Staat und Informationen Rechtsupdate 2/2022 | Fieldfisher
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Staat und Informationen Rechtsupdate 2/2022

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Germany

Die komplette Informationsbroschüre
"Staat und Information – Rechtsupdate 2/2022"
können Sie hier als PDF herunterladen.



Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort
II. Presserecht Update
III. IFG & UIG Update
IV. Staat & soziale Medien
V. Veröffentlichungspraxis der Gerichte

VI. Kontakt

 


 

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dieser Übersicht setzen wir unsere Serie "Staat und Information" fort und möchten Sie wieder über die aktuelle Rechtsprechung und die wichtigsten Entwicklungen in den Rechtsgebieten der Informationsfreiheitsrechte und des Presserechts kompakt und praxisnah informieren. Wir richten uns damit an Ministerien, Behörden und öffentliche Unternehmen sowie an alle am Informationsfreiheitrecht interessierten Kreise.
 
Wir von Fieldfisher stehen weiter an der Seite der öffentlichen Hand bei der Bearbeitung von Informationsanträgen und vertreten auch in gerichtlichen Verfahren. Unser Übersicht gibt unsere Erfahrungen ebenso weiter wie die aktuelle Rechtsprechung.

 

Eine praktische Übersicht

Wir von Fieldfisher arbeiten an der Schnittstelle zwischen Recht und Information. Unsere Anwälte haben in den vergangenen Jahren sowohl Bundesministerien wie Bundesbehörden als auch Unternehmen in den Themen des Presserechts, der Informationsfreiheitsgesetze und dem Recht der sozialen Medien betreut. Aus zahlreichen gerichtlichen Verfahren wissen wir, worauf es ankommt.

Die vorliegende Übersicht soll Ihnen ein schnelles Update zu den wichtigsten rechtlichen Entwicklungen geben. Die Rechtsprechung wird kompakt und übersichtlich dargestellt.  Wir zeigen Ihnen weiter auf, welche Kernaussagen Sie aus den Entscheidungen für Ihre Praxis mitnehmen können.

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Presserecht Update

Presserechtliche Informationsansprüche sind weiterhin ein aktuelles Thema für die Rechtsprechung. Mehr als zuvor bemühen sich Journalisten unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG an Informationen des Staates zu gelangen, um ihre Berichterstattung zu untermauern. Soziale Medien befördern den Wunsch der Bevölkerung nach Transparenz der öffentlichen Hand. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat, dass ein originärer presserechtlicher Anspruch gegen die öffentliche Hand besteht, gibt es inzwischen eine Vielzahl von Anfragen der Presse aus jedem denkbaren Anlass.
 
 

Medientreffen der ehemaligen Bundeskanzlerin müssen nicht (mehr) offengelegt werden

Die vertraulichen Presse-Hintergrundgespräche der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müssen im Rahmen eines verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs gemäß Art. 5 GG nicht mehr nachträglich offengelegt werden, so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung (AZ.: 6 B 1/21).
 
Geklagt hatte der Redakteur der Tageszeitung "Der Tagesspiegel" Jost Müller-Neuhof. Mit seiner Klage begehrte er Auskunft vom Bundeskanzleramt, welche Hintergrundgespräche die damalige Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2016 veranstaltet habe und welchen Einladungen von Journalisten sie im Jahr 2016 gefolgt sei.
 
Bei den Hintergrundgesprächen handelte es sich um wiederkehrende Treffen zwischen der ehemaligen Bundeskanzlerin und einigen Medienvertretern zum informellen Austausch über politische Themen. In den Gesprächen 2016 sei es wohl um Einschätzungen zum Brexit, der Flüchtlingskrise sowie zum Umgang mit der AfD gegangen. Um an diesen Gesprächen teilnehmen zu dürfen, mussten sich die Journalisten verpflichten, über die Gesprächsinhalte Stillschweigen zu bewahren.
 
Aufgrund dieses Vertraulichkeitsverhältnisses erteile die Bundesregierung auch grundsätzlich keine Auskunft, so der Chef vom Dienst des Bundespresseamts, und lehnte die vorgerichtlichen Auskunftsanfragen des Klägers ab.
 
 

Zur Reichweite des presserechtlichen Auskunftsanspruchs: Pflicht zur Informationsbeschaffung?

Während das Verwaltungsgericht Berlin als Vorinstanz der Klage (Urteil v. 13.11.2020 – 27 K 34.17) noch stattgab und das Bundeskanzleramt zur Auskunftserteilung verpflichtete, sah das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Fall inzwischen anders:
 
Voraussetzung des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist, dass die konkret verlangten Informationen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch tatsächlich bei der auskunftspflichtigen Stelle vorhanden sind, so das Oberverwaltungsgericht. Ist dies nicht der Fall, so ist die Stelle zwar grundsätzlich zu einer internen Informationsabfrage verpflichtet, dies jedoch nur im Rahmen der Zumutbarkeit. Eine Sachverhaltsermittlung über die interne Abfrage hinaus, ist nämlich gerade nicht geschuldet.
 
Gerade wenn Informationen weder schriftlich noch elektronisch dokumentiert worden sind, so ist eine Abfrage des präsenten dienstlichen Wissens nur dann geschuldet, wenn erkennbar ist, bei welchen behördeninternen Personen dienstliches Wissen vorhanden sein könnte. Eine darüberhinausgehende Pflicht würde die Grenze zu einer nicht geschuldeten Sachverhaltsermittlung überschreiten.
 
Zulasten des Klägers wurden über die vertraulichen Hintergrundgespräche keine schriftlichen oder elektronischen Dokumente erstellt. Darüber hinaus erstreckte sich das Verwaltungsgerichtsverfahren bis zur Berufungsinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg auch noch über den Regierungswechsel im Jahr 2021 hinaus. Das führte dazu, dass sämtliche Personen des Bundeskanzleramts, die an den Hintergrundgesprächen teilgenommen haben könnten, inzwischen ausgeschieden sind. Intern könnten die Informationen daher inzwischen nicht mehr abgefragt werden, so das Oberverwaltungsgericht. Ferner würde eine Befragung der ehemaligen Kanzleramtsangehörigen die Grenze zur nicht geschuldeten Sachverhaltsermittlung überschreiten. Die Klage wurde daher abgewiesen.
 
