Die Herausforderungen bei der Implementierung von künstlicher Intelligenz im öffentlichen Sektor meistern | Fieldfisher
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Die Herausforderungen bei der Implementierung von künstlicher Intelligenz im öffentlichen Sektor meistern

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Die Implementierung von künstlicher Intelligenz (KI) im öffentlichen Sektor in Deutschland ist eine wesentlich komplexere und anspruchsvollere Aufgabe als ihr Einsatz in privaten Unternehmen. Mehrere Faktoren tragen zu diesen Schwierigkeiten bei, darunter begrenzte Ressourcen und Fachkenntnisse innerhalb von Ministerien und Behörden, regulatorische Hürden und ein allgemeiner Mangel an Verständnis für KI-Technologie. In diesem Artikel wird auf die Gründe eingegangen, warum die Einführung von KI im öffentlichen Sektor in Deutschland schwieriger ist als in privaten Unternehmen, und es werden Beispiele aus der jüngsten Entwicklung angeführt, um diese Punkte zu veranschaulichen. Zudem geben wir Tipps, wie diese Probleme bewältigt werden könnten.

 

I. Herausforderungen bei der Einführung von KI im öffentlichen Sektor

Es gibt mehrere Gründe, warum der Einsatz von KI-Technologie in staatlichen Einrichtungen komplizierter ist als in privaten Unternehmen. Zu diesen Herausforderungen gehören:

1. Finanzielle Engpässe
Im Vergleich zu großen Unternehmen, die viel in neue Technologien wie KI investieren können, verfügen viele staatliche Stellen nur über begrenzte finanzielle Ressourcen. Das gilt insbesondere in jüngster Zeit, als die Haushaltsstreitigkeiten innerhalb der Landesregierungen und der Bundesregierung für die breite Öffentlichkeit offenkund werden und verschiedene große Projekte miteinander konkurrieren (zum Beispiel Kosten der Verteidigung Deutschland oder Klimaschutz). Folglich kann es für Organisationen des öffentlichen Sektors schwierig sein, die notwendigen Mittel für die Entwicklung und Umsetzung von KI-Projekten bereitzustellen.

2. Bürokratische Entscheidungsfindung
Im Gegensatz zu Unternehmen, in denen Entscheidungen in der Regel schnell durch die Hierarchien gehen, dauert die Entscheidungsfindung in Behörden aufgrund bürokratischer Prozesse oder politischer Erwägungen oft länger. Dies kann zu Verzögerungen bei der Einführung von KI-Projekten führen und deren rechtzeitige Umsetzung behindern.

Erst recht gilt dies natürlich, weil der öffentliche Sektor im Rahmen von Einkaufsprozessen oft komplexe, langwierige Ausschreibungen im Rahmen des deutschen bzw. europäischen Vergaberechts durchführen müssen.

3. Einhaltung gesetzlicher Vorschriften
Ministerien und Behörden unterliegen oft strengen Vorschriften, die ihre Möglichkeiten zur Einführung bestimmter Technologien einschränken oder zusätzliche Schritte bei deren Einführung erfordern können. Dazu gehören beispielsweise besondere Vorschriften des Datenschutzrechts (DSGVO) oder IT-Sicherheitsvorschriften im öffentlichen Sektor. Auch wenn Deutschland für Unternehmen „durchreguliert“ scheint und diese über die die bürokratische Last klagen – für Ministerien und Behörden ist diese Last noch ungleich höher.

4. Technologische Infrastruktur
Organisationen des öffentlichen Sektors verfügen möglicherweise nicht über die notwendige technologische Infrastruktur zur Unterstützung von KI-Projekten. Dazu gehören Hardware-, Software- und Netzwerkkapazitäten, die für die Ausführung fortschrittlicher KI-Algorithmen und die Verwaltung großer Datensätze erforderlich sind.

5. Öffentliches Vertrauen und Rechenschaftspflicht
Öffentliche Stellen müssen bei der Implementierung von KI-Technologie das öffentliche Vertrauen aufrechterhalten und die Rechenschaftspflicht sicherstellen. Dazu gehört auch, dass Bedenken in Bezug auf Datenschutz, Fairness und potenzielle Verzerrungen in KI-Systemen ausgeräumt werden.

 

II. Aktuelle Beispiele für KI-Herausforderungen im öffentlichen Sektor

Mehrere aktuelle internationale Entwicklungen verdeutlichen die Schwierigkeiten, mit denen Regierungen konfrontiert sind, wenn sie versuchen, KI-Projekte ohne größere Rückschläge erfolgreich umzusetzen.

