Bundeskartellamt stellt vierten Marktmachtbericht im Bereich elektrischer Energie vor | Fieldfisher
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Insight

Bundeskartellamt stellt vierten Marktmachtbericht im Bereich elektrischer Energie vor

10.08.2023

Locations

Germany

Das Bundeskartellamt (BKartA) hat den vierten Bericht über die Wettbewerbsverhältnisse bei der Erzeugung elektrischer Energie (Marktmachtbericht) für den Zeitraum Oktober 2021 bis März 2023 veröffentlicht.

 

Hintergrund
Die wettbewerbliche Bedeutung eines Unternehmens beurteilt das BKartA typischerweise anhand der Marktanteile. Da Strom als nicht permanentes Produkt nicht in großem Stil speicherbar bzw. akkumulierbar ist, ist diese Vorgehensweise zur Marktanalyse in diesem Fall allerdings nur beschränkt möglich. Deshalb wird von der Behörde vielmehr als ausschlaggebend betrachtet, in wie vielen Stunden im Jahr ein Anbieter für die Stromnachfrage unverzichtbar ist, um die Nachfrage zu decken (Pivolität).

Sofern ein oder mehrere Elektrizitätserzeuger eine dominante Position innehat, hat dies bedeutende Implikationen. Sie dürfen insbesondere ihre Erzeugungskapazitäten nicht künstlich reduzieren, um in Zeiten von Angebotsknappheit den Preis strategisch zu beeinflussen. Ein solches Verhalten wäre missbräuchlich.
Das Bundeskartellamt treffe mit dem Marktmachtbericht noch keine förmliche Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung, ordnet Mundt ein. Eine solche Feststellung könne letztlich nur im Rahmen einer konkreten Einzelfallentscheidung erfolgen. Das Überschreiten der Vermutungsschwelle für eine marktbeherrschende Stellung sei für die Unternehmen jedoch ein starkes Indiz dafür, dass sie mit ihrem Marktverhalten das kartellrechtliche Missbrauchsverbot beachten müssen. "Die künstliche Verknappung des Stromangebots wäre damit kartellrechtlich hochproblematisch.", so Mundt weiter.

Der Bericht
Laut dem Bericht haben sich die Marktverhältnisse im Jahr 2022 verfestigt. Im aktuellen Berichtszeitraum gab es jedoch auch einige besondere Veränderungen, konkret bei den inländischen Kraftwerkskapazitäten. Zu Beginn des Jahres 2022 wurden einige Kraftwerke, einschließlich dreier Atomkraftwerke, endgültig stillgelegt. Als Reaktion auf die Strompreiserhöhungen, bedingt durch den Ukrainekrieg, wurden die Betriebszeiten von drei Atomkraftwerken temporär ausgedehnt und einige Kohlekraftwerke über einen ausgedehnten Zeitraum hinweg wieder in Betrieb genommen. Die Marktmachtverhältnisse haben sich dabei laut dem Bericht trotz dieser krisenbedingten Kapazitätserweiterungen weiter verfestigt.

Im Hinblick auf die Marktverhältnisse behauptet sich RWE kontinuierlich als führender Elektrizitätsproduzent in Deutschland ausweislich des Berichts. Über jährlich zahlreiche Stunden hinweg stelle RWE eine essenzielle Instanz zur Deckung des deutschen Strombedarfs dar, wodurch das Unternehmen deutlich über die Vermutungsschwelle zur Marktbeherrschung hinausgehe. Die Unternehmen EnBW und LEAG nähern sich nach den Feststellungen des Marktmachtberichts dieser signifikanten Schwelle zunehmend an. In Zeiten, in denen der Bedarf hoch und die Zufuhr aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne limitiert sei, seien die Anlagen der drei zentralen Elektrizitätserzeuger laut des Berichts elementar zur Aufrechterhaltung eines stabilen Stromnetzes.

Kartellamtspräsident Mundt ordnet die Entwicklungen ein: „Stromimporte werden perspektivisch zunehmend unverzichtbar, um die Marktmacht der führenden inländischen Anbieter wettbewerblich in Schach zu halten. Über das gesamte Jahr betrachtet exportiert Deutschland zwar mehr Strom als es importiert. Diese Gesamtbetrachtung darf aber nicht über die Tatsachen und den wettbewerblichen Befund hinwegtäuschen: Ausländische Erzeugungskapazitäten sind vor allem dann für die Deckung der Nachfrage besonders wichtig, zum Teil sogar unerlässlich, wenn die inländische Stromerzeugung aus Wind und Sonne gering ist, die Stromnachfrage aber gleichzeitig hoch."

Ausblick
In Zukunft dürfte die wettbewerbliche Bedeutung von Stromimporten für eine Deckung der Nachfrage in knappen Zeiten und damit für die Begrenzung der Marktmacht der führenden Anbieter weiter zunehmen.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach Abschluss des Berichtszeitraums der Atomausstieg finalisiert wurde, während die temporären Kohlekraftwerksreaktivierungen zugleich schrittweise beendet werden. Zusätzlich sind weitere Stilllegungen von Kraftwerken, insbesondere im Zuge des Kohleausstiegs, geplant.
Vor diesem Hintergrund kündigte das BKartA bereits an, dass mit der Veröffentlichung des nächsten Marktmachtberichts voraussichtlich bereits vor Ablauf des gesetzlich vorgesehenen Zwei-Jahres-Turnus zu rechnen sei.

Quellen
Bundeskartellamt - Bericht zur Marktmacht auf den Stromerzeugungsmärkten 2022/23 vorgelegt
Marktmachtbericht 2022

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