Dieses Urteil zeigt eindrücklich auf, dass sich die (zum Teil jahrelange) Bestreitung des Verwaltungsgerichtswegs negativ auf presserechtliche Auskunftsansprüche auswirken kann, wenn Informationen verlangt werden, die mangels Dokumentation und aufgrund Personalwechsels nicht mehr abgerufen werden können.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Voraussetzung des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist unter anderem, dass die konkret verlangte Information noch tatsächlich bei der auskunftspflichtigen Stelle im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts vorhanden ist.
  • Sind die Informationen nicht dokumentiert, ist eine Abfrage des präsenten dienstlichen Wissens nur dann geschuldet, wenn erkennbar ist, bei welchen noch tätigen Personen dieses Wissen vorhanden sein könnte.
  • Eine Sachverhaltsermittlung ist hingegen regelmäßig nicht im Rahmen des pressrechtlichen Auskunftsanspruchs geschuldet.
 
 



Unbefugte Weitergabe von Gerichtsdokument – Kanzleramtschef Schmidt muss keine weiteren Fragen fürchten

Das Bundesfinanzministerium ist nicht verpflichtet aufzuklären, wer den Durchsuchungsbeschluss zur Razzia im Ministerium im September 2021 unbefugt verschiedenen Medien zugespielt haben könnte (OVG Berlin-Brandenburg; AZ.: OVG 6 S 40/21).
 
Anlass der Entscheidung war eine presserechtliche Auskunftsklage im Eilverfahren, die sich auf den abgeleiteten Informationsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stützt.
 
Nach den Durchsuchungen im Justiz- und Finanzministerium aufgrund von Vorgängen in der Anti-Geldwäschebehörde FIU waren Zitate aus dem Durchsuchungsbeschluss publik geworden. Zudem veröffentlichte Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt Wortlautauszüge bei Twitter. Der Antragsteller trat vor Gericht, um weitere Untersuchungen im Finanzministerium anstellen zu dürfen.
 
Die Veröffentlichung von Vorgängen aus laufenden Ermittlungsverfahren ist nach § 353d StGB strafbar. Bei Erfüllung der Voraussetzungen dieses Straftatbestands würde demzufolge ein öffentliches Interesse an weiteren Informationen anzunehmen sein.
 
Das VG Berlin sah die Anforderungen an die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren als gegeben an und gab dem Antragsbegehren statt.
 
Das OVG sah die Umstände allerdings anders und gab damit der Beschwerde des Ministeriums statt. Die Grenzen zu einer Sachverhaltserforschung seien durch weitergehende Ermittlungen und Befragungen überschritten. Es solle nicht mehr nur lediglich vorhandenes Wissen abgefragt werden. Vielmehr würde im konkreten Einzelfall eine Informationserteilung einer hausinternen Befragung gleichkommen.
 
Grundsätzlich geht der Informationsanspruch zwar über aktenkundige Informationen hinaus. Auch dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen die nicht verschriftlicht worden sind gehören dazu. Die Schwelle zur Sachverhaltsermittlung ist allerdings dann überschritten, wenn nicht nur die Offenlegung tatsächlich vorhandener Informationen begehrt wird, sondern die Auskunftsbitte erst durch Untersuchungen generiert werden kann.
 
Die Informationspflicht sei bereits durch die Befragung des Kanzleramtschefs Wolfgang Schmidt eingehalten worden. Auf die Art und Weise der Beantwortung der Fragen habe der Antragsteller keinen Einfluss. Konkrete Anhaltspunkte, dass weitere Mitarbeiter:innen des Finanzministeriums beteiligt gewesen sind, bestünden nicht.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Hausinterne Befragungen und Ermittlungen sind unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls von dem presserechtlichen Auskunftsanspruch des Antragstellers nicht umfasst.
  • Die Schwelle zur Sachverhaltsermittlung ist ferner dann überschritten, wenn nicht lediglich die Offenlegung tatsächlich vorhandener Informationen, sei es durch Auskünfte aus den Akten oder durch Abfrage präsenten Wissens der zuständigen Mitarbeiter, gefordert wird, sondern die in der Auskunftsbitte erfragten Umstände erst durch Untersuchungen generiert werden müssen.
 
 

 

Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße auf Internetplattform rechtmäßig

Die Offenlegung einer Insiderinformation über die bevorstehende Veröffentlichung eines Artikels, in dem Gerüchte über börsennotierte Unternehmen aufgegriffen werden, ist rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist um einer journalistischen Tätigkeit nachzukommen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (VG Aachen 7. Kammer / 7 L 21/22).
 
Anlass der Veröffentlichung war eine schwangere Kundin eines Supermarktes, die nach dem Verzehr von bakteriell infizierten Hühnerfleisch ihre Zwillinge verloren hatte. Eine amtliche Kontrolle durch den Kreis Düren im August 2021 ergab massive Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften.
 
Daraufhin beabsichtigte der Kreis Düren die hygienerechtlichen Mängel des in Rede stehenden Betriebs auf seiner Internetseite für eine Dauer von sechs Monaten zu veröffentlichen. Dagegen wendete sich der Antragsteller mit einem Unterlassungsanspruch mittels eines Eilantrags.
 
Dem Eilantrag wurde nicht stattgegeben. Massive hygienerechtliche Mängel seien unzweifelhaft festgestellt worden. Die in den Verkehr gebrachten Lebensmittel waren für den Verzehr von Menschen ungeeignet gewesen. Diese Tatsachen konnte der Antragsteller nicht entkräften. Dass die Beanstandungen der familiären Situation geschuldet waren, ist irrelevant. Nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB besteht behördenseitig eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Zustände. Das Kriterium der Unverzüglichkeit sei ebenfalls eingehalten worden: Zwar müsse mit Blick auf Art. 12 GG die Veröffentlichung ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Vorliegend wurden fortlaufend Untersuchungen angestellt. Mit Abschluss dieser Untersuchungen wurde in engem zeitlichen Zusammenhang die Veröffentlichung in die Wege geleitet.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Das Kriterium der Unverzüglichkeit aus § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB ist auch dann noch erfüllt, wenn die Veröffentlichung erst einige Zeit nach der erstmaligen Entdeckung der Mangellage aufgetreten ist, solange fortlaufende Untersuchungen angestrengt worden sind, die noch nicht abgeschlossen wurden.
 