1. Die NHSX-Initiative des Vereinigten Königreichs
Der britische National Health Service (NHS) startete die NHSX-Initiative, einen digitalen Gesundheitsdienst, der die Patientenversorgung verbessern sollte, indem er die neuesten Fortschritte in der Gesundheitstechnologie nutzte, einschließlich Algorithmen für maschinelles Lernen, um Krankheiten im Frühstadium zu erkennen. Das Projekt wurde jedoch auf Eis gelegt, nachdem eine Ethikkommission Bedenken wegen der geplanten Verwendung personenbezogener Daten aus den Krankenakten der Patienten ohne deren ausdrückliche Zustimmung geäußert hatte.

2. Die KI in der Strafjustiz der Vereinigten Staaten
In den Vereinigten Staaten wird KI zunehmend in der Strafjustiz für Aufgaben wie Risikobewertung und vorausschauende Polizeiarbeit eingesetzt. Diese Anwendungen werden jedoch aufgrund von Bedenken hinsichtlich möglicher Voreingenommenheit und Fairness kritisch hinterfragt, was zu Forderungen nach mehr Transparenz und Aufsicht über KI-Systeme geführt hat.

3. Weitere Beispiele
Die Londoner Feuerwehr hat ein KI-System eingeführt, das auf der Grundlage historischer Daten vorhersagen kann, wo Brände entstehen könnten;

Das Ministerium für Arbeit und Renten (Department for Work & Pensions, DWP) nutzt Modelle des maschinellen Lernens, um Leistungsanträge zu analysieren, damit sie schneller bearbeitet werden können.

Transport Scotland nutzt prädiktive Analysen auf der Grundlage von Systemen der künstlichen Intelligenz, um den Verkehrsfluss während der Hauptverkehrszeiten vorherzusagen.

Natural England setzt Computer-Vision-Algorithmen in Kombination mit Satellitenbild-Analysetechniken ein, die es ihnen ermöglichen, geschützte Lebensräume besser als je zuvor zu überwachen.

Der Stadtrat von Edinburgh setzt automatisierte Chatbots ein, die auf natürlicher Sprachverarbeitung (NLP) beruhen und den Bürgern einen leichteren Zugang ermöglichen, wenn sie sich über Dienstleistungen der Stadtverwaltung informieren oder Probleme melden wollen.

 

III. Mögliche Lösungen für die Implementierung von KI im öffentlichen Sektor

Es gibt Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu bewältigen und erfolgreiche KI-Initiativen im öffentlichen Sektor umzusetzen, wenn die richtigen Strategien frühzeitig im Entwicklungsprozess angewendet werden.

1. Aus- und Weiterbildungsprogramme
Investitionen in Aus- und Weiterbildungsprogramme, die darauf abzielen, dass Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes die Möglichkeiten und potenziellen Anwendungen moderner Technologien wie maschinelles Lernen und neuronale Netze besser verstehen, sind entscheidend. Auf diese Weise sind sie in der Lage, potenzielle Probleme vorauszusehen und geeignete Lösungen zu entwickeln, während sie gleichzeitig über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen.

2. Schaffung eines förderlichen Umfelds
Die Schaffung eines förderlichen Umfelds, das das Experimentieren und Testen verschiedener Ideen auf einer risikofreien Basis ermöglicht, ist von entscheidender Bedeutung, da nicht jede Idee funktionieren wird. Die Förderung von Innovation und die Bereitstellung eines sicheren Raums für Versuch und Irrtum werden letztlich die Entwicklung erfolgreicher KI-Projekte im öffentlichen Sektor fördern.

3. Öffentlich-private Partnerschaften
Die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Sektor und privaten Unternehmen kann dazu beitragen, die Lücke bei Ressourcen, Fachwissen und Technologie zu schließen. Öffentlich-private Partnerschaften (Public-Private-Partnerships) können Regierungen in die Lage versetzen, die Stärken privater Unternehmen, wie Spitzentechnologie, Forschungskapazitäten und Erfahrung im Einsatz von KI, zu nutzen und gleichzeitig sicherzustellen, dass private Unternehmen von der Unterstützung des öffentlichen Sektors und klaren Vorschriften profitieren. Auch das Vergaberecht und das EU-Beihilferecht kennen für solche Public-Private-Partnerships gewisse Flexibilitäten, die der öffentliche Sektor für sich nutzen kann.

