EU-Kommission veröffentlicht Vorschlag zur Reform der FDI-Screening-VO – Mitgliedstaaten sind nun zur Einführung eines einheitlichen Screening-Mechanismus verpflichtet | Fieldfisher
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EU-Kommission veröffentlicht Vorschlag zur Reform der FDI-Screening-VO – Mitgliedstaaten sind nun zur Einführung eines einheitlichen Screening-Mechanismus verpflichtet

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Am 24. Januar 2024 hat die Europäische Kommission (Kommission) einen Reformvorschlag für die Verordnung über die Überprüfung von Auslandsinvestitionen VO 2019/452 (FDI-Screening-VO) veröffentlicht (Reform-VO). Hintergrund ist der dritte Jahresbericht der Kommission, wonach die Bedeutung der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aufgrund geopolitischer Herausforderungen weiter zunehme und sichergestellt werden müsse, dass die (Sicherheits-)Interessen der Europäischen Union (EU) gewahrt werden. Der Schlüssel liegt dabei aus Sicht der Kommission v.a. in der flächendeckenden Einführung harmonisierter Screening-Mechanismen in allen Mitgliedstaaten.
 

Hintergrund

Die aktuelle FDI-Screening-VO ist seit dem 11. Oktober 2020 in Kraft und schaffte einen kooperativen Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen durch die jeweiligen Behörden der EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich deren Auswirkung auf die Sicherheit und öffentliche Ordnung.

Der dritte Jahresbericht der Kommission ergab, dass bereits 21 Staaten einen Screening-Mechanismus eingeführt haben und die sechs wichtigsten Ursprungsländer für Direktinvestitionen USA, UK, China, Japan, die Kaimaninseln und Kanada sind. Überdies haben von den mehr als 420 Fällen, die die Kommission im Jahr 2022 geprüft hat, weniger als 3 % zur Abgabe einer Stellungnahme der Kommission geführt. Obwohl die Zahl der Überprüfungen laut Kommission jedes Jahr deutlich zugenommen hat, haben die Erfahrungen einer öffentlichen Konsultation gezeigt, dass "eine Reihe von Aspekten verbessert werden könnten". So wies die Kommission beispielsweise auf eine unzureichende Zusammenarbeit zwischen den Screening-Behörden sowie auf erhebliche Unterschiede zwischen den Mechanismen zur Überprüfung innerhalb der EU hin, insbesondere in Bezug auf den Zeitplan, den Erfassungsbereich und die Meldeverfahren selbst.
 

Pflicht zur Einrichtung eines Screening-Mechanismus

Die bisherige FDI-Screening-VO sieht keine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Einführung oder Art der Umsetzung eines Screening-Mechanismus vor. Aktuell ist es gemäß Art. 1 Abs. 3 FDI-Screening-VO das Recht der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob diese eine ausländische Direktinvestition im Rahmen der Vorgaben der FDI-Screening-VO überprüfen oder nicht. Die nun veröffentlichte Reform-VO verändert die bisher geltende FDI-Screening-VO bzw. die "Prüflandschaft" betreffend ausländischer Direktinvestitionen innerhalb der EU erheblich. Diese sieht nun eine Pflicht der Mitgliedsstaaten vor, einen den Anforderungen der Reform-VO entsprechenden Screening-Mechanismus einzurichten (vgl. Art. 3 Abs. 1 Reform-VO). Hierfür haben die Mitgliedstaaten 15 Monate nach Inkrafttreten der Reform-VO Zeit (vgl. Art. 3 Abs. 3 Reform-VO). Durch die Verpflichtung soll eine Schutzlücke für die Sicherheit und öffentliche Ordnung im Binnenmarkt geschlossen werden, da 22,7% der ausländischen Erwerbsvorgänge und 20% der Greenfield-Investitionen in Mitgliedstaaten erfolgen, die keinen oder nur einen unzureichenden Prüfmechanismus aufweisen. Zudem habe sich der politische Kontext in den letzten Jahren geändert, sodass nun Risiken effektiver erkannt werden müssten.
 

