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Deutschland schränkt Klagemöglichkeiten gegen Windpark-Projekte ein

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Angesichts der drohenden Energiekrise will die Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien erheblich beschleunigen und Klagemöglichkeiten gegen solche Projekte massiv einschränken. Mit dem am 07. Juli 2022 verabschiedeten Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land soll der Ausbau nun schneller vorangehen.  Um die Ziele bis 2032 (mind. 80 % Strom aus erneuerbaren Energien) zu erreichen ist dies auch bitter nötig, da laut Verbänden eine Verfünffachung des aktuellen Volumens benötigt wird. Gerade großflächige südliche Bundesländer sahen sich in der Vergangenheit noch nicht allzu sehr in der Verantwortung, aktiv am Ausbau der Windenergie mitzuwirken. Dies soll sich nun ändern – und gleichzeitig sollen Klagemöglichkeiten erheblich eingeschränkt werden.
 
 

A. Beschleunigung durch verbindliche Flächenziele

Als entscheidendes Ausbauhindernis hat die Regierungskoalition die fehlenden Flächen ausgemacht. Nur wenn mindestens 2 % der Bundesfläche für Windenergie bereitstehe können die Ziele nach dem EEG erreicht werden. Tatsächlich verfügbar sind derzeit nur 0,5 % der Flächen.

Daher gibt das Windenergieflächenbedarfsgesetz in seiner Neufassung (WindBG) nun verbindliche Flächenziele für die Bundesländer vor, die bis 2032 zu erfüllen sind. Dadurch sollen unter anderem die Gerichte entlastet werden, die sich aufgrund von Rechtsunsicherheiten auf dem Gebiet der Flächenausweisung mit vielen Klagen konfrontiert sahen.

Die Flächenziele können von den Ländern durch zwei Alternativen erreicht werden. Entweder können die notwendigen Flächen in landesweiten oder regionalen Raumordnungsplänen durch das Land oder durch sog. Planungsträger – regelmäßig die Kommunen – ausgewiesen werden.

I. Folgen bei Erreichung der Flächenziele: Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren
Wenn die Flächenziele durch die Bundesländer fristgemäß eingehalten werden, hat dies Folgen auf das bauplanungsrechtliche Genehmigungsverfahren. Windenergieanlagen können dann als privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nur noch in den ausgewiesenen Flächen errichtet werden. Entgegen der bisherigen Rechtslage wären Windkraftanlagen andernorts dann – zum Schutz der Außenanlagen – regelmäßig unzulässig. Dem liegt der Gedankengang zugrunde, dass bei pflichtgemäßem Erreichen der Flächenziele kein Bedarf mehr besteht, wo anders als in den festgelegten Windenergiegebieten zu bauen.

Im Falle der Zielerreichung werden sog. Repowering-Anlagen hingegen regelmäßig nicht von den Beschränkungen umfasst. Sie sind weiterhin als privilegierte Vorhaben grundsätzlich zulässig.

II. Und was passiert, wenn das Bundesland die Flächenziele nicht erreicht?
Wenn die Bundesländer ihren Flächenausweiszielen nicht nachkommen, so sind Windenergieanlagen weiterhin im gesamten Außenbereich als privilegiertes Vorhaben zulässig.

Jedoch – und darin besteht die Gesetzesänderung – können zusätzliche Darstellungen in Flächennutzungsplänen, Ziele der Raumordnung und andere Maßnahmen der Landesplanung einem solchen Vorhaben dann nicht mehr entgegengehalten werden.
 

Damit sind Windenergieanlagen im Außenbereich in sehr großem Umfang zulässig. Auch in Klagen kann dann nicht mehr geltend gemacht werden, dass die Windenergieanlage den Darstellungen im Flächennutzungsplan widerspräche.
 

Darüber hinaus sind im Falle der Zielverfehlung länderspezifische Mindestabstände zur Wohnbebauung im Genehmigungsverfahren nicht mehr zu beachten. Gerade Bayern wird sich durch diese Gesetzesänderung veranlasst sehen müssen, ihre Mindestabstände und zögerliche Flächenausweisung kritisch zu überdenken.
 