 

 

Kein Auskunftsanspruch gegen Altkanzler

Ein Journalist hat keinen presserechtlichen Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gegen das Bundeskanzleramt zu der Frage, welche Gesprächstermine Schröders Büro in den Jahren 2019 bis 2022 vereinbart hat (Beschl. v. 16.08.2022, Az. OVG 6 S 37/22).
 
Ausgangspunkt war der Versuch, im Wege einer einstweiligen Anordnung beim VG Berlin Auskunft über Gesprächstermine zu erlangen, die im Büro des Altkanzlers in den Jahren 2019-2022 vereinbart worden sind und ob diese im Zusammenhang mit Energiepolitik oder den Unternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft stehen. Dieser Versuch scheiterte allerdings.
 
Dies bestätigte jüngst ebenfalls das OVG. Bei dem Büro des Altkanzlers handele es sich um eine eigenständige Behörde im presserechtlichen Sinne. Daher sei das Bundeskanzleramt nicht zuständig.
 
Dem Presserecht liegt der funktionelle Behördenbegriff zugrunde: Das ist eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein. Zwar fällt nach Ansicht des OVG auch das Büro von Herrn Schröder unter diesen Begriff. Allerdings hat die Klage wegen fehlender Zuständigkeit dennoch keinen Erfolg. 

 

Hubschrauber-Fall Lambrecht: Verteidigungsministerium muss Informationen an Presse herausgeben

Die Anreise der Verteidigungsministerin in einem Bundeshubschrauber zu einem Truppenbesuch ist in keinerlei Hinsicht Privatangelegenheit, auch wenn der eigene Sohn mitfliegt (VG Köln, Beschl. v. 22.08.22, Az. 6 L 978/22)
 
Verteidigungsministerin Lambrecht war mit ihrem Sohn im Bundeshubschrauber zu einem Truppenbesuch von Berlin nach Ladelund geflogen und hatte anschließend einen Familienurlaub auf Sylt gemacht. Daraufhin hatte ein Journalist vom Verteidigungsministerium wissen wollen, welcher zeitliche Abstand zwischen Buchung des Hotels auf Sylt und Truppenbesuch lag und welche Kenntnis die Ministerin über das durch ihren Sohn veröffentlichte Foto vom Hubschrauberflug hatte. Nachdem die Antworten verwehrt blieben, stellte der Journalist einen Eilantrag.
 
Das VG Köln entschied, dass alle Fragen bis auf die Hotelbuchung gestützt auf den presserechtlichen Informationsanspruch (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) beantwortet werden müssten. Letztere Frage betreffe eine Privatangelegenheit der Ministerin.
 
Bezüglich des Bildes vom Hubschrauber wird erläutert, dass dieses ohne die Inanspruchnahme von Ressourcen der Bundeswehr und der Stellung der Ministerin nicht hätte aufgenommen werden können und deswegen das Informationsinteresse der Presse Vorrang gegenüber der Privatsphäre habe.
 

Fazit der Entscheidung:

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Wer die Ressourcen einer Bundesbehörde in Anspruch nimmt kann sich bezogen auf die in diesem Rahmen getätigten Handlungen nicht auf die Privatsphäre berufen. Entsprechend besteht ein presserechtlicher Informationsanspruch. Anders verhält es sich mit privat getätigten Buchungen, die mit dem behördlichen Amt nicht in Verbindung stehen.
 
 

 

Über den Zugang zu Unterlagen des Bundessicherheitsrates muss teilweise neu verhandelt werden

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg muss über die Verpflichtung des Bundeskanzleramtes, den Zugang zu Unterlagen des Bundessicherheitsrates zu gewähren, teilweise erneut verhandeln (BVerwG 10 C 3.21 - Urteil vom 23. Juni 2022).
 
Die in Rede stehenden Dokumente stehen seit Ausstellungsdatum 60 Jahre unter Verschluss und enthalten u.a. Ausführungen über die Strategie der USA bezüglich ihrer im Bundesgebiet stationierten Truppen, technische Details der Mittelstreckenwaffensysteme sowie militärtaktische Erwägungen, Informationen zum Umgang des Bundessicherheitsrates mit strategischen Verteidigungsinitiativen sowie zur militärischen Zusammenarbeit Deutschlands mit anderen europäischen Staaten, insbesondere zur Sicherung der Nato-Ostgrenze.
 
Die Klägerin stützte ihr Informationsbegehren auf einen Anspruch aus dem Bundesarchivgesetz. Allerdings unterliegt dieses Begehren auch nach Ansicht des Gerichts der Geheimhaltung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 SÜG. Dies ist eine Rechtsvorschrift des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 BArchG.
 
Neben den Voraussetzungen des materiellen Tatbestandes des § 4 Abs. 1 S. 1 SÜG müssen die Einstufung der Dokumente als Verschlusssachen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SÜG und die materielle Rechtfertigung einer Einstufung als mindestens VS-Vertraulich vorliegen, um die 60-jährige Schutzfrist des § 11 Abs. 3 BArchG zu begründen. Das ist vorliegend der Fall gewesen.
 

Fazit der Entscheidung:

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Unterlagen des Bundesarchivs, die mehrere Jahrzehnte unter Verschluss gehalten werden, müssen nicht herausgegeben werden, sofern die Begründung dem materiellen Tatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1 SÜG entspricht und die Dokumente nach § 4 Abs. 2 Nr. 1-3 SÜG über die materielle Rechtfertigung mindestens als VS-Vertraulich eingestuft werden.
 

