Rethmann/Remondis muss künftig möglicherweise auch den Erwerb kleiner Unternehmen beim Bundeskartellamt anmelden | Fieldfisher
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Rethmann/Remondis muss künftig möglicherweise auch den Erwerb kleiner Unternehmen beim Bundeskartellamt anmelden

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Das Bundeskartellamt (BKartA) hat am 19. Januar 2022 bekanntgegeben, dass es die Voraussetzungen für eine erweiterte Anmeldepflicht nach § 39a GWB für künftige Übernahmen durch die Rethmann-Gruppe/Remondis prüft.
 

Das Instrument der erweiterten Anmeldepflicht gilt erst seit Anfang 2021 und ist im Zuge der 10. GWB-Novelle eingeführt worden. Hierdurch wird dem BKartA ermöglicht, auch kleinere Übernahmen zu überprüfen, die aufgrund der Nichterreichung der Schwellenwerte eigentlich der Kontrolle des BKartA entzogen sind. Eigentlich sieht das GWB eine Inlandsumsatzschwelle von € 17,5 Mio. vor. Nach der erweiterten Anmeldepflicht müsste das verpflichtete Unternehmen auch Erwerbe von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als € 2 Mio. anmelden, soweit dieses mehr als 2/3 ihres Umsatzes in Deutschland erzielt hat.



Hintergrund des Verfahrens

Die Rethmann-Gruppe gehört nach bisherigen Erkenntnissen des BKartA zu den marktführenden Anbietern in der Entsorgungsbranche. Vor allen Dingen bei der Erfassung verschiedener Sorten von Haushaltsabfällen und der Aufbereitung von haushaltsnahen Verpackungen aus Glas sei sie bundesweit mit weitem Abstand vor ihren jeweiligen Wettbewerbern einer der marktführenden Anbieter. Gleichzeitig habe bei der Erfassung von Haushaltsabfällen die Anzahl der Wettbewerber in den Jahren 2014-2018 kontinuierlich abgenommen und kein Wettbewerber habe den Abstand zum Marktführer in nennenswertem Umfang aufholen können.

Dieser fortschreitende Konzentrationsprozess, bei dem laut BKartA Stück für Stück kleinere Wettbewerber – meist mittelständische Unternehmen – aufgekauft werden, ist wegen der häufig zu hohen Schwellenwerte bislang der Kontrolle des BKartA entzogen. Mit der Feststellung einer erweiterten Anmeldepflicht nach § 39a GWB müssten künftig auch kleinere Übernahmen durch die Rethmann-Gruppe beim BKartA angemeldet werden.

Voraussetzung hierfür ist zunächst die Durchführung einer speziellen Sektoruntersuchung im Bereich der Entsorgungswirtschaft, die auch die spezifische Marktposition der Rethmann-Gruppe analysiert. Hierfür wird das Bundeskartellamt zunächst die 15 wichtigsten Wettbewerber befragen. Bei dieser Untersuchung sollen auch die in der am 21. Dezember 2021 veröffentlichten Sektoruntersuchung Haushaltsabfälle und die Ermittlungen aus verschiedenen Zusammenschlussvorhaben der letzten Jahre aktualisiert und konkretisiert werden.
 

Voraussetzungen des neuen § 39a GWB

Grundsätzlich kann das BKartA Zusammenschlussvorhaben erst dann fusionskontrollrechtlich überprüfen, wenn von den Parteien bestimmte Mindestumsätze erzielt wurden, die auf eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung der Transaktion schließen lassen. Der neue § 39a GWB ermöglicht die Überprüfung kleiner Übernahmen unterhalb der eigentlichen Umsatzschwellen in den Fällen, in denen in bestimmten Wirtschaftszweigen eine fortschreitende Marktkonzentration zu befürchten ist.

Neben der Durchführung der bereits genannten Sektoruntersuchung ist Voraussetzung für die Auferlegung einer erweiterten Anmeldepflicht nach § 39a GWB, dass

  • das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit Umsatzerlöse von mehr als € 500 Mio. erzielt hat,
  • objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland in den genannten Wirtschaftszweigen erheblich behindert werden könnte und
  • das Unternehmen in den genannten Wirtschaftszweigen einen Anteil von mindestens 15 Prozent am Angebot oder an der Nachfrage von Waren oder Dienstleistungen in Deutschland hat.
  • Liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Unternehmen in den nächsten 3 Jahren nach Zustellung der Entscheidung jeden Zusammenschluss des Unternehmens mit anderen Unternehmen in einem oder mehreren bestimmten Wirtschaftszweigen anmelden, wenn
  • das zu erwerbende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mehr als € 2 Mio. erzielt hat und
  • mehr als zwei Drittel seiner Umsatzerlöse im Inland erzielt hat.

    
Kommentar

Mit diesem Verfahren gegen die Rethmann-Gruppe/Remondis wendet das BKartA erstmalig den neuen § 39a GWB an. Mit ein Grund für die Auswahl dieser Unternehmensgruppe dürfte die vor Kurzem abgeschlossene Sektoruntersuchung im Bereich der Haushaltsabfälle gewesen sein.

Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Unternehmen das BKartA mit einer derartigen Pflicht belegen wird. Das BKartA wird sich vermutlich Sektoren aussuchen, in denen marktstarke Unternehmen ihre Marktmacht durch die Zukäufe kleinerer Unternehmen (also Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als € 17,5 Mio.) peu a peu stärken können.
 


 

Bei sämtlichen Fragen zu diesem Thema, wenden Sie sich gerne an Dr. Solvei Hartmannsberger.
 


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