Digitaler Staat, GovTech & Greentech – was die "Ampel" plant | Fieldfisher
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Digitaler Staat, GovTech & Greentech – was die "Ampel" plant

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Deutschland hat gewählt, und die drei "Wahlgewinner" SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen gemeinsam eine Regierung bilden. Noch laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen den Parteien. Eine Regierungsbildung der drei Parteien ist noch lange nicht beschlossen. Doch das Sondierungspapier der drei Parteien vom 15. Oktober 2021 wirft einen Blick in die Zukunft. In dem heutigen Beitrag stellen wir wichtige Eckpunkte vor und geben einen Ausblick, was das rechtlich für Staat, Behörden und Bürger bedeutet. Dabei konzentrieren wir uns auf die Themen Staat, Digitalisierung, Klimaschutz und Innovationswettbewerb.

 

I. Grundsätzliches

Das Sondierungspapier ist Grundlage der Koalitionsgespräche. Es werden eingangs fünf große Herausforderungen für die Zukunft Deutschlands genannt:
 
  • Klimawandel
  • Digitalisierung
  • Sicherung des Wohlstands in Deutschland
  • Sozialer Zusammenhalt
  • Demographischer Wandel

Die Parteien verstehen ihre Aufgabe in einer Fortschrittskoalition, die ein wichtiges Jahrzehnt der Erneuerung prägen will.
Dieses Bekenntnis zu den grundsätzlichen Herausforderungen sollte in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden. Zukünftige Verhandlungen zwischen den Parteien, aber auch Gesetzesvorhaben werden sich stets auf das Anerkenntnis dieser grundsätzlichen Herausforderungen zurückbesinnen. Es überrascht natürlich nicht, das Klimawandel und Digitalisierung hierbei wichtige Aspekte sind wie auch die Sicherung des Wohlstandes in Deutschland. Doch bemerkenswert ist auch die Sorge um den sozialen Zusammenhang in Deutschland, also die Frage nach der "Spaltung der Gesellschaft", die insbesondere aus der Diskussion in den USA bekannt ist. Die Sorge darum könnte wiederum zukünftig eine stärkere Regulierung von (sozialen) Medien auslösen (wenngleich die FDP hier eher eine liberale Position vertritt). Der demographische Wandel ist auch eine große Herausforderung, vor allem für den öffentlichen Sektor. Den Behörden und Ministerien in Deutschland steht eine beispiellose Pensionswelle im kommenden Jahrzehnt ins Haus. Diesen Abfluss von fachlich kompetentem Personal wird der öffentliche Sektor kaum durch Nacheinstellungen ausgleichen können bei dem derzeitigen Kampf um die besten Talente mit der Wirtschaft. Kein Wunder also, dass auch die Digitalisierung des öffentlichen Sektors einen breiten Raum einnimmt in dem Sondierungspapier.

 

II. Der digitale Staat – Chancen für GovTech-Start-Ups

Im Mittelpunkt steht eine Modernisierung des Staats und der Verwaltung. Dieses Anliegen wird als zentral angesehen und bildet den ersten großen Punkt des Sondierungspapiers.
Der Staat soll schneller und effektiver werden. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationsprozesse sollen befördert werden. Dazu sollen insbesondere Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren durch Digitalisierung beschleunigt werden. Ziel: Genehmigungsverfahren sollen um die Hälfte der Zeit verkürzt werden.
Eine zentrale Kritik am deutschen Staatswesen wird damit aufgegriffen. Im internationalen Vergleich gilt die Verwaltung in Deutschland im Digitalbereich allenfalls als mittelmäßig. Viele Verfahren dauern sehr lange oder sind im Zeitalter von Internet, Smartphone & Blockchain kaum noch verständlich. Zu häufig wird insbesondere noch das persönliche Erscheinen des Bürgers bei der Verwaltung gefordert. Dabei bestimmt das sogenannte "Online-Zugangsgesetz" (OZG) bereits seit Jahren, dass viele Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digitalisiert werden müssen. Ein Ziel, das klar verfehlt wird. Zeit, auf das Gaspedal beim Thema Digitalisierung zu treten.
Natürlich hat sich schon so manche Bundesregierung das Ziel Digitalisierung auf die Fahne geschrieben. Doch es zeigt sich in dem Papier, dass das Thema auch wegen der genannten Herausforderungen – u.a. Klimawandel und demographischer Wandel – nun ernst genommen wird. Druck kann eine neue Bundesregierung auf verschiedene Weise aufbauen, z.B. durch:
 
  • neue gesetzliche Vorgaben für die Gemeinden sowie Behörden der Bundesländer und des Bundes, die deutlich verbindlichere Vorgaben schaffen als das "zahnlose" OZG.
  • strukturelle Veränderungen auf Bundesebene, insbesondere in Ministerien und Behörden, bei denen die Leitungen die Umsetzung der Digitalisierung ernsthaft vorantreiben.
  • Gegebenenfalls auch durch die Einrichtung eines Digitalministeriums, das die Potentiale zur Digitalisierung in allen Bereichen vorantreibt. Da es aber voraussichtlich schon ein neues "Klimaschutzministerium" geben wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein zweites neues Ministerium geschaffen wird.