 

 

Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts im Jahr 2021

Das Bundesverfassungsgericht entwickelt jüngst neue stringente und zusammenfassende Kriterien mit Blick auf das Meinungsäußerungsrecht und den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts:

 
1. Meinungsäußerung, Sachstreit und Beleidigung
Äußerungen, die sich in tatsächlicher Hinsicht substanzarm auf allgemein gehaltene Bewertungen beschränken, ohne eine Vorstellung von konkreten Vorgängen hervorzurufen, sind insgesamt Werturteile. Beziehen sie sich auf die Sozialsphäre, dürfen sie nur im Fall schwerwiegender Beeinträchtigung sanktioniert werden. Wird nur die Meinung Dritter wiedergegeben, ohne sich dieser zu eigen zu machen, kann im Rahmen aktueller Erörterung einer die Öffentlichkeit berührenden Frage selbst die Mitteilung diffamierender Äußerungen zulässig sein. Außerdem unterliegen Amtsträger, die auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken einer strikten Neutralitätspflicht und dem Sachlichkeitsgebot.

 
2. Tatsachen und Verdacht
Wahre Tatsachen dürfen grundsätzlich berichtet werden, sofern nicht im Einzelfall geschützte Sphären verletzt sind. Die gegenüber Einblicken Dritter grundsätzlich geschützte Privatsphäre umfasst auch Situationen emotionaler Belastung wie die Trauer um einen Angehörigen. Trotz der Öffentlichkeit eines Friedhofs soll deshalb auch das Aussehen eines Grabs dem Schutz unterfallen, da es Rückschlüsse auf die Gefühle der Hinterbliebenen und deren Beziehung zum Verstorbenen ermöglicht.
 
Über einen Verdacht darf bei legitimem Informationsinteresse in nicht-vorverurteilender Form personalisiert berichtet werden, wenn ein Mindestbestand an Beweistatsachen besteht und eine Stellungnahme des Betroffenen berücksichtigt wird, deren Einholung grundsätzlich nicht verzichtbar ist.
 
Der postmortale Persönlichkeitsschutz hingegen beschränkt sich auf die Abwehr schwerwiegender Entstellung des durch eigene Lebensleistung erworbenen Geltungswert und von Verletzungen des allgemeinen Achtungsanspruchs durch Herabwürdigung. Wahrnehmen kann dieses Recht, wer vom Verstorbenen dazu bestimmt ist, ansonsten nahe Angehörige.

 
3. Bebilderung
Eine Veröffentlichung ohne Einwilligung der Abgebildeten ist bei Bildnissen der Zeitgeschichte dann zulässig, wenn nicht schutzwürdige Interessen der Abgebildeten nach einer Abwägung überwiegen. Dabei ist stets das Gesamtbildnis relevant; so kann auch sich der zeitgeschichtliche Gehalt auch alleinig aus einem dem Bildnis beistehenden Text ergeben, sofern dieser zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse beiträgt.
 
Insbesondere Polizeibeamte haben in der Vergangenheit hinsichtlich ihrer Abbildung einen – teils zu umfassenden – gerichtlichen Schutz erfahren. Soweit einzelne Beamte lediglich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit gezeigt werden und nicht gezielt im Fokus der jeweiligen Aufnahme stehen, dürfte die bildliche Dokumentation des staatlichen Handelns regelmäßig auch von einem legitimen Informationsinteresse getragen sein. Dabei darf ein berechtigtes Interesse der Beamten im Einzelfall dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn das persönliche Wohl der Polizist:innen oder die Durchführung des Einsatzes selbst durch die Abbildung gefährdet wird oder wurde.
 
Keinem besonderen Schutz unterliegt die Bebilderung von Sachen. In diesem Kontext gelten die Grundsätze sowie Maßstäbe der Wortberichterstattung.

 
4. Fiktionalisierung
Hinsichtlich einer Fiktionalisierung einer tatsächlichen Begebenheit darf diese dann wiedergegeben werden, sofern die tatsächliche Begebenheit von den betroffenen Personen veröffentlicht wurde. Dabei greift der besondere Bildnisschutz dann ein, soweit die Fiktionalisierung zu stark an die reale(n) Person(en) erinnert.

 
5. Ansprüche
Aus Sicht der betroffenen Personen können Ansprüche auf Gegendarstellung, auf Unterlassung sowie auf Entschädigung in Betracht kommen.
 
Insbesondere Gegendarstellungen, beispielsweise zu schriftlichen Beiträgen, hängen im Wesentlichen davon ab, ob sie sich gegen eine Tatsachenbehauptung, und damit nicht gegen ein Werturteil richten. Dabei problematisch und im Einzelnen umstritten sind insbesondere Sachverhalte, die sich auf Tatsachenbehauptungen bzgl. nicht ganz aufgeklärter Sachverhalte, die aber nicht explizit als solche gekennzeichnet sind (sog. Verdachtsberichterstattung).
 
Ein Anspruch auf Unterlassung erfordert stets eine Wiederholungsgefahr, die durch die Rechtsgutsverletzung indiziert wird. Insbesondere im Falle einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung kann sich die Reichweite des eventuellen Verbotes danach richten, ob der Bericht sich wesentlich auf fehlenden Mindestbestand an Beweistatsachen, unzureichende Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt, Vorverurteilung und/oder den Grad der Identifizierbarmachung stützt. Dabei entfällt die Wiederholungsgefahr dann, wenn ein unzulässig offenbarter Umstand vom Betroffenen anschließend selbst veröffentlicht wird.

An eine vorbeugende Unterlassung sind dabei strengere Maßstäbe zu stellen, sofern insbesondere Anlass, Kontext sowie Inhalt der Veröffentlichung offen bleiben. Hinsichtlich des Eilrechtsschutzes gilt, dass die erforderliche Dringlichkeit lediglich dann gegeben ist, wenn der Anspruch nicht innerhalb der üblichen Frist von vier bis fünf Wochen geltend gemacht wird.
 
