Die Abwehr unzulässiger Vergabebedingungen in öffentlichen Ausschreibungen für Software- und Cloud-Anbieter | Fieldfisher
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Die Abwehr unzulässiger Vergabebedingungen in öffentlichen Ausschreibungen für Software- und Cloud-Anbieter

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Unternehmen mit US-Bezug werden vermehrt schon durch die Vergabebedingungen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Das betrifft vor allem – aber nicht nur – Software-Anbieter sowie Anbieter von Cloud-Dienstleistungen.  Sie können an öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr teilnehmen, weil die öffentlichen Stellen in Deutschland Bedingungen formulieren, die sie nicht erfüllen können. Doch gegen solche Bedingungen können sich Unternehmen zur Wehr setzen. Dabei laufen enge Fristen. Wir haben Mandanten hierbei erfolgreich vertreten.

 

DSGVO als Ausschlussgrund

Öffentliche Auftraggeber müssen die Vergabe von Dienstleistungen oder den Einkauf von Waren in Deutschland und in der EU ab bestimmten Stellenwerten ausschreiben. Vor allem bei umfangreichen Software-Beschaffungen werden solche öffentlichen Ausschreibungen notwendig.

Die Vergabebedingungen unterscheiden dabei – grob zusammengefasst und vereinfacht – zwischen Eignungskriterien und Wertungskriterien. Eignungskriterien sind solche, die jedes Unternehmen erfüllen muss, damit es überhaupt ein Angebot abgeben kann, das gewertet wird. Wertungskriterien sind dagegen solche, nach denen dann unter den die Eignungskriterien erfüllenden Angeboten entschieden wird, wer den Auftrag erhält (zum Beispiel Preis oder Qualität der Leistung).

Kopfschmerzen bereiten Unternehmen mit US-Bezug derzeit die Eignungskriterien. Die öffentlichen Auftraggeber definieren unter Berufung auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) solche Kriterien, mit denen sie bereits aus der Eignung herausfallen. Damit können die Unternehmen nicht einmal ein Angebot abgeben. Ein Beispiel für eine solche Bedingung in einer jüngst veröffentlichen Ausschreibung in Bayern:

"1.1.4: Verarbeitung der Support- und personenbezogenen Daten gem. DSGVO:
Die Verarbeitung jeglicher personenbezogener Daten des Auftraggebers inklusive der für die Support-Abwicklung gespeicherten Daten (u.a. Ticketinformationen) erfolgt durch den Auftragnehmer unter vollständiger Einhaltung gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) innerhalb der EU und den EWR sowie in Staaten, für die ein Angemessenheitsbeschluss gem. Art. 45 DSGVO besteht…"

Die Bedingung schloss damit vor allem solchen Anbieter von einer Teilnahme an der öffentlichen Ausschreibung aus, bei denen (personenbezogene) Daten technisch auch auf Servern in den USA gespeichert oder verarbeitet werden. Das betrifft eine Vielzahl von Software- und Clouad-Anbietern. Die Bedingung stand scheinbar im Einklang mit einer Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg, die Mitte Juli 2022 grob zusammengefasst entschieden hatte, dass öffentliche Stellen keine Angebote von Tochtergesellschaften US-amerikanischer Cloud-Anbieter berücksichtigen dürften. In dem konkreten Fall wurden technisch noch nicht einmal Daten in die USA übermittelt. Letztlich ist diese Entwicklung bei der öffentlichen Hand eine Folge des Schrems II-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Juli 2020, nach dem es von einigen Vertretern in der öffentlichen Hand als generell nicht mehr möglich angesehen wurde, personenbezogene Daten auf Basis des Prvacy Shields in die USA zu übermitteln. Selbst bei Tochterfirmen bestünde aber diese Gefahr noch – mit einem möglichen Zugriff der US-Geheimdienste, so die Vergabekammer Baden-Württemberg (Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.07.2022, Az.: VK 23/2).

 

Unzulässiger Ausschluss

Doch ein genereller Ausschluss für Anbieter insbesondere mit US-Bezug sollte in der Regel rechtlich kritisch gewürdigt werden.

§ 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) regelt im deutschen Recht drei zentrale Prinzipien des Vergaberechts, nämlich
  • Transparenz

  • Nichtdiskriminierung bzw. Gleichbehandlung und

  • Wettbewerb.

