Umsetzung der UTP-Richtlinie: Neue Anforderungen für Unternehmen der Lebensmittelbranche | Fieldfisher
Skip to main content
Publication

Umsetzung der UTP-Richtlinie: Neue Anforderungen für Unternehmen der Lebensmittelbranche

18.05.2021

Locations

Germany

Anfang Mai hat der Bundestag die finale Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes (sog. Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz) beschlossen. Dieses wurde nun dem Bundesrat zur Abstimmung zugeleitet und wird anschließend durch den Bundespräsidenten verkündet.

Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Es setzt die Richtlinie (EU) 2019/633 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 (UTP-Richtlinie) um und enthält zahlreiche neue Regelungen für Unternehmen der Lebensmittelbranche, die Erzeugerunternehmen in der Lebensmittelbranche vor unfairen Bedingungen großer Nachfrager schützen sollen, sog. verbotene Handelspraktiken.

Inhalt der neuen Regelungen zur Verbesserung der Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette

Die verbotenen Handelspraktiken sind abschließend in einer schwarzen Liste und einer grauen Liste aufgezählt. Sie sollen verhindern, dass Landwirte aufgrund der Übermacht des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) dazu verpflichtet werden, ungerechtfertigte Kosten zu übernehmen. Praktiken, die Teil der schwarzen Liste sind, sind per se verboten. Praktiken, die in der grauen Liste aufgezählt werden, sind zulässig, wenn sie vorher ausdrücklich und eindeutig zwischen den Parteien vereinbart wurden. Einen zusammenfassenden Überblick über die wichtigsten Regelungen finden Sie hier.

Typische Fälle sind beispielsweise:

  • die Vereinbarung von Zahlungsfristen des Käufers gegenüber dem Lieferanten von mehr als 30 (für verderbliche Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse) bzw. 60 Tagen (für andere Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse);
  • die Abwälzung von Kosten für das Zurückschicken bzw. das Beseitigen nicht verkaufter Erzeugnisse des Käufers an den Lieferanten;
  • die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen durch den Käufer, insb. im Hinblick auf Methode, Ort Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung sowie der Zahlungsbedingungen;
  • die kurzfristige (weniger als 30 Tage) Stornierung von verderblichen Agrar- oder Lebensmittelerzeugnissen oder
  • die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber dem Lieferanten, wenn dieser seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht.

 

Anwendungsbereich der Regelungen

Geschützt werden durch das neue Gesetz Lieferanten der Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugung sowie Lieferanten, die im Rahmen der Herstellung von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst, Gemüse und Gartenprodukten (bspw. Kartoffeln) tätig sind, gegenüber größeren Käufern in der Lebensmittelbranche. Voraussetzung ist, dass zumindest eine der Vertragsparteien ihren Sitz in der Europäischen Union hat.
Käufern kann es bereits ab einem Jahresumsatz von 2 Millionen Euro untersagt sein, die in dem Gesetz genannten verbotenen Handelspraktiken anzuwenden.
Für Lieferanten im Bereich Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugung gilt der Schutzbereich des Gesetzes bis zu einem Umsatz von 350 Millionen Euro.
Für Lieferanten im Bereich der Herstellung von Milch- und Fleischprodukten, Obst, Gemüse und Gartenbauprodukten bis zu einem Umsatz von 4 Milliarden Euro in dem jeweiligen Verkaufssegment (eine gesetzliche Definition des "Segments" ist leider unterblieben) in Deutschland. Dies allerdings nur, wenn der gesamte Jahresumsatz des Lieferanten nicht mehr als 20 Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Käufers beträgt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Regelungen des neuen Gesetzes, wie auch von der UTP-Richtlinie beabsichtigt, lediglich dazu beitragen, die Verhandlungsmacht von deutlich größeren Käufern gegenüber kleineren Lieferanten zu beschränken und dem dort bestehenden Ungleichgewicht entgegenzuwirken.
Maßgeblich für die Berechnung des Umsatzes der Unternehmen ist dabei der weltweite Umsatz der Unternehmensgruppe.

Regelungen gelten entlang der gesamten Lieferkette

Die Regelungen des neuen Gesetzes gelten künftig entlang der gesamten Lieferkette und damit nicht nur für direkte Erzeuger und den LEH als Endabnehmer, sondern auch für weitere Unternehmen in der Verarbeitungs- und Produktionskette, insbesondere auch für Erzeugerzusammenschlüsse auf Käufer- und Lieferantenebene. Hintergrund ist, dass die Landwirte nur selten direkt mit dem LEH in Vertragsbeziehungen stehen und durch den Anwendungsbereich entlang der gesamten Lieferkette sichergestellt werden soll, dass die neuen Regelungen in der Praxis nicht leerlaufen. Adressaten sind neben dem LEH somit alle Zwischenhändler in der Lieferkette, um zu vermeiden, dass die Regelungen des neuen Gesetzes nur deshalb keine Anwendung finden, weil der ursprüngliche Erzeuger nicht direkt mit dem LEH in einer Vertragsbeziehung steht.

Überwachung der Einhaltung in der Praxis

Um sicherzustellen, dass die Regelungen des neuen Gesetzes auch in der Praxis beachtet werden, überwacht die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Einhaltung der Regelungen zusammen mit dem Bundeskartellamt. Sie ist zur Verhängung von Geldbußen von bis zu 750.000 Euro und zum Erlass einstweiliger Verfügungen berechtigt. Zusätzlich wird eine unabhängige Ombudsstelle geschaffen, bei der anonyme Beschwerden eingereicht werden können. Die Ombudsstelle leitet Beschwerden an das BLE weiter.

Kommentar

Die Umsetzung der UTP-Richtlinie stellt einen wichtigen Aspekt des Vorhabens der Bundesregierung dar, die Bedingungen der Landwirte zu stärken (einen ergänzenden Überblick dazu, wie die Produktionsbedingungen in der Lieferkette verbessert werden sollen, finden Sie hier).
Die Regelungen haben sowohl für bestehende als auch für neu abzuschließende Verträge Relevanz: Für neu abzuschließende Verträge gelten sie unverzüglich ab dem Inkrafttreten des Gesetzes. Für bestehende Verträge gilt eine Anpassungsfrist von einem Jahr. Unternehmen sind daher angehalten auch ihre bestehenden Verträge auf einen möglicherweise bestehenden Anpassungsbedarf hin zu überprüfen.
Bei Fragen hierzu wenden Sie sich jederzeit gerne an Raoul Schätzler oder Sara Bandehzadeh.

Links

Mitteilung der Bundesrgegierung zur Umsetzung der UTP-Richtlinie
MItteilung des deutschen Bundestags - Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken in Agrarlieferketten erörtert
Gesetzentwurf und Anpassungen
Überblick: Das neue Lieferkettengesetz - Folgen für die Praxis | Fieldfisher