Pflicht zur Einhaltung von Screening-Mindeststandards

Neben der Pflicht zur Einrichtung eines Screening-Mechanismus verlangt Art. 4 Reform-VO zudem Screening-Mindestanforderungen. Verfahrenstechnisch ist ein zweistufiges System vorgesehen. In einem ersten Schritt soll die Screening-Behörde prüfen, ob sie für die Prüfung der ausländischen Direktinvestition zuständig ist und – dies unterstellt – eine Vorprüfung durchführen (Phase I). Sofern notwendig, soll die Behörde in einem zweiten Schritt eine eingehende Prüfung der ausländischen Direktinvestition durchführen können (Phase II). Die Anmeldung und Überprüfung der ausländischen Direktinvestition soll dabei nun einheitlich vor dem Vollzug erfolgen. Ferner soll den beteiligten Parteien, vor der Ergreifung von Maßnahmen durch die Screening-Behörde, ein Anhörungsrecht zustehen und diese zudem Vorkehrungen treffen, um die Diskretion sensibler Informationen in dem gesamten Prozess zu gewährleisten. Schließlich muss es die Möglichkeit geben, gegen Entscheidungen den Rechtsweg zu beschreiten.
 

Pflicht zur Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen in bestimmten sensiblen Sektoren 

Der Reformvorschlag sieht in Art. 4 Abs. 4 Reform-VO ferner bestimmte sensible Sektoren vor, in denen ausländische Direktinvestitionen durch die nationalen Screening-Behörden geprüft werden müssen. Der Ansatz ist dabei recht detailliert und umfasst all solche Tätigkeiten eines Zielunternehmens, die im Rahmen von Projekten von Unionsinteresse erfolgen (Annex I der Reform-VO) oder aber in Annex II der Reform-VO aufgelistet sind (z.B. Halbleitertechnologien, KI Sprachverarbeitung, Cloud Computing, Quantencomputer, Biotechnologien, das "Internet der Dinge" oder "Virtual Reality" sowie Güter aus der Dual-Use-Verordnung bzw. der Liste zur Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern). Die Implementierung von bloßen Mindestforderungen an die Sektoren ermöglicht es den Mitgliedsstaaten, auch Investitionen in weiteren/anderen Sektoren zu überprüfen. Diese Vorgehensweise wurde mit Blick auf die jeweils unterschiedlich ausgeprägten Industriezweige der Mitgliedsstaaten und den daraus resultierenden unterschiedlichen Sicherheitsrisiken vorgenommen (siehe Erwägungsgrund 9 Reform-VO).
 

Ausweitung des Anwendungsbereichs auf bestimmte Investitionen innerhalb der EU

Zudem erweitert der Verordnungsvorschlag den Anwendungsbereich der FDI-Screening-VO um Investitionen, die von einem europäischen Unternehmen getätigt werden, das von einem Nicht-EU-Investor kontrolliert wird. Mit der Ausweitung soll nun sichergestellt werden, dass die Behandlung etwaiger Transaktionen ebenfalls einer Überprüfung unterliegt, da die Entscheidungsgewalt über die Investition bei dem Nicht-EU-Investor liege. Hintergrund der Ausweitung dürfte wohl das Urteil des EuGH in der Rechtsachen "Xella" sein, der die FDI-Screening-VO in einer solchen Konstellation für nicht anwendbar erklärte, da der streitgegenständliche Erwerb durch ein in der EU ansässiges Unternehmen erfolgte und keine mittelbaren Erwerbe aus Drittstaaten von der Verordnung umfasst seien (EuGH, Urteil v. 13.7.2023 − C-106/22 – Xella Ungarn).

Auch der Bereich Greenfield-Investitionen wird nun von der Reform-VO berücksichtigt. Zwar sollen die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein, diese zu überprüfen. Die Kommission empfiehlt jedoch, dass die Mitgliedstaaten diese zumindest dann in den Anwendungsbereich mit einbeziehen, wenn Greenfield-Investitionen in Sektoren erfolgen, die für die Sicherheit und öffentliche Ordnung des Mitgliedstaats von Bedeutung sind.
 

Harmonisierung des Prüfungsmaßstabs

Um die Schaffung eines vereinheitlichten Prüfungsmaßstabs zu gewährleisten, listet Art. 13 Reform-VO diverse Kriterien für die Bewertung einer potenziellen Gefährdung der Sicherheit und öffentliche Ordnung auf. Bei der Prüfung sind v.a. negative Effekte auf die (i) Sicherheit, Integrität und Funktionsweise kritischer Infrastrukturen, (ii) die tatsächliche Verfügbarkeit kritischer Technologien (zuzüglich relevanter Grundlagentechnologien), (iii) die Möglichkeit einer steten Versorgung mit kritischem Input für die Sicherheit oder öffentliche Ordnung, (iv) der Schutz sensibler Daten oder die (v) Meinungsfreiheit bzw. den Meinungspluralismus, zu berücksichtigen. Bei der Bewertung einer möglichen Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung sollen auch die Umstände bzw. der Kontext der ausländischen Direktinvestition berücksichtigt werden. Hierzu zählt beispielsweise, ob ein Investor direkt/indirekt von der Regierung eines Drittstaates kontrolliert wird oder an der Verfolgung politischer Ziele von Drittländern zur Förderung ihrer militärischen Fähigkeiten beteiligt ist.
 

