Das deutsche Preisrecht: Grundlagen und seine Bedeutung für öffentliche Auftragsvergaben | Fieldfisher
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Das deutsche Preisrecht: Grundlagen und seine Bedeutung für öffentliche Auftragsvergaben

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Das deutsche Preisrecht ist ein komplexes und oft missverstandenes Rechtsgebiet, das für viele Verbraucher und Unternehmen von großer Bedeutung ist. Wir möchten Ihnen in diesem Artikel einen leicht verständlichen Überblick über die Grundlagen und die aktuellen Entwicklungen geben. Dabei werden wir auch auf häufige Fragestellungen und Fallstricke eingehen, um Ihnen ein besseres Verständnis der Materie zu ermöglichen. Egal, ob Sie Unternehmer, Verbraucher oder einfach nur interessiert sind - dieser Beitrag wird Ihnen einen Einstieg in die Materie des Preisrechts bieten und darstellen, wie es unser aller Alltag stets beeinflusst!

 

I. Allgemeines zum deutschen Preisrecht

Das Preisrecht regelt das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe, konkret die Preisgestaltung bei öffentlichen Aufträgen. Im Vordergrund steht dabei die sparsame und wirtschaftliche Verwendung von öffentlichen Mitteln. Im Unterschied im Vergaberecht, regelt das Preisrecht die Zulässigkeit des vergaberechtlich ermittelten Preises.

Bei allen Aufträgen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände oder sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts unterliegt die Preisbildung der „Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen“ (VO PR Nr. 30/53 im Folgenden "PreisVO"). Demnach sind grundsätzlich Marktpreise zu vereinbaren. Ist dies nicht möglich, erfolgt eine Abrechnung der Leistungen nach den „Leitsätzen zur Preisbildung auf Grund von Selbstkosten“ (LSP).

Die PreisVO regelt die Preisbildung im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge und soll hier für eine wettbewerbsorientierte, marktwirtschaftliche Preisbildung sorgen. Zu diesem Zweck greift sie in die freie Preisbildung zwischen Anbieter und Interessenten ein, indem sie verschiedene Grundsätze der Preisbildung und -berechnung aufstellt und sowohl deren Verfahren als auch die zulässige Höhe von Preisen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge festlegt.

Das Preisrecht gewährleistet, dass die öffentlichen Auftraggeber zu Marktpreisen, also Preisen einkaufen, die sich nach wettbewerblichen Grundsätzen gebildet haben. Bei der Preisvereinbarung für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge sind grundsätzlich Marktpreise im Sinne der Verordnung vorrangig.

Lässt sich dies nicht realisieren, kommen höchstzulässige Selbstkosten zum Tragen. Soweit die Verhältnisse des Auftrags dies ermöglichen, sind feste Preise zu vereinbaren. Das Höchstpreisprinzip besagt, dass keine höheren Preise gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden dürfen, als nach den Verordnungsbestimmungen zulässig ist. Dieser sogenannte Höchstpreischarakter stellt ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar.

Die tragenden Grundsätze des Preisrechts sind:
  • Der Vorrang des Einkaufs zu Marktpreisen, soweit möglich,
  • die Vereinbarung von festen Preisen,
  • Selbstkosten nur im Ausnahmefall und der
  • Höchstpreischarakter der Vorschriften.

Die Kontrolle der Einhaltung des Preisrechts erfolgt im Wege der Preisprüfung nach §§ 9 ff. PreisVO durch sogenannte Preisbehörden, die im Verhältnis zu Auftraggebern und Auftragnehmern eine neutrale Stellung einnehmen sollen.

Im konkreten Beschaffungsverhältnis schützen die Preisbildungsregeln den öffentlichen Auftraggeber vor unangemessenen Preisen und dienen damit mittelbar dem Schutz der öffentlichen Haushalte. Dem Auftragnehmer garantiert die PreisVO im praktischen Ergebnis für seine Leistung eine marktangemessene Gegenleistung bzw. wenigstens den Ausgleich der ihm entstandenen Kosten, einschließlich eines kalkulatorischen Gewinns, selbst wenn er seine Leistung nur einem einzigen Nachfrager anbieten kann. Im Fall von Selbstkostenpreisen legen die LSP die kalkulatorischen Grundlagen fest und schaffen dadurch Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien.