Ein Anspruch auf Geldentschädigung erfordert, dass die Intensität der Beeinträchtigung sowie Grad des Verschuldens eine schwere Persönlichkeitsverletzung nach sich ziehen. Dabei fehlt es am erforderlichen, unabwendbaren Bedürfnis für eine Entschädigung, wenn das verletzende Verhalten bereits strafrechtlich sanktioniert wird.
 

Fazit der Entwicklung:

Aus der Entwicklung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Insbesondere die Verfahrensführung hat sich in den presse- und äußerungsrechtlichen Fällen hinsichtlich des Eilrechtsverfahrens geändert, als dass aus Parteiensicht bereits im Erlassverfahren durch die Parteien per o.g. Punkte auf die Überzeugungsbildung des Gerichts eingewirkt werden kann.
  • Dabei bleibt abzuwarten, inwieweit sich die identifizierende Verdachtsberichterstattung mittels Bildnissen langfristig in der Rechtsprechung durchsetzen bzw. etablieren kann. Ferner ist zu beobachten, inwiefern diese Maßstäbe für Hetze und Desinformation im Bereich des Internets durchsetzen können.
 
 
 

VG Köln droht Bundesministerium für Gesundheit Zwangsgeld an

Das Bundesgesundheitsministerium möchte eine Frage von Journalisten zur Maskenbeschaffung im April 2020 nicht richtig beantworten. Das VG Köln hat dem Ministerium aus diesem Grund ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000€ angedroht (VG Köln, Beschl. v. 24.08.2022, Az. 6 M 63/22).
 
Hintergrund dieser Entscheidung ist eine Anfrage des Zeitungsverlags an das BMG zu dem Chaos der Maskenbeschaffung im Frühjahr 2020. Die Schutzausrüstung wurde über das so genannte "Open-House-Verfahren" beschafft. Dabei hatte jedes Unternehmen, das in der Lage war die Ware zu beschaffen einen Anspruch auf Vertragsschluss. Schlussendlich konnten viel mehr Unternehmen den Auftrag ausführen, als vorgesehen war. Das mündete darin, dass das BMG teilweise die Zahlung verweigerte.
 
Die Frage, warum einige Unternehmen pünktlich lieferten und nicht bezahlt wurden und andere Unternehmen trotz unpünktlicher Lieferung bezahlt wurden, hatte das BMG bis zur Androhung trotz Verurteilung nur unzureichend beantwortet.
 
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IFG & UIG Update

Die Informationsrechte des IFG, UIG und des VIG beschäftigen Behörden und Rechtsprechung regelmäßig. Es gibt viele Anträge, die sich auf politisch und wirtschaftlich sensible Themen beziehen oder in ihrem schieren Umfang für die Behörden kaum zu bewältigen sind.
 
In den letzten Jahren hat sich immer mehr abgezeichnet, dass die Gerichte hier die Ansprüche weit auslegen und die entgegenstehenden Ausschlussgründe sehr restriktiv handhaben. Die einschlägige Rechtsprechung sollte daher regelmäßig verfolgt werden. Im Übrigen bedarf es stets einer einzelfallbezogenen Betrachtung. Die aus unserer Sicht wichtigsten Entscheidungen aus jüngerer Zeit werden nachfolgend dargestellt.
  
 

UIG: Zur Exaktheit von Umweltinformationen: "PFAS-Hotspots in Deutschland"

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss v. 20.07.2021 – 10 S 1585/219) beschäftigte sich jüngst mit den Grenzen öffentlicher Umweltinformationen nach dem UIG.
 
Nach § 10 UIG unterrichten die informationspflichtigen Stellen die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang aktiv und systematisch über die Umwelt. Diesem Auftrag versuchte auch das Umweltbundesamt gerecht zu werden, als es im Juni 2020 eine Broschüre mit dem Titel "PFAS. Gekommen, um zu bleiben" herausgab. Bei PFAS handelt es sich um bestimmte Chemikalien, die Menschen unter anderem über das Trinkwasser aufnehmen können und dann zu Gesundheitsschäden führen können.
 
Auf Seite 24 der Broschüre markierte das Umweltbundesamt auf einer Karte der Bundesrepublik Deutschland gewisse "PFAS-Hotspots", also Orte an denen Böden und Grundwasser von PFAS verunreinigt wurden. So auch unter anderem auch den Ort Rastatt. In dem Begleittext führt das Umweltbundesamt dazu aus, dass die PFAS-Verunreinigung auf PFAS-belastete Düngermittel zurückzuführen sei.
 
Gegen diese Veröffentlichung begehrte die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung Rechtsschutz. Als Düngemittelherstellerin fiel sie bereits ab dem Jahr 2012 in Ungnade des Landkreises Rastatt, da sie - nach Auffassung der zuständigen Behörde – durch PFAS-verunreinigte Düngemittel wohl eine Mitursächlichkeit an der PFAS-Verunreinigung des Bodens traf. Obwohl ihr Unternehmensname nicht aus der Broschüre hervorging, sah sie sich in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt. Die Kausalität zwischen ihrer Tätigkeit als Düngemittelherstellerin und der Verunreinigung sei weder gerichtlich, noch wissenschaftlich nachgewiesen – die Broschüre vermittele aber Gegenteiliges.
 
Das Umweltbundesamt tätigte nach Auffassung der Antragstellerin daher eine objektiv unwahre Tatsachenbehauptung. Es sei noch nicht geklärt, ob die PFAS-Verunreinigung nun auf die Handlungen der Antragstellerin zurückzuführen sei, trotzdem vermittele das Umweltbundesamt den Lesern einen anderen Eindruck.
 
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg lehnte den Antrag der Antragstellerin hingegen ab, da es sich um rechtmäßiges Informationshandeln des Umweltamtes in den Grenzen des § 10 UIG handelte. Insbesondere erging die Broschüre nicht im Widerspruch zu dem in § 10 Absatz 6 in Verbindung mit § 7 Absatz 3 UIG statuierten Erfordernis der Exaktheit der Umweltinformation.
 
