Bundeskartellamt stellt Verfahren gegen Lieferando ein: Bestpreisklausel besteht vorerst Überprüfung | Fieldfisher
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Bundeskartellamt stellt Verfahren gegen Lieferando ein: Bestpreisklausel besteht vorerst Überprüfung

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Das Bundeskartellamt (BKartA) hat am 12. Juli ein Verfahren gegen die Yd. Yourdelivery GmbH, in Deutschland bekannt unter der Firma Lieferando, vorläufig eingestellt. Gegenstand des Verfahrens war die Untersuchung einer sogenannten Bestpreisklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Lieferando. Diese Klausel verbietet Restaurants, die ihre Dienste auf der Lieferplattform vertreiben, ihre Gerichte auf anderen Vertriebskanälen zu günstigeren Preisen anzubieten.
 


Die "Gleicher-Preis-Garantie" von Lieferando

Gegenstand der Überprüfung war folgende Regelung aus den AGB der Lieferando-Mutter "JUST EAT Takeaway.com" für Restaurants vom 08.02.2023:

"Gleicher-Preis-Garantie: Bezeichnet Ihre Garantie, dass die Preise, Rabatte und Sonderangebote, die Sie hinsichtlich der von Ihnen auf der Plattform angebotenen Waren und Dienstleistungen (inklusive der von Ihnen festgelegten Liefergebühren und Mindestbestellwerte) anbieten, den Preisen für Waren und Dienstleistungen entsprechen, die über Ihre eigenen online Kanäle bestellt werden. Wir verlangen dies von Ihnen aus kommerziellen Gründen und um sicherzustellen, dass die Preise, Rabatte und Sonderangebote auf der Plattform genauso wettbewerbsfähig sind wie auf Ihren eigenen Online-Kanälen." (S. 2 der AGB)

Zur Durchsetzung der Garantie wird unter Punkt 8.13. der AGB folgendes vereinbart:

"Während der Laufzeit müssen Sie die Gleicher-Preis-Garantie anwenden. Bei Verstoß gegen die Gleicher-Preis-Garantie entspricht die Preisdifferenz zwischen dem auf der Plattform angegebenen Preis und dem außerhalb der Plattform berechneten Preis:

i. dem Ihnen von uns in Rechnung gestellten Preis und

ii. dem von uns dem Kunden durch Vorlage eines Gutscheins erstatteten Preis.

Sie werden unverzüglich die Preise, Preisnachlässe oder sonstigen Positionen auf der Plattform so anpassen, dass sie mit den entsprechenden Positionen auf Ihrer eigenen Website und in Ihrer Speisekarte übereinstimmen. Außerdem können wir Ihre Preise, Preisnachlässe oder sonstigen Positionen auf der Plattform so anpassen, dass sie mit den entsprechenden Positionen auf Ihrer eigenen Website und in Ihrer Speisekarte übereinstimmen." (S. 9 der AGB)


Bedenken hinsichtlich dominierender Marktstellung

Das BKartA hatte die Befürchtung, dass durch die Bestpreisklausel die Anreize, alternative Vermittlungsplattformen zu günstigeren Konditionen zu beauftragen, hemmt. „Lieferando ist in Deutschland der Platzhirsch unter den Lieferdiensten, und es besteht der Verdacht, dass die Restaurants durch die Bestpreisklausel stark beeinträchtigt werden", gibt Andreas Mundt, Präsident des BKartA zu bedenken.

Aus diesem Grund hat das BKartA in dem vorliegenden Verfahren bei konkurrierenden Unternehmen sowie Gastronomieverbänden intensive Untersuchungen durchgeführt, um ein fundiertes Verständnis der Wirkung der Bestpreisklausel vor dem Hintergrund der vorherrschenden Marktstellung von Lieferando in Deutschland zu erlangen. Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchungen ist die Erkenntnis, dass die Wettbewerbsdynamik in der Essenslieferbranche nicht ausschließlich durch Preisfaktoren, sondern insbesondere durch Unterschiede in den Plattform- und Serviceangeboten bestimmt wird. Aktuell präsentiert sich dieser Markt durch das Aufkommen neuer Anbieter, die als mögliche Alternativen für Restaurants agieren, als durchaus dynamisch. Allerdings bleibt die zukünftige Marktentwicklung in Deutschland, auch nach den pandemiebedingten Verhaltensänderungen der Verbraucher hin zu Lieferservices, momentan schwierig vorherzusagen.

