BGH schickt das Verbandsklagerecht in eine neue Runde | Fieldfisher
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BGH schickt das Verbandsklagerecht in eine neue Runde

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Jahrelang laufen bereits Rechtsstreitigkeiten um die Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden und Wettbewerbern wegen möglicher Datenschutzverstöße von Unternehmen. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits ein Klagerecht von Verbraucherverbänden bejaht hat (Urteil vom 28. April 2022 (C-319/20)), stand eine Entscheidung im Hinblick auf ein Klagerecht von Mitbewerbern noch aus. Doch die heutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) bringt keine Klarheit. Das Verfahren wurde erneut ausgesetzt, der Fall liegt wieder beim EuGH.
 
Doch worum geht’s hier eigentlich genau? Zugrunde liegen hier zwei Streitigkeiten zwischen Apothekern (Sachen I ZR 222/19 und I ZR 223/19). Die Beklagten vertreiben jeweils ihre Produkte über Amazon. Die Kläger rügen, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Online-Plattform verstoße einerseits gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits aber auch gegen datenschutzrechtliche Regelungen. Da die Beklagten im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Kunden verarbeiten, hätte hierfür auch die erforderliche Einwilligung eingeholt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Unabhängig von der Frage, ob es bei den Daten tatsächlich um Gesundheitsdaten geht, stellt sich hier die Frage, ob die konkurrierenden Apotheker überhaupt hätten Klage erheben dürfen.
 
Datenschutzrechtliche Regelungen – also vor allem die DSGVO oder in Deutschland auch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) – sind auf den Schutz personenbezogener Daten der betroffenen Personen, deren Daten erhoben, gespeichert und auf sonstige Weise verarbeitet werden, gerichtet. Wenn man genau hinschaut, geht es nicht um den Schutz der Daten selbst, sondern um den Schutz der Betroffenen. Verstößt ein Unternehmen gegen solche Bestimmungen, kann ein Betroffener unterschiedliche Ansprüche geltend machen, beispielsweise auf Beseitigung des Datenschutzverstoßes oder auch Schadensersatz verlangen. Daneben steht dem Betroffenen noch ein Beschwerderecht bei einer Datenschutzbehörde zu, die ggf. weitere Schritte wie Bußgelder oder auch Untersagungsverfügungen gegen das Unternehmen einleiten kann.
 
Schon vor Inkrafttreten der DSGVO im Jahr 2018 wurde diskutiert, ob Verstöße nach den Vorgaben der DSGVO auch von Verbraucherverbänden oder Wettbewerbern abgemahnt werden können und letztlich auch die Möglichkeit besteht, Verbandsklagen zum Schutz der Interessen der Betroffenen zu erheben – bestenfalls auch ohne Auftrag und sonstige Beteiligung derjenigen Personen, deren personenbezogene Daten von einem Datenschutzverstoß konkret betroffen sind. Die ersten Verfahren ließen nicht lange auf sich warten. Da der EuGH für die Auslegung von EU-Recht zuständig ist, hat der BGH deswegen gefragt, ob Art. 80 und 84 DSGVO es erlauben, dass Mitbewerber und nach nationalem Recht berechtigte Verbände unabhängig von der Verletzung von Rechten betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gerichtlich vorzugehen. Dies hat der EuGH zumindest im Hinblick auf Verbraucherverbände letztes Frühjahr entschieden: Verbraucherverbände können nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgehen. Doch inwiefern dies auch für Mitbewerber gilt, hatte der EuGH offengelassen – denn in dem damals entschiedenen Fall ging es schlicht nicht um die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers.
 
Genau mit dieser Frage wendet sich der BGH nun erneut an die europäischen Richter, die diese Konstellation nun beantworten sollen. Daneben will der BGH auch klären lassen, ob es sich bei den Kundendaten bei der Bestellung von apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten (also Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments), rum Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt. Dies hätte wie erwähnt Einfluss auf die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung dieser Daten.
 
Unabhängig davon, dass die aktuellen Fälle noch eine Extrarunde beim EuGH drehen, wird deutlich, dass Händler Datenschutz künftig nicht nur auf Grund drohender behördlicher Maßnahmen ernstnehmen müssen. Während Datenschutzbehörden oftmals unter enormen Personalmangel leiden und daher mit der Durchsetzung der DSGVO hinterher hängen, haben Verbraucherverbände und ggf. auch Wettbewerber mehr Durchhaltevermögen, Motivation und Ressourcen. Durch die Möglichkeit der Erhebung von Klagen durch weitere Parteien bei Verstößen gegen die DSGVO müssen sich vor allem Unternehmen im B2C-Bereich auf Abmahnungen und auch zivilrechtliche Gerichtsverfahren einstellen, soweit ihre Geschäftspraktiken nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben stehen. Es könnte zu ähnlichen Tendenzen kommen, wie sie sich bereits im Arbeitsrecht zeigen: (ehemalige) Arbeitnehmer, die im Streit mit ihrem Arbeitgeber liegen, setzen oftmals ihre datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte und (vermeintliche) Datenschutzverstöße als Druckmittel ein. Dies ist auch im Online-Handel nicht ausgeschlossen, wenn Kunden sich nicht zufriedenstellend behandelt fühlen. Unternehmen sind also so oder so gut beraten, wenn sie datenschutzrechtliche Compliance-Lücken endlich schließen.

 

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