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Deutscher Gesetzgeber: Bundestag verabschiedet Hinweisgeberschutzgesetz

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Update 10. Februar 2023: Trotz anderweitiger Vorzeichen hat das Hinweisgeberschutz heute im Bundesrat keine Mehrheit gefunden!
 
Mehrere Bundesländer haben dem Gesetz ihre Stimmen verweigert. Ein wesentlicher Kritikpunkt einiger Bundesländer scheint weiterhin die vorgesehene Möglichkeit zu sein, auch anonymen Hinweisen nachzugehen. Sowohl Bundesrat als auch Bundestag haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Da die Umsetzungsfrist der dem Gesetz zugrundeliegenden EU-Richtlinie bereits 2021 verstrichen ist, muss die Umsetzung zeitnah erfolgen.
 
Auch wenn das Inkrafttreten des Gesetzes samt verpflichtender Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben (Stichwort: Einrichtung von Meldestellen) sich nunmehr verschieben dürfte, sollten betroffene Unternehmen bereits jetzt tätig werden. Entsprechende Handlungsempfehlungen finden Sie in dem nachfolgendem Artikel.

 

Der Bundestag hat am 16. Dezember 2022 das neue Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet. Nach Zustimmung des Bundesrats (ggf. bereits am 10. Februar 2023) tritt das Gesetz drei Monate nach Verkündung in Kraft, was bereits Ende des ersten Halbjahrs 2023 der Fall sein kann.


Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes

Das Hinweisgeberschutzgesetz dient dem Schutz natürlicher Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen zu Verstößen erlangen und diese melden, vor Repressalien durch den Arbeitgeber. In sachlicher Hinsicht, also für welche meldefähigen Verstöße der Hinweisgeberschutz greift, umfasst das Hinweisgeberschutzgesetz diverse Rechtsakte des EU-Rechts aus den Bereichen Energie, Verbraucherschutz, Lebensmittel, Wettbewerbsrecht etc. Ferner werden auch Meldungen zu Verstößen nach nationalem Recht erfasst, soweit es sich um straf- (Straftaten) oder bußgeldbewehrte (Ordnungswidrigkeiten) Verstöße handelt, soweit letztere dem Schutz von Gesundheit, Leben, Leib oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Ferner werden z.B. nicht nur Verstöße gegen das europäische Kartellrecht, sondern auch gegen deutsche Kartellrechtsvorschriften des GWB in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen.

 

Anforderungen an Unternehmen

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sog. "interne Meldestelle"). Hierbei handelt es sich laut dem Bundesministerium der Justiz um das "institutionelle Kernstück des Hinweisgeberschutzsystems". Danach gilt die Einrichtung einer internen Meldestelle:
  • für Beschäftigungsgeber mit mehr als 250 Mitarbeitern sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes (= drei Monate nach Verkündung des Gesetzes).
  • für Beschäftigungsgeber mit mehr als 50 Mitarbeitern (und bis 249 Mitarbeitern), vermutlich ab dem 17. Dezember 2023. 
  • Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 50 und 249 Mitarbeitern können gem. § 14 Abs. 2 Hinweisgeberschutzgesetz-E eine "gemeinsame Meldestelle“ betreiben.
  • Die Meldestelle muss nicht im Unternehmen selbst angesiedelt sein, sondern kann durch Dritte - z.B. (extern) durch eine Anwaltskanzlei – betrieben werden.
     
Mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung des Meldeverfahrens müssen Unternehmen Folgendes beachten:
  • Meldekanäle müssen mündliche, schriftliche und persönliche Eingaben ermöglichen;
  • Meldestellen müssen anonyme Meldungen akzeptieren und aufklären;
  • Meldestellen müssen durch Mitarbeiter betrieben werden, die Arbeit unabhängig und fachkundig ausüben; und
  • Der Eingang einer Meldung muss innerhalb von sieben Tagen bestätigt und spätestens drei Monate nach Eingang muss dem Hinweisgeber Rückmeldung über geplante oder bereits ergriffene Maßnahmen zur Aufklärung gegeben werden.
     
 

Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer

Kernelement ist das Verbot von Repressalien, also aller ungerechtfertigter Nachteile (z.B. Abmahnung oder Kündigung), die ein Hinweisgeber infolge einer Meldung oder Offenlegung erfährt. Gewahrt werden soll dies durch ein gesetzlich vorgeschriebenes Vertraulichkeitsgebot, wonach die Identität des Hinweisgebers nur den für die Bearbeitung der Meldung zuständigen Personen bekannt sein darf. Für den Fall erlittener Repressalien sieht das Hinweisgeberschutzgesetz einen Schadensersatzanspruch des Hinweisgebers vor. Zu Gunsten des Hinweisgebers streitet ferner die gesetzliche Vermutung, dass Nachteile im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Nachgang einer Meldung Repressalien im Sinne des Gesetzes darstellen (= Beweislastumkehr: Es obliegt dem Unternehmen nachzuweisen, dass zwischen erlittenen Repressalien und einer Meldung keinerlei Verbindung besteht).