 

II. Preisüberprüfungsverfahren gem. § 9 PreisVO

Das Preisprüfungsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren iSd. § 9 VwVfG. Eine Preisprüfung nach § 9 PreisVO kann auf Antrag des Auftraggebers, auf Antrag des Auftragnehmers oder auf Initiative der für die Preisbildung und Preisüberwachung zuständigen Behörden durchgeführt werden.

Zunächst muss die zuständige Prüfbehörde die notwendigen Informationen für ihre Beurteilungsgrundlage sammeln, um die Höchstpreisgrenze des § 1 Abs. 3 PreisVO für den in Rede stehenden Auftrag bestimmen zu können. Das Preisprüfverfahren endet mit einem Prüfungsbericht. Das Prüfungsergebnis ist also nicht mehr als eine Stellungnahme der Preisbehörde über die Einhaltung der Preisbestimmungen und kann daher nicht Gegenstand eines Widerspruches oder einer Anfechtungsklage sein. Es handelt sich um eine Auskunft mit gutachterlichem Charakter (Prüfungsgutachten), die keine Bindungswirkung für Auftraggeber und Auftragnehmer entfaltet.

Für die Überprüfung durch die Preisaufsicht und die Zulässigkeit des Preises besteht für den Auftragnehmer eine Nachweispflicht. Erweitert wird das die Amtsermittlung der Prüfbehörde ermöglichende Pflichtenbündel durch die Pflichten zur Auskunftserteilung nach Abs. 2 S. 2 und zur Duldung der Betriebsbesichtigung gem. Abs. 3. Die Wahrnehmung dieses hoheitlichen Prüfungsrechts steht dem Grunde und dem Umfang nach im pflichtgemäßen Ermessen der Preisaufsicht.

Nach § 1 Abs. 3 PreisVO dürfen für öffentliche Aufträge keine höheren Preise als jene, die nach den o.g. Regelungen zulässig sind, gefordert werden. Ein derartiger Verstoß führt dazu, dass ein Angebot nach vergaberechtlichen Grundsätzen als nicht wirtschaftlich betrachtet wird und daher keinen Zuschlag erhalten soll. Selbst wenn auf ein derartiges, gegen Preisrecht verstoßendes Angebot der Zuschlag erteilt würde, ist ein diesem folgender Vertrag nach § 134 BGB teilnichtig, so dass der Vertrag nur zu dem zulässigen Preis zustande gekommen ist und – trotz anderen Inhalts – kein höherer gefordert werden kann.

Eine unrichtige Preiskalkulation kann gemäß § 11 PreisVO i. V. m. § 3 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) darüber hinaus den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. Im Rahmen dieses oder eines selbständigen Verfahrens kann der Auftragnehmer nach § 11 Abs. 2 S. 1 bzw. § 10 WiStG zur Rückführung des unberechtigt erzielten Mehrerlöses an den Auftraggeber verpflichtet werden. Dieser kann – unter dem Vorbehalt des § 817 S. 2 BGB – ferner nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) zurückgefordert werden.

 

III. Verjährung

Die Durchführung des Preisprüfungsverfahrens ist zeitlich nicht begrenzt. Insbesondere die Verjährungsfristen für die Ahndung von Zuwiderhandlungen führen nicht zur Unzulässigkeit preisaufsichtlicher Maßnahmen nach § 9 VO PreisVO.  Allerdings ergibt sich aus § 9 Abs. 1 S. 1 und S. 2 PreisVO, dass die Preisprüfung anhand der auftragsbezogenen Unterlagen des Auftragnehmers stattfindet, zu deren Aufbewahrung er nach § 9 Abs. 1 S. 3 PreisVO nur während eines Zeitraums von fünf Jahren verpflichtet ist (mittlerweile seit 2021 10 Jahre).