4. Ethische Leitlinien und Aufsichtsbehörden
Die Entwicklung und Umsetzung klarer ethischer Richtlinien und Kontrollmechanismen für KI-Projekte im öffentlichen Sektor ist von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört die Einrichtung von Ethikausschüssen zur Überprüfung von KI-Projekten, die Beseitigung potenzieller Vorurteile und die Gewährleistung von Fairness und Transparenz bei KI-Anwendungen. Auf diese Weise können Regierungen das Vertrauen der Öffentlichkeit aufrechterhalten und sich bei der Nutzung von KI-Technologie selbst zur Verantwortung ziehen.

5. Transparente Kommunikation und Zusammenarbeit
Eine transparente Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten, einschließlich der Öffentlichkeit, ist für eine erfolgreiche KI-Implementierung im öffentlichen Sektor unerlässlich. Dazu gehört der Dialog mit den Bürgern, das Einholen von Feedback und die Einbeziehung der Bürger in den Entscheidungsprozess, um KI-Systeme zu schaffen, die wirklich ihren Bedürfnissen entsprechen.

 

IV. Mögliche Lösungen für die Implementierung von KI im öffentlichen Sektor

Trotz aller Herausforderungen haben mehrere Regierungen auf der ganzen Welt erfolgreich KI-Initiativen in ihrem öffentlichen Sektor umgesetzt. Diese Fallstudien bieten wertvolle Einblicke und Lehren für andere, die KI-Technologie einführen wollen.

1. Anwendungen in Kanada
Kanada ist ein Vorreiter in der KI-Forschung und -Entwicklung, und der öffentliche Gesundheitssektor des Landes hat von mehreren KI-Initiativen profitiert. So hat das in Toronto ansässige Start-up-Unternehmen Winterlight Labs ein KI-gestütztes Sprachanalyse-Tool entwickelt, das bei der Diagnose und Überwachung kognitiver Störungen wie Alzheimer und Demenz hilft. Dieses Tool wird nun von medizinischen Fachkräften in ganz Kanada eingesetzt, um die Patientenversorgung zu verbessern.

2. Singapurs KI-gestütztes Verkehrsmanagement
Singapurs KI-gestütztes Verkehrsmanagementsystem mit dem Namen Green Link Determining System (GLIDE) nutzt Echtzeit-Verkehrsdaten und KI-Algorithmen, um die Ampelschaltungen zu optimieren und Staus zu reduzieren. Das System hat den Verkehrsfluss erheblich verbessert und die Wartezeiten für Autofahrer, Fußgänger und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel verkürzt.

 

V. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die erfolgreiche Implementierung von KI im öffentlichen Sektor ein immenses Potenzial für die Umgestaltung der Arbeitsweise von Regierungen, die Steigerung der Effizienz öffentlicher Dienstleistungen und die Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität der Bürger bietet. Allerdings müssen die Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI-Technologie in Regierungsorganisationen verbunden sind, gründlich angegangen werden, um die Realisierung dieser Vorteile zu ermöglichen.

Durch Investitionen in Aus- und Weiterbildung, die Förderung eines günstigen Umfelds für Experimente, die Bildung öffentlich-privater Partnerschaften, die Festlegung ethischer Richtlinien und Aufsichtsmechanismen sowie die Förderung einer transparenten Kommunikation und Zusammenarbeit können Regierungen die Komplexität der KI-Implementierung erfolgreich meistern und ihr Potenzial zur Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen nutzen. Die Lehren aus erfolgreichen Fallstudien wie Estlands E-Government-System, Singapurs KI-gestütztes Verkehrsmanagement und Kanadas KI-Initiativen im Gesundheitswesen bieten wertvolle Einblicke und umsetzbare Strategien für andere Regierungen, die KI-Technologien in ihrem öffentlichen Sektor einsetzen wollen.

Letztlich liegt der Schlüssel zur Überwindung der einzigartigen Herausforderungen, denen sich der öffentliche Sektor bei der Implementierung von KI gegenübersieht, in der Verpflichtung der Regierungen, der Innovation, der Zusammenarbeit und der verantwortungsvollen Entwicklung von KI-Systemen Priorität einzuräumen. Indem sie sich diese Grundsätze zu eigen machen und von den Erfolgen anderer lernen, können Regierungen weltweit auf eine Zukunft hinarbeiten, in der KI als wertvolles Instrument zur Verbesserung des öffentlichen Sektors dient.


Über den Autor      

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit 2020 schwerpunktmäßig auch in den Corona-Hilfsprogrammen des Bundes und der Länder.   

 

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