Welche Anforderungen an die Exaktheit der Umweltinformation zu stellen sind, ist stets einzelfallbezogen mit Blick auf den verfolgten Informationszweck zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof arbeitet dazu konkret heraus, dass es der Behörde grade bei der Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit grundsätzlich gestattet ist, mit Vereinfachungen zu arbeiten. Darüber hinaus, so der Verwaltungsgerichtshof, kann mit einer Veröffentlichung von Umweltinformationen in vielen Fällen zulässigerweise nicht gewartet werden, bis auch der letzte Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit ausgeräumt ist. Ferner darf das Gebot der Exaktheit nicht dazu führen, dass der Aufwand für die Veröffentlichung der Umweltinformation unverhältnismäßig groß wird und der Informationszweck nicht mehr gewährleistet werden kann.
 
Hinsichtlich der Broschüre des Umweltbundesamts kommt der Verwaltungsgerichtshof dann zu dem Ergebnis, dass diese sich im Rahmen der dargestellten Maßstäbe bewegt. Der Antrag wurde daher abgelehnt
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Auch Umweltinformationshandlungen des Staates nach § 10 UIG unterliegen rechtlichen Grenzen, viele davon sind auch bereits aus anderen Gesetzes bekannt.
  • Insbesondere muss die Umweltinformation exakt sein, was einzelfallbezogen zu prüfen ist.
  • Bei der erforderlichen Beurteilung ist zu beachten, dass
    • a) gewisse Vereinfachungen seitens der Behörde in Kauf genommen werden können,
    • b) je nach Dringlichkeit der Umweltinformation nicht gewartet werden muss, bis auch der allerletzte Zweifel an der Richtigkeit der Information ausgeräumt ist und
    • c) das Exaktheitsgebot nicht dazu führen darf, dass der Aufwand für die Informationsstelle nicht unverhältnismäßig hoch wird, so dass der Informationszweck gefährdet wird. 
 


 

IFG: Regierungschats müssen zu den Akten

Die Informationsbeauftragten von Bund und Ländern forderten Mitte des Jahres deutlich: jegliche behördliche Kommunikation auch über Kurznachrichten- und Messenger-Dienste sowie soziale Medien, müsse dokumentiert werden.
 
Die Informationsbeauftragten wollen mit diesem modernen Kommunikationsbegriff einen umfassenden Informationszugang zu gewährleisten. Gerade wenn Amtsgeschäfte über einen Messengerdienst abgewickelt werden, erfolge eine ordnungsgemäße Ablage äußerst selten. Und das obwohl das Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 28.10.2021 – 10 C 3/20) bereits im Oktober 2021 entschieden hat, dass Twitter-Direktnachrichten eine amtliche Information gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG sein können.
 
In diesem Verfahren verlangte der Kläger Zugang zu den Twitter-Direktnachrichten des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer. Während die Vorinstanz noch davon ausgegangen ist, dass nur solche Direktnachrichten nicht vom Begriff der amtlichen Information gedeckt seien, die ausschließlich und eindeutig privaten (persönlichen) Zwecken dienen, kommt das Bundesverwaltungsgericht zu einem differenzierteren Maßstab und hob die Entscheidung der Vorinstanz auf.
 
Maßgeblich für die Annahme einer amtlichen Information sei demnach, ob sie "amtlichen Zwecken" diene, wobei es weder auf den Inhalt der Information ankomme noch darauf, ob selbige einen "behördenexternen" oder rein innerdienstlichen Vorgang betreffe. Dieser amtliche Wille zum Speichern ist wiederum entweder "objektiv" gegeben, wenn Informationen aufgrund von Regelungen aktenkundig zu machen sind, oder er wird, wo dergleichen Rechtspflicht nicht besteht, "subjektiv" durch schlüssiges Amtsverhalten bestimmt.
 
Vor dem Hintergrund, dass das IFG die politische Partizipation aller vereinfachen und Kontrollbefugnisse schaffen soll, ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur bedingt überzeugend. Auch die Forderungen der Informationsbeauftragten von Bund und Ländern werden insofern verständlicher, als eine Rechtspflicht zur Dokumentation von amtsbezogenen Direktnachrichten zu der Annahme einer amtlichen Information und damit zur Anwendbarkeit führt.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Grundsätzlich müssen jegliche behördliche Kommunikation auch über Kurznachrichten- und Messenger-Dienste sowie soziale Medien dokumentiert werden.
  • Maßgeblich dafür, ob eine "amtliche Information" vorliegt ist danach zu beurteilen, ob sie "amtlichen Zwecken" dient.
 
 

 

Informationszugang zu Sitzungsprotokollen eines Beirats bei einem Bundesministerium

Um differenzierte Entscheidungen treffen zu können bedienen sich Ministerien regelmäßig eines fachkundigen Beirats. Inwieweit die dort generierten Informationen öffentlich oder presserechtlich zugänglich sind, war in einem Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu klären (BVerwG, Urt. v. 5.5.2022, Az.10 C 1.21).
 
Konkret wurde die Einsicht in ein Verlaufsprotokoll des Beirats vom Bundesfinanzministerium begehrt, welches nach der internen Satzung unveröffentlicht bleiben sollte.
 
Nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das Bundesministerium zwar grundsätzlich für Ansprüche aus dem IFG zugänglich. Bestehen die begehrten Informationen bei mehreren Behörden gleichzeitig, so entscheidet die Behörde über die Zugänglichmachung, die die größte Sachnähe zur Thematik hat. Dem wissenschaftlichen Beirat sei eine Behördeneigenschaft jedoch nicht zuzusprechen. Die Geheimhaltungssatzung des Beirats begründet als bloßes Binnenrecht kein besonderes Amtsgeheimnis i.S.v. § 3 Nr. 4 IFG. Um ein Amtsgeheimnis anzunehmen bedarf es also einer gesonderten Rechtsvorschrift. Eine solche Vorschrift ergibt sich aus dem kontextualen Zusammenhang nicht. Einsicht war entsprechend zu gewähren.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Ein Beirat erfüllt nicht den funktionalen Behördenbegriff aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG und kann somit nicht richtiger Antragsgegner eines Informationsanspruchs sein.
  • Eine interne Satzung ist kein formelles Gesetz und kann damit auch kein Ausschlussgrund im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG darstellen.
  • Beratungen des Beirats sind grundsätzlich keine Beratungen des Ministeriums, weshalb der Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 lit. b) regelmäßig nicht erfüllt ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Minister selbst an Beratungen des Beirats beteiligt sind.
 