Wichtig ist in solchen Fällen insbesondere das Gebot der Nichtdiskriminierung für Anbieter mit US-Bezug. Die Nichtdiskriminierung wiederum beinhaltet, dass für alle Bieter die gleichen Startbedingungen im Wettbewerb vorliegen. Die Vergabestellen dürfen damit keine Eignungskriterien festlegen, die inländischen Bietern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen oder ausländische Bieter benachteiligen.

Verletzt sein könnte bei Bedingungen wie eingangs genannt insbesondere der § 31 Abs. 1 der Vergabeverordnung (VgV) und die darin verankerte und bieterschützende (§ 97 GWB) Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, die Leistungsbeschreibung im Sinne des § 121 GWB in einer Weise abzufassen, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt und die Öffnung des nationalen Beschaffungsmarkts für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindert. Diese Verpflichtung findet ihre Wurzeln in Art. 42 Abs. 2 der EU-Vergaberichtlinie, die wiederum bestimmt, dass die technischen Spezifikationen “allen Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewähren [müssen] und die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern" dürfen.

Durch Mindestanforderungen wie die eingangs genannten sind solche Bieter kategorisch vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, die personenbezogenen Daten des öffentlichen Auftraggebers außerhalb der EU und dem EWR sowie der Staaten, für die ein Angemessenheitsbeschluss gemäß Art. 45 DSGVO vorliegt, verarbeiten. Durch Aufnahme solcher konkreten Bestimmungen könnte sich der öffentliche Auftraggeber daher für eine Beschränkung des Wettbewerbs zu Lasten solcher Bieter entschieden haben – und damit gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen haben. Ob das so ist, bedarf dann einer Prüfung im Einzelfall – gerade wenn die Bieter hohe Sicherheitsmaßnahmen haben, erscheint ein solcher Ausschluss nicht rechtmäßig.

 

Bei der Rüge gelten enge Fristen

Gegen solche Vergabebedingungen muss sich ein Unternehmen mit einer vergaberechtlichen Rüge wehren. Nur wenn eine solche Rüge erfolglos erhoben wurde, kann der Anbieter anschließend ein gerichtliches Nachprüfungsverfahren einleiten (§ 160 Abs. 3GWB).

Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, sind spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Im Übrigen sind Verstöße gegen Vergabevorschriften innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach Kenntnis gegenüber dem Auftraggeber zu rügen.

Die Rüge ist hierbei an keine bestimmte Form gebunden. Eine Schriftform wird vom Vergaberecht nicht vorgeschrieben; dennoch ist es schon aus Beweisgründen ratsam, die Rüge schriftlich zu erheben und diese vorab per Fax zu versenden.

In der Rüge muss der Antragsteller darlegen, warum die Ausschreibungsbedingungen gegen geltendes Recht verstoßen. Auch wenn keine besondere Form vorgeschrieben ist, sind damit ausreichende tatsächliche und rechtliche Gründe darzulegen, warum die Ausschreibungsbedingungen rechtswidrig sind.

Wichtig: Es darf nicht abgewartet werden, bis eine Entscheidung über den Auftrag an einen Konkurrenten vergeben wurde. § 107 Abs. 3 GWB bestimmt, dass ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, soweit der Antragsteller den Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Die Rüge bildet das zwingend zu durchlaufende Vorverfahren für eine formale Überprüfung durch die Vergabekammer und den Vergabesenat. Die ausschreibende Stelle soll eine letzte Chance erhalten, die etwaigen Fehler im Vergabeverfahren von sich aus abzustellen. Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen in den Vergabebedingungen ein unzulässiges Eignungskriterium erkennt, muss es zwingend eine Rüge schon während der laufenden Ausschreibung erheben, um seine Rechte zu wahren.
 

Wir haben für Mandanten auch in 2022 Rügen gegen unzulässige Vergabebedingungen erhoben und die Ausschreibungsbedingungen wurden aufgehoben. Solche Rügen können also erfolgreich sein. Es verwundert daher nicht, dass auch das Oberlandesgericht Stuttgart die hier dargestellte Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg aufgehoben hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7.9.2022, Az.: 15 Verg 8/22). Es ist also möglich für Firmen mit US-Bezug, sich gegen unzulässige Ausschreibungsbedingungen zu wehren. Doch es gibt enge Fristen, eine Rüge muss innerhalb von 10 Kalendertagen nach Kenntnis von der Unzulässigkeit der Bedingung erhoben werden. Zögern Sie daher bitte nicht, uns anzusprechen.

 

Über den Autor

Dennis Hillemann ist Partner im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er vertritt Unternehmen gegenüber Behörden und vor Gericht, auch und insbesondere im Bereich der Privacy Litigation.
 
 

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