 

B. Weitere Änderungen durch das "Osterpaket"

Darüber hinaus können wir eine der vielzähligen Änderung im Rahmen des sog. "Osterpakets" auch nicht außer Acht lassen. Unter dem Osterpaket wird ein umfangreiches Gesetzespaket der Ampelregierung verstanden, durch das viele energiepolitische Inhalte des Koalitionsvertrags umgesetzt werden sollen.

Herzstück des Pakets ist dabei die Kodifizierung des Grundsatzes, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. In sämtlichen rechtsgebietsübergreifenden Schutzabwägungen (z.B. im Bundesimmissionsschutzgesetz oder Bauplanungsrecht) ist dieser Grundsatz daher nun von Gesetzes wegen zu beachten.
 

 

C. Auswirkungen auf Klagen gegen Windenergieanlagen

Diese Änderungen werden auch nicht spurlos am Rechtsschutz gegen Windenergieanlagen vorübergehen.
 

In Betracht der getroffenen Maßnahmen werden es Kläger nun regelmäßig schwieriger haben ihre Interessen im Rahmen einer Drittanfechtungsklage durchzusetzen.
 

Gerade wenn eine Klage in einem Bundesland erhoben wird, das die Flächenziele nicht erreicht hat, wird eine Windenergieanlage regelmäßig die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in weit größerem Umfang als bisher auf ihrer Seite haben. Auch wenn in den Flächennutzungsplänen ein Bau von Windenergieanlagen an dem konkreten Ort vorgesehen ist, ist dies dann für den Bau – wie oben beschrieben -  nicht mehr zu beachten. Kläger könnten die abweichende Darstellung der Flächennutzungspläne dann nicht mehr klageweise gegen die Windenergieanlage geltend machen. Ihnen wird damit eine starke Verteidigung entrissen.

Änderungen wird es auch im Bundesimmissionsschutzgesetz geben. Dort kommt es regelmäßig zu Güterabwägungen zwischen den Individualinteressen des Klägers und dem öffentlichen Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen. Hier wird die einfachgesetzliche Kodifizierung des § 2 EEG 2023, dass erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen, die Gewichte in der Waagschale zugunsten der Windenergieanlage, neu verteilen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass die Interessen an erneuerbaren Anlagen nur ganz ausnahmsweise überwunden werden können. Im Grundsatz ist also einer Windenergieanlage damit der Vorrang gegenüber dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder Immissionsschutz zu gewähren.

Belange können hier zukünftig nur noch entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert oder geschützt sind. Hier werden im Ergebnis also hohe Anforderungen gestellt.
 

Für die Praxis bedeutet das konkret: Ließ sich früher noch leichter klageweise geltend machen, dass die konkrete Windenergieanlage z.B. nicht in das Landschaftsbild passt, muss das Gericht bei der Beurteilung nun den grundsätzlichen Vorrang erneuerbarer Anlagen beachten.

Einfach ausgedrückt wird es nun schwerer gegen Windenergieanlagen vor den Verwaltungsgerichten vorzugehen.
 

Zu beachten ist ferner, dass bereits sehr zeitnah mit den Auswirkungen dieser Rechtsänderung zu rechnen ist. Grund dafür ist, dass § 2 EEG 2023 bereits seit dem 29.7.2022 Geltung beansprucht, während der Großteil der weiteren EEG Regelungen erst zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft tritt.
 
 
 

Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät u.a. die Tree Energy Solutions GmbH (TES) beim Bau eines Import Terminals für verflüssigte Gase in Wilhelmshaven. Er ist zudem Experte für Fördermittel und hat Prozesserfahrung aus vielen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
 
Christine Charlotte Fischer ist Rechtsanwältin im Verwaltungs- & Verwaltungsprozessrecht im Hamburger Büro von Fieldfisher. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung und Vertretung ihrer Mandanten in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Sie berät unterschiedliche Institutionen im öffentlichen Sektor, wie Bundesministerien, oberste Bundesbehörden und Verfassungsorgane.

 

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