einer neuen gesetzlichen Regelung zu arbeiten.

 

Wie erfolgt die Vergabe – wer entscheidet wann, ob ein Unternehmen einen Klimaschutzvertrag abschließen darf?

Das ist derzeit noch offen. Es wird aber ein formelles Verfahren geben müssen, schon um Vorgaben des Europäischen Rechts und des deutschen Verfassungsrechts zu genügen. In einem Pilotprojekt 2021 hat das Bundesumweltministerium als instrumentelle Ausgestaltung für ein Pilotprogramm "Klimaschutzverträge" den Weg eines mehrstufigen Vergabeverfahrens mit wettbewerbsrechtlichen Elementen im Sinne einer Ausschreibung vorgesehen. Hierbei wurden formale und inhaltliche Kriterien aufgestellt, wann eine Förderung erfolgt bzw. wer den Zuschlag erhält. Es wird also Wettbewerbe geben und nicht jedes Industrieunternehmen wird zum Zuge kommen. Generell wird voraussichtlich gelten: Je mehr CO2 eingespart wird in der Industrieproduktion, desto eher wird ein Zuschlag erfolgen.

 

Wann geht es los mit den Verträgen?

Offen. Habeck hat angekündigt, ein erstes Maßnahmenpaket im Frühjahr beschließen zu wollen mit Anwendung ab Sommer. Es könnte damit sein, dass ab der zweiten Hälfte des Jahres 2022 die ersten Klimaschutzverträge geschlossen werden.
 

Wie sollten Unternehmen jetzt planen?

Klar ist: Es gibt kein Zurück mehr von dem Plan der Dekarbonisierung der Industrie. Unabhängig von politischen Gegebenheiten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu rechtlich durch den Green Deal und das Klimagesetz der EU verpflichtet. Deutschland hat zudem ein Klimaschutzgesetz mit noch ambitionierten Zielen verabschiedet. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung zu Maßnahmen verpflichtet. Unternehmen, die jetzt noch auf neue Infrastruktur mit klimaschädlichen Technologien setzen, werden in Zukunft starken rechtlichen Schranken und wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt sein.
Wer dagegen jetzt Investitionen in klimafreundliche Infrastrukturen plant, sollte gegebenenfalls auch überlegen, abzuwarten. Denn es wäre bedauerlich, eine hohe Millionenförderung zu verlieren, nur weil die Maßnahme schon begonnen wurde. Dies gilt jedenfalls solange, bis nicht seitens des Bundeswirtschaftsministeriums klargestellt wird, dass auch ein vorzeitiger Maßnahmebeginn, also der Beginn der Umsetzung des Vorhabens, auch nachträglich zur Förderung führen kann.
 
Gerne beraten Sie Dennis Hillemann und Tanja Ehls zu dem Thema Klimaschutzverträge und anderen Fördermöglichkeiten. Wir bei Fieldfisher beantworten alle Fragen des Fördermittelrechts und unterstützen Sie auch bei der Identifikation von geeigneten Fördermitteln und bei der Antragstellung sowie der Umsetzung des Projekts.

 

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

Klicken Sie hier, um den Newsletter zu abonnieren oder Ihre E-Mail-Einstellungen zu verwalten.

ABONNIEREN