Des Weiteren hat das BKartA die Praxis von Lieferando, selbst Restaurant-Webseiten zu erstellen, kritisch hinterfragt, insbesondere hinsichtlich der ungewollten Inanspruchnahme von Lieferandos Vermittlungsleistungen durch die Verbraucher (sogenannte "Schatten-Websites"). Allerdings konnten die Untersuchungen keine überzeugenden Beweise für eine durch die Kombination von Bestpreisklausel und "Schatten-Websites" vermutete Sogwirkung zugunsten des Marktführers erbringen. In diesem Zusammenhang weist das BKartA darauf hin, dass Restaurants das Recht hätten, der Erstellung von Websites durch Lieferando zu widersprechen oder gänzlich darauf zu verzichten.

In Summe bestünden daher derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel ein durchgreifendes Hindernis für den Marktzutritt neuer Plattformen mit differenzierten Angeboten darstellt.



Vergleich zum Booking.com-Fall

Das BKartA ist schon einmal gegen eine Bestpreisklausel bei einem Vermittlungsdienst vorgegangen: "Unsere Untersagung einer ähnlichen Klausel bei der Hotelplattform Booking.com hatte der Bundesgerichtshof (BGH) höchstrichterlich bestätigt", so Mundt. Die Marktverhältnisse bei Essenslieferungen seien aber derzeit andere als im Booking.com-Fall bei den Hotelbuchungsplattformen, gibt Mundt zu bedenken. "Der Markt und die Geschäftsmodelle rund um Essensbestellungen sind im Moment stark in Bewegung. Die Restaurants nehmen nach unseren derzeitigen Ermittlungen neu auf den Markt tretende Alternativangebote zunehmend wahr und beauftragen teilweiseauch parallel mehrere Lieferdienste."

 

Zur Natur von Bestpreisklauseln

Bestpreisklauseln erscheinen für Konsumentinnen und Konsumenten oftmals nur vordergründig als vorteilhaft. Durch die Verhinderung günstigerer Preise auf alternativen Vertriebskanälen, können sie, je nach den jeweiligen Wettbewerbsverhältnissen auf den betreffenden Märkten, den Wettbewerb zwischen rivalisierenden Anbietern von Online-Vermittlungsdienstleistungen beeinträchtigen und den Markteintritt neuer Plattformbetreiber erschweren. Aufgrund dieser Tatsache werden sie insbesondere in konzentrierten Märkten einer besonderen kartellrechtlichen Beobachtung unterzogen.

So hat das BKartA in den Jahren 2013 bis 2015 Bestpreisklauseln in den Bereichen des E-Commerce und bei Hotelreservierungsportalen aufgegriffen und verboten. In diversen Prozessen haben juristische Instanzen – das Oberlandesgericht Düsseldorf im Falle von HRS und der BGH im Falle von Booking.com – die Verbote dieser Klauseln durch das BKartA bestätigt.

 

Ausblick

Die vorläufige Einstellung des Verfahrens aufgrund von Ermessenserwägungen bedeutet nicht, dass das BKartA die kartellrechtliche Zulässigkeit der inspizierten Bestpreisklausel final bewertet hat. Das BKartA beabsichtigt vielmehr, die Nachfrageentwicklung seitens der Konsumentinnen und Konsumenten sowie die Wettbewerbsdynamiken, insbesondere in Anbetracht des Markteintritts von Uber Eats und Wolt, fortlaufend zu verfolgen. Sollte die Marktsituation dies erfordern oder falls Beschwerden vermehrt auftreten, behält sich das BKartA vor, die Wettbewerbsbedingungen sowie die vertraglichen Bestimmungen jederzeit erneut auf den Prüfstand zu stellen.

 

Quellen

Pressemitteilung des BKartA vom 12.07.2023 zur Einstellung des Verfahrens gegen Lieferando

JUST EAT Takeaway.com AGB für Restaurants vom 08.02.2023

 

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