Ausweitung der Meldepflichten, Recht zu Stellungnahmen und Eigeninitiativerfahren  

Die Reform-VO erweitert mit Art. 5 Reform-VO zudem die Meldepflichten der Mitgliedstaaten an andere Mitgliedstaaten und die Kommission. Phase I-Verfahren müssen nur unter gewissen Voraussetzungen gemeldet werden. Dies ist entweder dann der Fall, wenn das Zielunternehmen an einem Vorhaben oder Programm von Unionsinteresse beteiligt ist (Annex I Reform-VO) oder in einem Bereich tätig ist, in dem eine Genehmigungspflicht besteht (Annex II Reform-VO) und der Investor entweder von (i) einer Regierung eines Drittstaats kontrolliert wird, (ii) Sanktionen unterliegt oder (iii) an einer Auslandsinvestition beteiligt war, die zuvor von einem Mitgliedstaat geprüft und nicht oder nur unter Auflagen genehmigt wurde. Phase II-Verfahren müssen immer gemeldet werden.

Darüber hinaus ist es Mitgliedstaaten nach Art. 7 Reform-VO weiterhin möglich, einem anderen Mitgliedstaat, in dem eine ausländische Investition vorgenommen werden soll, Stellungnahmen zu übermitteln. Dafür muss der Mitgliedstaat der Auffassung sein, dass eine ausländische Direktinvestition die Sicherheit oder öffentliche Ordnung seines (eigenen) Landes beeinträchtigen könnte, oder er über Informationen verfügt, die für die Prüfung dieser Auslandsinvestition relevant sind. Ebenso übermittelt der Mitgliedstaat die Stellungnahme an die Kommission, die wiederum weiterhin das Recht zu Stellungnahmen innehat. Mit Art. 8 der Reform-VO werden die Fristen und Verfahrensabläufe hierzu nun noch detaillierter bestimmt und der Kommission weitere fünf Tage für die Mitteilung eingeräumt, dass diese sich eine Stellungnahme vorbehält, als nach der bisherigen FDI-Screening-VO. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass die Kommission wenige zusätzliche Tage benötige, um einen ausreichenden Überblick, insbesondere bei erforderlichen Rückfragen, zu gewinnen.

Art. 9 Reform-VO ermöglicht es einem Mitgliedstaat ferner auf Eigeninitiative ein eigenes Verfahren einzuleiten (sog. own initiative procedure). Dafür muss er der Ansicht sein, dass eine ausländische Investition im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, die nicht im Rahmen des Kooperationsmechanismus angemeldet wurde, wahrscheinlich seine eigene Sicherheit oder öffentliche Ordnung beeinträchtigt. Hierfür hat der Mitgliedsstaat 15 Monate nach Vollzug der Direktinvestition Zeit.
 

Kommentar und Ausblick

Die Reform-VO sieht erhebliche Veränderungen im Rahmen der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen vor. Die geltende FDI-Screening-VO war von Vorschlägen der Kommission geprägt und stellte wenige Pflichten an die Mitgliedstaaten. Die nun festgelegten Mindestkriterien engen den Spielraum der Mitgliedstaaten ein und verpflichten diese v.a., einen wirksamen Screening-Mechanismus samt (harmonisierter) Mindeststandards einzuführen. Ein flächendeckendes System der vereinheitlichten Prüfung ausländischer Direktinvestitionen dürfte aus Unternehmenssicht zu begrüßen sein, da gerade die Komplexität regulatorischer Anforderungen innerhalb der EU (Fusions- und Investitionskontrolle sowie die Foreign Subsidies Regulation) zunehmen und sich diese letztlich erheblich auf die Transaktionsplanung (in zeitlicher Hinsicht, aber insbesondere auch mit Blick auf die Transaktionssicherheit) auswirken. Die nun vorgesehenen Mindeststandards bezüglich der Fristen und Verfahrensabläufe sind daher grundsätzlich zu begrüßen.

Die Reform-VO muss nun noch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat der EU geprüft werden. Angesichts der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni diesen Jahres steht zu vermuten, dass sich der Gesetzgebungsprozess allerdings verzögern dürfte. Da die neuen Regelungen 15 Monate nach ihrem Inkrafttreten umgesetzt sein müssen, würden die neuen Bestimmungen daher erst im Jahr 2026 oder 2027 vollständige Wirksamkeit entfalten.

 

Link zum Reformvorschlag der FDI-Screening-VO

Link zum dritten Jahresbericht der Kommission

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