Die Bedeutung der Akteneinsicht bei den Überbrückungshilfen | Fieldfisher
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Die Bedeutung der Akteneinsicht bei den Überbrückungshilfen

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Im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen kommt es häufig zu Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen negative behördliche Entscheidungen. Dabei spielt die Akteneinsicht eine besondere Rolle, anders als in vielen Steuerverfahren. Warum die Begründung eines Rechtsbehelfs erst nach gewährter Akteneinsicht erfolgen sollte, erklärt der nachfolgende kurze Beitrag.

 

I. Was für negative Bescheide gibt es?

Unter negativen Bescheiden im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen verstehen wir solche, die den Antragsteller belasten - er bekommt nicht das, was er wollte. Dabei kann es sich um Ablehnungsbescheide handeln, die einen Antrag auf Überbrückungshilfe ganz oder teilweise ablehnen und damit hinter dem Antrag des Antragstellers (vollständig) zurückbleiben. Oder es handelt sich um Widerrufs- und Rückforderungsbescheide, mit denen vorher gewährte positive Zuwendungsbescheide aufgehoben werden und die gewährte Förderung (gegebenenfalls teilweise) zurückgefordert wird.
 
Gegen solche belastenden Bescheide ist je nach Bundesland oder erlassender Stelle ein außergerichtliches Widerspruchsverfahren oder ein Klageverfahren binnen eines Monats seit Zugang der negativen Entscheidung erforderlich. Welcher Rechtsbehelf einschlägig ist, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht. Aber der negative Bescheid muss immer auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, die darlegt, welcher Rechtsbehelf statthaft ist. Erfolgt kein Rechtsbehelf durch den von der negativen Entscheidung betroffenen Antragsteller, wird der negative Bescheid bestandskräftig.
 
Er kann dann nicht mehr angegriffen werden, selbst wenn die negative Entscheidung in der Sache rechtswidrig ist. Denn insoweit soll Rechtssicherheit geschaffen werden.
 
 

II. Muss der Rechtsbehelf begründet werden?

Was in der Praxis viele Beraterinnen und Berater nicht wissen: ein Rechtsbehelf muss zwar schriftlich eingelegt werden - und gerade bei einer Klage bestimmte Formalien wahren -, aber er muss im Verwaltungsrecht nicht begründet werden. Zur Fristwahrung genügt es, bestimmte Formalia zu wahren. Eine Begründung kann nachgereicht werden.
 
 

III. Die Bedeutung der Akteneinsicht

In der Praxis kann es sich in vielen Fällen empfehlen, eine solche Begründung auch nicht mit dem Rechtsbehelf einzureichen. Vielmehr kann es häufig angezeigt sein, zunächst Widerspruch bzw. Klage zu erheben, eine weitere Begründung anzukündigen und dann zunächst einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen.
 
Denn derjenige, der den Rechtsbehelf erhebt (beim Widerspruch die Widersprüchsführer, beim Klageverfahren der Kläger) hat einen Anspruch auf Akteneinsicht vor einer Begründung seines Rechtsbehelfs. Dieser Akteneinsichtsanspruch ergibt sich im Verwaltungsverfahrensrecht aus § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (die Norm kann je nach Bundesland in der Nummerierung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes variieren), im Verwaltungsprozess aus dem Zusammenspiel von §§ 99, 100 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
 
Steuerberaterinnen und Steuerberater kennen einen solchen Anspruch und seinen Umfang im Verwaltungsrecht aus ihrer Praxis häufig nicht, denn der Akteneinsichtsanspruch im Steuerrecht ist sehr eingeschränkt. Anders der im Verwaltungsrecht: Der Widerspruchsführer bzw. der Kläger können die Verwaltungsakte umfassend einsehen und dadurch ermitteln, auf welcher Grundlage die behördliche Entscheidung beruht.
 
Häufig können sich dabei erstaunliche Funde ergeben. So kann es sein, dass bei einer Akteneinsicht deutlich wird, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung von einem falschen Sachverhalt ausging oder falsche Informationen ermittelt hat. Wer die Akte nicht kennt, kann solche Fehler nicht ermitteln. Oder es ist möglich, dass die Behörde tatsächlich von einem unrichtigen Sachverhalt ausging, weil sie gar nicht alle eingereichten Informationen des Widerspruchsführers bzw. des Klägers berücksichtigt hat. Der Autor hat mehrere Fälle erlebt, bei denen die Behörde schlicht gar nicht alle ihr zugegangen Informationen berücksichtigt hatte - wo die eingereichten Unterlagen verblieben waren, blieb unklar. Solche Fälle lassen sich durch eine Einsicht in eine Akte gut erkennen. Dabei wird darauf zu achten sein, ob die Akte
  • vollständig ist, insbesondere chronologisch geordnet ist und
  • paginiert ist, d.h. durchgängig mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen ist und
  • keine nicht in die Akte gehören Unterlagen, die beispielsweise ganz andere Unternehmen betreffen, enthält.
 
Genügt die Akte diesen Anforderungen nicht, kann und sollte dies gerügt werden. Das bringt die Behörde insbesondere in einem Klageverfahren in arge Bedrängnis. Denn Verwaltungsgerichte bestehen auf einer vollständigen Akte und verlangen sonst Aufklärung, wo die fehlenden Unterlagen sind. Eine Prozesssituation verbessert sich so zugunsten des Klägers - und ein Widerspruchsführer kann so Druck auf die Behörde ausüben.
 
Schließlich sollte die Akte in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Rechtsansicht die Behörde ihre Entscheidung stützt. Was hat die Behörde dazu bewogen, so und nicht anders zu entscheiden? Welche internen Vermerke finden sich in der Akte, die Rückschlüsse zulassen auf den behördlichen Entscheidungsweg? Hierauf können sich dann erfahrene Anwältinnen und Anwälte bei der Begründung des Widerspruchs und der Klage einstellen.
 
Gute Gründe also, erst Einsicht in die Verwaltungsakte zu nehmen, bevor der Widerspruch oder die Klage weiter begründet wird. Wir nehmen regelmäßig zunächst eine solche Akteneinsicht und prüfen die Akte anhand unserer Erfahrung genau, bevor wir einen Rechtsbehelf weiter begründen. Dieses Vorgehen hat sich für viele unserer Mandanten in der Vergangenheit bewährt.
 
Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Hilfen zu einem negativen Bescheid benötigen, melden Sie sich gerne bei uns.
 
Wir helfen Ihnen auch kurzfristig.
 
 

Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

 

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