 

 

Zugang zu Namen und Kontaktdaten aufgrund des Umweltinformationsgesetzes

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg muss erneut darüber entscheiden, ob das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) Zugang zu Namen und dienstlichen Kontaktdaten zu gewähren hat von Mitarbeitern, die am Verfahren zum Erlass einer Gebührenverordnung beteiligt waren (BVerwG 10 C 5.21 - Urteil vom 01. September 2022).
 
Das Ministerium hatte die Herausgabe von Informationen personenbezogener Daten der Mitarbeiter:innen verweigert mit der Begründung, dass der Ablehnungsgrund aus  § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UIG einschlägig sei. Es bestünde die Gefahr der Veröffentlichung und öffentlicher Bloßstellung.
 
Das Gericht stellte sich auf die Seite des Ministeriums: Eine Erhebliche Interessenbeeinträchtigung im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UIG sei nicht anzunehmen. Die Annahme, durch jede Offenbarung personenbezogener Daten würden Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt, lässt sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Zweckbindung der Verwendung nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglicher Informationen begründen.
 
§ 5 Abs. 3 und 4 IFG gebieten in analoger Anwendung auch im vorliegenden Fall die Vermutung, dass für die dort aufgelisteten Daten grundsätzlich keine Bedenken bei der Herausgabe bestehen. Diese Vermutung konnte vorliegend nicht widerlegt werden.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG erfährt in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG eine normative Konkretisierung dahin, dass durch eine Offenbarung der in diesen Bestimmungen genannten Arten personenbezogener Daten Interessen der Betroffenen regelmäßig nicht erheblich beeinträchtigt werden.
 
 

 

Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz

Das Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin ist das zweitälteste allgemeine Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland. Die Weiterentwicklung dessen zu einem Transparenzgesetz bleibt ein politisches Projekt. Dies gibt Anlass für einen Überblick zum geltenden IFG Bln unter Berücksichtigung bisher ergangener Rechtsprechung.
 
Grundsätzlich regelt das Informationsfreiheitsgesetz auf Bundes- sowie Landesebene Informationsrechte gegenüber der öffentlichen Hand, sofern keine spezialgesetzliche Zugangsregelung existiert oder es sich inhaltlich um Umweltinformationen handelt.
 
Dabei ist gem. § 3 Abs. 1 IFG Bln zunächst jede natürliche sowie juristische Person – sofern sie rechts- und beteiligungsfähig sind - anspruchsberechtigt, gegenüber den gem. § 2 IFG Bln zuständigen Stellen nach eigener Wahl Recht auf Einsicht bzw. Auskunft über Inhalt der geführten Akten iSd § 3 IFG Bln einzufordern, wobei kein bestimmtes rechtliches Interesse oder berechtigtes Interesse am Informationszugang selbst geltend gemacht werden muss. Dabei ist zu beachten, dass eine Behörde eine Akte im Sinne des IFG Bln lediglich dann im Sinne des Gesetzes "führt", wenn sie im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Informationszugang durch die Behörde nicht dauerhaft entledigt wurde. Die rechtliche Wiederbeschaffungsmöglichkeit ist dabei nicht von Belang.
 
Dabei gilt das Informationsrecht nicht uneingeschränkt, sondern kann unter anderem zum Schutz privater oder öffentlicher Interessen sowie sich durch Bundesrecht ergebende Geheimhaltungsvorschriften eingegrenzt werden.
 
Unter den Schutz privater Interessen fallen vor allem personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie gegebenenfalls der Schutz geistigen Eigentums.

Insbesondere hinsichtlich dem Schutz personenbezogener Daten weichen die Regelungen des IFG Bln von denen des IFG Bund, speziell § 6 IFG Bund, ab. Gem. § 6 Abs. 1 IFG Bln besteht das Recht auf Akteneinsicht nicht, soweit durch die Akteneinsicht personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden (Var. 1) oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der betroffenen Personen entgegenstehen und das Informationsinteresse das Interesse der betroffenen Personen an der Geheimhaltung nicht überwiegt (Var. 2). Damit statuiert die Variante 1 eine abstrakte Interessenabwägung mit dem Maßstab der Zielsetzung des § 1 IFG Bln.

Alternativ bedarf es nach Variante 2 ebenfalls einer Abwägung, wobei dort insbesondere das Maß der Schutzwürdigkeit der personenbezogenen Daten von Bedeutung ist. Dabei sind stets die Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen, wobei dem relativen Vorrang des Schutzes personenbezogener Daten vor dem Informationsinteresse Rechnung zu tragen ist.
 
Vergleichbar in der Handhabung ist mit § 6 Abs. 1 Var. 2 IFG Bln die Handhabung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen iSd § 7 S. 1 IFG Bln, wonach auch in derartigen Fällen das Informationsinteresse das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegen muss.
 
Als weiterer Unterschied zur Bundesregelung (§ 6 IFG Bund) schützt das IFG Bln zudem nicht explizit das geistige Eigentum. Bisher musste sich die Rechtsprechung zu dieser Lücke nicht äußern.
 
Einschränkend enthalten §§ 9 – 12 IFG Bln Gründe, die einem Auskunftsanspruch des Anspruchsberechtigten entgegenstehen können. So kann beispielsweise dem Anspruchsbegehren durch die Behörde entgegengetreten werden, wenn dies dem Schutz öffentlicher Belange dient (z.B., dass eine vorzeitige Veröffentlichung der Informationen die Strafverfolgung oder die Rechtsdurchsetzung gefährden würde) oder wenn dies den Abschluss eines behördlichen Entscheidungsprozesses vereiteln oder behindern würde. Zuletzt bestimmt § 11, dass eine Versagung zudem aus Gründen des Gemeinwohls zulässig ist.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Das IFG Bln setzt andere, teils neue bzw. – bedingt durch seine zuweilen unklare Formulierung – schwierigere Maßstäbe als das IFG Bund, was im Ergebnis eine differenzierte Auseinandersetzung erfordert.
  • Zudem sind einige Fragen (beispielsweise Reichweite des Schutzes des geistigen Eigentums) nicht explizit geregelt. Dabei ist Vorsicht geboten, als dass keine pauschale Projizierung der Rechtsprechung zum IFG Bund auf die Lücken des IFG Bln erfolgen darf.
 



