Die EU-Whistleblowing-Richtlinie: Q&A Deutschland | Fieldfisher
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Die EU-Whistleblowing-Richtlinie: Q&A Deutschland

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Am 11. und 12. Mai 2023 hat der deutsche Gesetzgeber das Hinweisgeberschutzgesetz ("HinSchG") verabschiedet, das am 2. Juli 2023 in Kraft getreten ist.

Das HinSchG gewährleistet den Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die gesetzlich vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Darüber hinaus werden Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.

Dies betrifft insbesondere Verstöße gegen Straf- und Bußgeldvorschriften sowie gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder und unmittelbar geltendes EU-Recht. Des Weiteren verpflichtet das HinSchG bestimmte Unternehmen dazu, interne Meldestellen für Whistleblower einzurichten.

 

1.  Auf welche Unternehmen findet das HinSchG in welcher Form Anwendung?

  • Unternehmen mit regelmäßig zwischen 50 und 249 Arbeitnehmern sind dazu verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten. Für diese gilt eine Übergangsfrist, das heißt, sie haben noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit zur Einrichtung einer internen Meldestelle.
  • Unternehmen mit regelmäßig 250 oder mehr Arbeitnehmern sind sofort, d.h.. seit Inkrafttreten des HinSchG am 2. Juli 2023 dazu verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten.
  • Unabhängig von der Arbeitnehmerzahl gilt die Verpflichtung zur Einrichtung von Meldestellen für verschiedene Unternehmen im Finanzsektor seit dem 2. Juli 2023.

 

2.  Müssen einzelne Einheiten in größeren Strukturen separate Meldestellen einrichten?

Mehrere Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Arbeitnehmern können gemeinsame Meldestellen einrichten und betreiben. Die Pflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße abzustellen sowie zur Rückmeldung an die Whistleblower verbleibt aber bei den einzelnen Unternehmen.

In Konzernen kann grundsätzlich ebenfalls eine zentrale Meldestelle für mehrere Unternehmen und Länder genutzt werden, wobei lokale gesetzliche Besonderheiten zu beachten sind. Auch hier wird allerdings die Verantwortung dafür einen gemeldeten Verstoß weiterzuverfolgen und zu beheben bei der jeweiligen Konzerngesellschaft verbleiben.

 

3.  Welche Pflichten treffen die Unternehmen?

Unternehmen müssen interne Meldestellen einrichten und betreiben. Außerdem müssen sie Informationen über die interne Meldestelle sowie über alternative externe Meldestellen zur Verfügung stellen, beispielsweise direkt im Rahmen der Meldestelle oder im Intranet, per E-Mail oder Aushang. Nach der Meldung eines Verstoßes muss einem Whistleblower spätestens nach sieben Tagen eine Empfangsbestätigung zugesandt werden. Darüber hinaus müssen die notwendigen Folgemaßnahmen, wie Untersuchungen und Maßnahmen zur Abstellung des Verstoßes ergriffen werden. Die interne Meldestelle gibt der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung oder, wenn der Eingang nicht bestätigt wurde, spätestens drei Monate und sieben Tage nach Eingang der Meldung eine Rückmeldung. Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese.

 

4.  Welche Meldestellen gibt es und wie sind sie ausgestaltet?

Nach dem HinSchG können Unternehmen die interne Meldestelle bei sich oder bei externen Dienstleistern einrichten. Viele Unternehmen entscheiden sich für externe Dritte, um personelle Ressourcen zu sparen und um gleichzeitig für ein höheres Vertrauen bei den Hinweisgebern zu sorgen.

Alle internen Meldestellen müssen sicher und zuverlässig ausgestaltet sein und Meldungen in mündlicher oder in Textform sowie auf Wunsch in persönlicher Form ermöglichen. Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen sollten daher vor Beginn Ihrer Tätigkeit geschult werden, um über die notwendige Fachkunde zu verfügen. Die ausgewählten Mitarbeiter sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig. Sie dürfen neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten im Unternehmen wahrnehmen. Es ist dabei allerdings sicherzustellen, dass die anderen Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen.

Neben internen Meldestellen in Unternehmen gibt es externe Meldestellen bei Behörden, auf Bundesebene beispielsweise im Bundesamt für Justiz.

 

5.  Können sich Whistleblower sowohl an interne als auch an externe Meldestellen richten?

Whistleblower haben grundsätzlich ein Wahlrecht, ob sie sich an eine interne Meldestelle im Unternehmen oder an eine externe Meldestelle wenden. Sie sollen laut HinSchG allerdings die interne Meldestelle bevorzugen, soweit intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind. Um Unternehmen sollten daher interne Meldestelle möglichst vertrauenswürdig gestalten und somit Anreize dafür schaffen, dass sich Whistleblower bevorzugt an interne Meldestellen wenden.

 

6. Müssen Unternehmen anonyme Meldungen ermöglichen und anonym eingehende Meldungen bearbeiten?

Nach dem HinSchG besteht keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Nichtsdestotrotz sollte die interne Meldestelle idealerweise aber auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten.

 

7.  Welche Bußgelder drohen?

Wenn ein Unternehmen der Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nicht nachkommt, drohen ab dem 1. Dezember 2023 Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 20.000.

Für die Behinderung einer Meldung oder der anschließenden Kommunikation (oder den Versuch), das Ergreifen einer Repressalie (oder der Versuch) sowie die Verletzung der gebotenen Vertraulichkeit kommen ab sofort Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 50.000 in Betracht. In Ausnahmefällen ist sogar eine Verzehnfachung des Bußgeldrahmens möglich.



8.  Woran sollten Arbeitgeber in Deutschland sonst noch denken?

  • Unternehmensverantwortliche sollten zügig prüfen, ob sie vom HinSchG betroffen sind und die entsprechenden Maßnahmen zur Errichtung eines Hinweisgebersystems treffen. Dabei sollten insbesondere Zuständigkeiten und Abläufe frühzeitig geregelt und die Vertraulichkeit von Meldungen sichergestellt werden.
  • Sofern im Unternehmen ein Betriebsrat besteht, müssen dessen Beteiligungsrechte beachtet werden.
  • Whistleblower sind durch das HinSchG umfassend vor Repressalien geschützt und es greifen zu ihren Gunsten verschärfte Beweisregeln. Unternehmen sollten daher arbeitsrechtliche Maßnahmen genau dokumentieren, um beweisen zu können, dass eine getroffene arbeitsrechtliche Maßnahme nicht mit einer vorangegangenen Meldung eines Hinweisgebers im Zusammenhang steht.

 

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