Die Digitalisierung ist nicht nur zeitgemäß. Sie wird auch notwendig sein, um die eingangs beschriebenen großen Herausforderungen zu meistern.
Die "alten Digitalisierungsstrategien" der früheren Bundesregierung sollen überarbeitet werden. KI-Strategie, Datenstrategie, Blockchain-Strategie sollen neu aufgesetzt werden. Das wird auch angesichts der Weiterentwicklung in diesen Technologien notwendig sein. Zudem gibt es auf europäischer Ebene neue Gesetzesvorhaben, z.B. zur Regulierung künstlicher Intelligenz, auf die die Strategien abgestimmt werden müssen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind solche Strategien wichtig, denn sie sind Grundlage für die Schaffung von Stellen in der Verwaltung und die Gewährung von Haushaltsmitteln.
Schnelles Internet und Mobilität auf dem Land sollen gestärkt werden; der Gigabit-Ausbau ist ebenfalls ein wichtiges Ziel.
Wir aus dem Öffentlichen Sektor bei Fieldfisher erwarten insbesondere große Chancen für Start-Ups und Unternehmen, die digitale Lösungen für die öffentliche Verwaltung anbieten. Dieses sog. GovTech dürfte in Deutschland eine neue Blüte erfahren und auch mit Förderprogrammen gestützt werden. Denn die staatlichen Institutionen werden nicht so schnell die Digitalisierung aus sich heraus vorantreiben können, wie dies von der Regierung gewünscht wird. Zudem ist externe Expertise oft hilfreich, um mit technischen Entwicklungen Schritt halten zu können und zukunftsfähige Lösungen zu schaffen.

 

III. Klimaschutz und GreenTech

Nicht nur wegen der voraussichtlichen politischen Zusammensetzung der neuen Bundesregierung wird das Thema Klimaschutz im Mittelpunkt stehen. Es wird Staat, Wirtschaft und Gesellschaft prägen und tiefgreifende Veränderungen auslösen.
Dabei soll der europäische Hintergrund beleuchtet werden. Mit dem Green Deal will die EU-Kommission das folgende schaffen:
 
  • Bis 2050 sollen keine Netto-Treibhausgase mehr ausgestoßen werden;
  • Das Wachstum der Wirtschaft soll von der Ressourcennutzung entkoppelt werden;
  • Niemand, weder Mensch noch Region, soll im Stich gelassen werden.

Alle 27 EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Sie vereinbarten hierzu, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. 
Das Europäische Klimagesetz wurde Ende Juni 2021 vom Parlament der EU und vom Rat der EU angenommen. Im Europäischen Klimagesetz wird die Treibhausgasneutralität bis 2050 als rechtsverbindliches Ziel festgelegt. Die Organe der EU und die Mitgliedstaaten stehen in der Pflicht, auf EU- und nationaler Ebene die zur Erreichung des Ziels erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wobei die Fairness und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern sind.
Die deutsche Politik ist damit auch durch diesen Green Deal geprägt und ihm verpflichtet. Daher soll es 2022 ein Klimaschutz-Sofortprogramm geben, bei denen alle Sektoren einen Beitrag leisten sollen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Es wird damit zu rechnen sein, dass durch Gesetze und Verordnungen die Bundesregierung schnell für die Wirtschaft Änderungen anstoßen wird.
Im Mittelpunkt wird dabei der Ausbau der Erneuerbaren Energien stehen. Auch hier sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren schnell drastisch gekürzt werden. Zwei Prozent der deutschen Landfläche sollen für Windkraft genutzt werden, auch der Ausbau zur See wird in den Blick genommen. Unternehmen, die in diesem Sektor aktiv sind oder einsteigen wollen, können sich daher auf ein spannendes unternehmerisches Umfeld freuen.
Der Kohleausstieg soll bis 2030 erreicht werden („idealerweise“). Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können. Das wird ebenfalls starke Investitionen sowohl des Staates wie der Privatwirtschaft auslösen. Hier ist mit erheblichen Fördermitteln zu rechnen, sowohl auf EU-Ebene wie auch auf deutscher Ebene.
Bauen wird in Zukunft teurer werden; hierauf müssen sich Bau- und Immobilienbranche einstellen. Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten wird das sogar zu einer Pflicht, bei privaten Neubauten nur die Regel. Wie dies bei Bestandsimmobilien gehandhabt wird, ist derzeit noch unklar.
Die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis soll im Laufe der Legislaturperiode beendet werden (wie die Finanzierung erfolgen soll, wird nicht erklärt). Auch der Emissionshandel soll überarbeitet werden.
Erhebliche Auswirkungen sind für die Automobilindustrie zu erwarten:
 
