BGH zeigt Datensammlung durch Facebook kartellrechtliche Grenzen auf | Fieldfisher
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BGH zeigt Datensammlung durch Facebook kartellrechtliche Grenzen auf

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Germany

Am 23.06.2020 beschloss der Bundesgerichtshof (BGH) im einstweiligen Verfahren, dass Facebook die vom Bundeskartellamt (BKartA) erlassene Abstellungsverfügung vom 15. Februar 2019, bezüglich der Speicherung und Verarbeitung von Nutzerdaten, vorerst bis zur Entscheidung in der Hauptsache umsetzen muss.
Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH im Ergebnis den Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook. Der BGH erklärt im Kern, dass Facebook jedenfalls auf dem deutschen Markt für soziale Medien eine marktbeherrschende Stellung hat und diese marktbeherrschende Stellung missbräuchlich nutzen würde.

Damit stellt sich der Kartellsenat des BGH dem Beschluss des Oberlandesgerichts ("OLG") Düsseldorf vom 26.08.2019  - VI - Kart 1/19 entgegen. In diesem hatte das OLG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung des BKartA geäußert. Im Hinblick auf die Internetwirtschaft gilt der Fall für das BKartA als einer der Wichtigsten seiner Art.

Das missbräuchliche Verhalten von Facebook sah der BGH, ausweislich der Pressemitteilung vom 23.06.2020, insbesondere darin, dass privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit gelassen würde, ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer "Off-Facebook"-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben. Diese Ausführungen dürften darauf hindeuten, dass hier Missbrauch im Form des Ausbeutungsmissbrauchs angenommen worden ist.

Zudem würde Facebook als marktbeherrschenden Netzwerkbetreiber eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des noch bestehenden bzw. potentiellen Wettbewerbs auf dem Markt sozialer Netzwerke treffen. Die hohen Wechselhürden für Nutzer (Lock-in-Effekte) und die damit einhergehende fehlende Wahlmöglichkeit der Facebook Nutzer würde zudem eine Ausbeutung der Nutzer darstellen, da der Wettbewerb, wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook, seine Kontrollfunktion nicht mehr ausüben könne. Hier bezieht sich der BGH auch auf die Ausführungen des BKartA. Das Amt stellte fest, dass viele Nutzer grundsätzlich nur in geringerem Umfang persönliche Daten preisgeben wollen. Diese Möglichkeit würde, so der BGH, bei funktionierendem Wettbewerb den Nutzern zur Verfügung stehen, sodass diese entsprechend ausweichen könnten.

Im Weiteren führte der BGH aus, dass Facebook die marktbeherrschende Stellung insbesondere durch direkte Netzwerkeffekte erreicht habe. Sowohl für Facebook, als auch für (potentielle) Wettbewerber sei der Zugang zu Daten für den betroffenen Markt für soziale Netzwerke entscheidend. So würde die derzeitige, erheblich größere Datenbasis weitere Lock-in- Effekte verstärken. Insoweit sei auch eine negative Auswirkung auf den Markt für Online-Werbung jedenfalls denkbar. Hier stellte der BGH außerdem fest, dass die Beeinträchtigung nicht auf dem beherrschten, sondern gleichwohl auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt erfolgen könne.
Das OLG Düsseldorf muss über die Beschwerde von Facebook noch im Hauptsacheverfahren entscheiden.
 
Zum Hintergrund

Das BKartA hatte in der Entscheidung argumentiert, dass Facebook ein marktbeherrschendes Unternehmen auf dem Markt der sozialen Netzwerke für private Nutzer sei. Demzufolge seien die Vorschriften der der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht, § 19 ff. GWB anzuwenden.
Dabei sah das BKartA die Datenverarbeitungskonditionen von Facebook als missbräuchlich im Sinne des § 19 GWB an, da diese als Folge von Marktmacht gegen Wertungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen und zum Nachteil privater Nutzer und Wettbewerber ergingen.

Das OLG Düsseldorf hatte in dem darauffolgenden Eilrechtsschutzverfahren, nachdem Facebook Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt hatte, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der der kartellbehördlichen Entscheidung geäußert. Das OLG Düsseldorf führte unter Anderem aus, dass kein Kausalzusammenhang zwischen den (möglicherweise bestehenden) Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften und einer ggf. bestehenden marktbeherrschenden Stellung von Facebook anzunehmen seien. 
 
Ausblick

Die Entscheidung des BGH ist ein Meilenstein zu kartellrechtlichen Grenzen für die Datensammlung durch Internet Plattformen. Nutzerdaten sind für große Internet Plattformen äußerst wichtig. Facebook hatte sehr weitreichende Datennutzungen in den Bedingungen festgelegt. Dieses hatte das BKartA als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bewertet. Der BGH hat dabei klargestellt, dass es nicht darauf ankommt, ob Facebook gegen die DSGVO verstößt. Vielmehr werden Nutzer im kartellrechtlichen Sinne ausgebeutet, weil sie keine Wahlmöglichkeit haben, was mit ihren Daten geschieht. Außerdem wird der Wettbewerb behindert auf dem Markt für soziale Netzwerke und der Wettbewerb auf dem Markt für Online-Werbung.
Der Gesetzgeber wird hier weitere Klarheit schaffen. Nach der Begründung des Entwurfs zur 10. GWB Novelle soll klar sein, dass ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen gegen das Kartellrecht verstoßen kann. Außerdem wird nach dem Referentenentwurf zur 10. GWB Novelle ein Anspruch auf Zugang zu Daten in das GWB aufgenommen.

Links

Entscheidung des BKartA

Entscheidung des OLG

Entscheidung des BGH

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