 

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Unternehmen sollten nunmehr die folgenden Handlungsempfehlungen berücksichtigen:
 
  • Unmittelbare Umsetzung der Vorgaben:
    Sofern nicht bereits erfolgt, sollte bereits jetzt geprüft werden, ob ein Unternehmen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und, sofern dies der Fall ist, mit der Einrichtung professioneller Compliance-Strukturen begonnen werden.

     
  • Deutliche unternehmensinterne Kommunikation zu internen Meldestellen:
    Sodann ist es wichtig, das Vorhandensein und die Notwendigkeit einer internen Meldestelle gegenüber der Belegschaft klar zu kommunizieren, um Hemmschwellen abzubauen und die Akzeptanz im Unternehmen zu erhöhen. Wichtig ist eine klare und leicht verständliche Darstellung relevanter Informationen sowie die klare Herausstellung der Vertraulichkeit und des Schutzes vor Repressalien im Falle einer Meldung.

     
  • Schaffung von "Attraktivität" hinsichtlich des internen Meldesystems:
    Es ist für Unternehmen von wesentlicher Bedeutung, ob ein Hinweisgeber mögliche Verstöße wie z.B. wettbewerbswidrige Absprachen gegenüber der internen Meldestelle kommuniziert, oder aber gegenüber dem Bundeskartellamt als externe Meldestelle. In Falle einer internen Meldung besteht die Möglichkeit, den Sachverhalt hinreichend zu ermitteln, den Verstoß abzustellen und z.B. die Stellung eines Kronzeugenantrags bei den Kartellbehörden in Erwägung zu ziehen. Bei einem Hinweis direkt an das Bundeskartellamt werden ggf. Ermittlungen aufgenommen, die nicht selten in langwierigen sowie bußgeldbewehrten Kartellverfahren münden.
     
 

Verhältnis zum Beschwerdesystem gem. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene LkSG sieht die Einrichtung einer Beschwerdestelle zur Meldung umweltrechtlicher und menschenrechtlicher Risiken in der Lieferkette vor. Ein Vergleich mit den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes zeigt, dass sich die Meldeverfahren verbinden lassen.
 
  • Beschwerdestelle nach LkSG
    Die Pflicht zur Einrichtung einer Beschwerdestelle nach LkSG gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern im Inland und ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Anders als nach dem Hinweisgeberschutzgesetz können alle potentiell in der Lieferkette Betroffenen einen Verstoß melden. Informationen zum Beschwerdeverfahren müssen öffentlich zugänglich gemacht und das Verfahren barrierefrei ausgestaltet werden, um eine niedrigschwellige Erreichbarkeit sicherzustellen. Zum Vorgehen im Fall einer Meldung gibt es im LkSG teils vom Hinweisgeberschutzgesetz abweichende Vorgaben, etwa zu Fristen oder der Fachkunde der mit dem Verfahren betrauten Personen. Zwar sieht das LkSG keine verpflichtende anonyme Meldemöglichkeit vor, doch ist eine solche auch nicht ausgeschlossen. Zudem gelten Grundsätze des Hinweisgeberschutzes wie die Vertraulichkeit sowie der Schutz vor Benachteiligungen aufgrund einer Meldung für beide Verfahren.
 
  • Möglichkeit eines integrierten Beschwerdekanals
    Trotz einiger Unterschiede bietet sich die Einrichtung eines gemeinsamen Beschwerdekanals an, um die Anforderungen des LkSG und des Hinweisgeberschutzgesetzes zu erfüllen. Auch wenn im weiteren Verfahren etwa bezüglich einzelner Verfahrensvorgaben oder Aufbewahrungspflichten nach dem jeweiligen Beschwerdeverfahren zu differenzieren ist, spart ein gemeinsamer Beschwerdekanal Ressourcen und beugt der Unübersichtlichkeit vor.

Nähere Informationen zum Anwendungsbereich, dem Beschwerdesystem sowie weiteren Vorgaben des LkSG finden sich hier: Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten | Fieldfisher.

 

Weiterführende Informationen

Neben den angerissenen Punkten des Hinweisgeberschutzgesetzes stellen sich v.a. auch für Konzerne ganz wesentliche Praxisfragen betreffend die tatsächliche Umsetzung der in Zukunft verpflichtenden Meldeverfahren.
Weitergehende Ausführungen zu dem Hinweisgeberschutzgesetz sowie einen Anriss der potentiellen Schwierigkeiten für eine konzernweite Umsetzung eines unternehmensinternen Meldesystems finden sich hier: Umfassendes Schutzsystem: Bundestag verabschiedet Hinweisgeberschutzgesetz 

 

Link:

  • Der aktuelle Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes in der Form, wie er den Bundestag passiert hat, findet sich unter 2004909.pdf (bundestag.de)
 
 

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