  • Ab 2035 sollen nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden.
  • Deutschland soll „Leitmarkt“ für Elektromobilität werden. Die Ladeinfrastruktur soll erheblich ausgebaut werden.
  • Ein generelles Tempolimit soll es nicht geben.
  • Lösungen für intelligenten Individualverkehr und ÖPNV sollen gefördert werden.

Gerade der letzte Punkt zeigt: Im sog. GreenTech zur Reduzierung von CO2-Emissionen sowie zur Sicherung der Nachhaltigkeit sieht die neue Bundesregierung eine erhebliche Chance. Digitalisierung und Klimaschutz werden damit verbunden. GreenTech wird in Deutschland als eine wichtige Technologie damit anerkannt. Es ist nicht nur mit einem positiven politischen Umfeld für neue Projekte unter der künftigen Regierung zu rechnen. Start-Ups mit innovativen Ideen zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit dürften zudem in Deutschland auch viele neue Fördermöglichkeiten finden.

 

IV. Innovation und Wettbewerb

Auch in den Bereichen Innovation und Wettbewerb will die neue Bundesregierung punkten. Dazu gehören die folgenden Ziele:
 
  • Start-Up & Gründerförderung soll ein wichtiges Instrument der deutschen Wirtschaft werden und die unternehmerische Kultur in Deutschland noch weiter fördern.
  • Bürokratisierung für Gründer soll abgebaut werden, Mittelstand und Handwerk sollen gefördert werden.
  • Die Wettbewerbsfähigkeit („Level Playing Field“) zwischen (lokalen) Unternehmen und digitalen Großmodellen soll gesichert werden. Regionale Transformationscluster sollen gefördert werden. Damit sagt die zukünftige Bundesregierung auch den großen Tech-Firmen aus dem Silicion Valley einen stärkeren Wettbewerb an. Der deutsche Mittelstand, der das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet, soll auf diese Weise stark bleiben.
  • Die gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen auf 3,5% des BIP erhöht werden. Ausgründungen aus Universitäten und Forschungseinrichtungen sollen gefördert werden. Deutschland stellt sich damit dem internationalen Forschungs- und Entwicklungswettbewerb. Die Start-Up-Kultur in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die insbesondere in den USA viel ausgeprägter ist als in Deutschland, soll damit stark gefördert werden.
  • Der Open-Data (Zugang zu staatlichen Daten) soll gestärkt werden, insb. für Start-Ups.

Die neue Bundesregierung setzt also auch im Bereich der Wirtschaft auf Wettbewerb und Innovation mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Das zeigt auch das Ziel, die führende Nation für die Elektromobilität in der Welt zu werden. Unternehmen und Gründer, die sich damit den Zielen Digitalisierung und Nachhaltigkeit verschreiben, könnten in der neuen Legislaturperiode damit in Deutschland ein starkes Umfeld finden.
Natürlich enthält das Sondierungspapier noch viele weitere wichtige Punkte, über die wir gerne persönlich mit Ihnen sprechen. Wichtig dürfte jedenfalls für viele Unternehmen noch sein: Steuern sollen nicht erhöht werden. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass noch die große Frage hinter dem Programm steht, wie es finanziert werden soll, wenn gleichzeitig steuerliche Belastungen nicht steigen sollen. Einzelheiten werden dann die Koalitionsverhandlungen zeigen.

 

Ausblick

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, GovTech und GreenTech – für Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, könnte das Programm einer möglichen zukünftigen Bundesregierung aus SPD, Bündnis  90/Die Grünen und FDP tatsächlich ein hoffnungsvolles Bild der künftigen Regierung zeigen. Für alle anderen heißt es, sich schnell auf die neuen Gegebenheiten anzupassen. Denn egal, wie der Koalitionsvertrag am Ende aussieht: Ein "Weiter so" wird es nicht geben. Nachhaltigkeit und Digitalisierung werden das deutsche Regierungsdenken prägen.
 

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