Der mögliche bereicherungsrechtliche Rückerstattungsanspruch unterliegt gem. § 195 BGB einer Regelverjährung von 3 Jahren, gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Auftraggeber von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müsste. Gem. § 199 Abs. 4 BGB verjährt der Anspruch unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis zehn Jahre nach seiner Entstehung, also dem Zeitpunkt der Überzahlung.

 

IV. Rechtsschutz/Rechtsbehelfe

Soweit Verwaltungsakte streitbefangen sind, kann der Auftragnehmer verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Preisaufsichtsbehörde im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO suchen. Dies betrifft insbesondere die Maßnahmen zur Untersuchung des Sachverhalts (Preisprüfungsmaßnahmen) auf der Grundlage des § 9 PreisVO sowie den Einsatz diesbezüglicher Verwaltungszwangsmittel, wenn und weil ihnen Regelungsqualität zukommt.  Fehlt es daran, kommen die allgemeine Leistungsklage oder hilfsweise die Feststellungsklage in Betracht.

Dem Prüfungsbericht fehlt es mangels unmittelbarer Regelungswirkung an einer notwendigen Qualität als Verwaltungsakt, sodass vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG eine gerichtliche Überprüfbarkeit dieses Verwaltungshandeln mittels Leistungs- oder Feststellungsklage gegeben sein muss.

Die Ausgestaltung des Preisprüfungsberichts als ein verwaltungsinternes Handeln ohne Regelungswirkung für die Parteien des zu prüfenden Auftrags führt dazu, dass es nur sehr wenige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen dazu gibt.

 

V. Zuständigkeit richtet sich nach Landesrecht

Welche Stellen innerhalb eines Landes als Preisbildungsbehörde bzw. Preisüberwachungsbehörde fungieren, ist im Landesrecht geregelt. Regelmäßig sind die Preisbehörden bei den Bezirksregierungen/Regierungspräsidien angesiedelt.  Die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen der Preisverordnung obliegt den Preisüberwachungsstellen der Bundesländer. Maßgebend für die Zuständigkeit ist der Ort, an dem der Auftragnehmer sein Rechnungswesen führt, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. VwVfG.

 

VI. Fazit

Das deutsche Preisrecht regelt die Preisgestaltung bei öffentlichen Aufträgen und dient der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von öffentlichen Mitteln. Damit findet es im Alltag vielerlei Anwendungspunkte. Als tragende Grundsätze sind dabei stets der Vorrang des Einkaufs zu Marktpreisen, die Vereinbarung von festen Preisen sowie im Ausnahmefall von Selbstkosten zu berücksichtigen. Die PreisVO legt das Verfahren und die zulässige Höhe von Preisen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge fest.

Die Kontrolle der Einhaltung des Preisrechts erfolgt durch Preisbehörden, die im Verhältnis zu Auftraggebern und Auftragnehmern eine neutrale Stellung einnehmen sollen. Bei unrichtiger Preiskalkulation kann dies zu wirtschaftsstrafrechtlichen Konsequenzen führen. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Preisaufsichtsbehörde kann durch Anfechtungsklage oder allgemeine Leistungsklage gesucht werden.

Die Zuständigkeit der Preisüberwachungsstellen richtet sich nach Landesrecht. Das Preisprüfverfahren endet mit einem Prüfungsbericht, der jedoch keine Bindungswirkung für Auftraggeber und Auftragnehmer entfaltet.

Insgesamt wird deutlich: Das deutsche Preisrecht hat in der Praxis viele Berührungspunkte, wird dabei aber auch durch viele zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Rechtsbereiche reguliert. Es handelt sich also durchaus um eine komplexe Materie, die nicht unterschätzt werden sollte!

Sie haben Fragen zu einer preisrechtlichen Thematik? Wir als Team von Fieldfisher stehen Ihnen gerne anwaltlich beratend zur Seite – sprechen Sie uns einfach an!


Über die Autoren 

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit 2020 schwerpunktmäßig auch in den Corona-Hilfsprogrammen des Bundes und der Länder.

Jonna Aldick ist Rechtsanwältin im Hamburger Büro von Fieldfisher und berät schwerpunktmäßig im gewerblichen Mietrecht, daneben ebenfalls im öffentlichen Baurecht sowie Gesellschaftsrecht.


 

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