 

Kein Informationszugang des Insolvenzverwalters zu steuerlichen Daten der Finanzbehörden über den Insolvenzschuldner

Ein Insolvenzverwalter hat gegenüber dem Finanzamt keinen Anspruch auf Auskunft über die steuerlichen Verhältnisse eines Insolvenzschuldners auf Grundlage des IFG (BVerwG 10 C 4.20 - Urteil vom 25. Februar 2022).
 
Der Kläger ist Insolvenzverwalter und begehrte zur Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen steuerliche Auskünfte zu zwei insolventen Gesellschaften gemäß IFG NRW. Das zuständige Finanzamt lehnte einen solchen Anspruch mit Hinweis auf das Steuergeheimnis jedoch ab. Daraufhin erhob der Insolvenzverwalter Klage.
 
Während des Revisionsverfahrens ist im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auch die Abgabenordnung geändert worden. Insbesondere enthält diese nun verschiedene Ausschlussgründe für dem Grunde nach bestehende Ansprüche auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen bzw. der DS-GVO. Danach sind die Finanzbehörden nicht mehr neben etwaigen zivilrechtlichen Auskunftsansprüchen Informationszugangsansprüchen nach dem Recht der Informationsfreiheit oder- soweit natürliche Personen als Insolvenzschuldner betroffen sind - nach dem europäischen Datenschutzrecht ausgesetzt.
 
Wegen der insoweit aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu Art. 23 Abs. 1 Buchst. e und j DS-GVO hat der Senat die Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Der Gerichtshof (Az. C-620/19) hat sich mit Blick darauf, dass es vorliegend um Auskünfte zu juristischen Personen geht, hinsichtlich derer die Datenschutz-Grundverordnung keine Anwendung findet, für nicht zuständig erklärt.
 
Im Folgenden änderte das BVerwG die Urteile des OVG und wies die Klage ab.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Das Auskunftsrecht besteht deswegen nicht gegenüber einer Finanzbehörde, weil die novellierte Abgabenordnung solche Auskunftsansprüche im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über zivilrechtliche Ansprüche in Übereinstimmung mit der DS-GVO ausschließt (§ 32e; § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. e und j DS-GVO)
 
 
 

EuGH bejaht Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe

Ausschlaggebend für die Vorlage beim EuGH war ein Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegenüber Entscheidungen des Kraftfahrbundesamtes (KBA) vor dem Verwaltungsgericht Schleswig in Bezug auf Freigabebescheide für sogenannte Thermofenster, bei denen eine Software die Abgasreinigung in Diesel-Fahrzeugen von der Außentemperatur abhängig macht.
 
Aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) ergab sich jedoch bisher keine Klagebefugnis für Umweltverbände gegen die Genehmigungen durch Behörden. Mithin wurde durch das Verwaltungsgericht Schleswig die Sache dem EuGH vorgelegt, der derartigen Umweltverbänden eine Klagebefugnis zusprach. Dies ergäbe sich aus der Aarhus-Konvention vom 25. Juni 1998 in Verbindung mit der Rechtsschutzgarantie der EU-GrCH.
 
Hinsichtlich der Zulässigkeit von Thermofenstern verwies der EuGH auf sein Urteil im Juli, wonach derartige Einrichtungen grundsätzlich unzulässig seien. Durch die Bejahung der Klagebefugnis von Umweltverbänden kann dies per Grundsatzentscheidung nun das Verwaltungsgericht Schleswig entscheiden.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Die Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen gegenüber Entscheidungen des Kraftfahrtbundesamts prägt insofern auch das Informationsbegehren derartiger Organisationen. Umweltverbände können daher geltend machen, dass sie die in Rede stehenden Unterlagen benötigen, um Klagen zu begründen.
 


 

EGMR zu Einsicht in Barschel-Akten

Im Rahmen einer Klage eines Journalisten auf Akteneinsicht in die BND-Akten zum Fall-Barschel hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nun die Sperrfrist bestätigt. Damit hat Deutschland folglich nicht gegen die von dem Reporter gerügte Informationsfreiheit verstoßen.
 
Entscheidend war, dass dem Journalisten bereits die grundlegenden Informationen bereitgestellt wurden. Ein darüberhinausgehendes Interesse wurde seitens des Klägers jedoch nicht dargelegt, weshalb eine grundsätzliche Sperrfrist aus Sicht des Gerichts weiterhin begründet ist.
 
Jedoch handelte es sich um eine knappe Entscheidung mit einer Ratio von 4:3 pro Versagung der Herausgabe. Insbesondere wurde an der Entscheidung seitens der entgegenstimmenden Richter bemängelt, dass die herausgegebenen Informationen zu knapp bemessen waren.
 
Die Rechtslage in Deutschland in Form des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) lässt grundsätzlich die Möglichkeit für Privatpersonen außen vor, von Nachrichtendiensten Informationen zu erlangen, da das IFG diese nicht nennt. Daneben kann jedoch ein Anspruch auf Herausgabe der Geheimdienstakten nach § 11 Abs. 6 Bundesarchivgesetz bestehen, jedoch erst nach Ablauf von 30 Jahren und auch danach nur, sofern sich seitens der Nachrichtendienste nicht auf Quellenschutz berufen wird.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Das vorliegende Urteil zeigt, dass trotz der strengen Rechtslage in Deutschland hinsichtlich der Herausgabe von Akten in Bezug auf Nachrichtendienste eine Herausgabe via Verfahren vor dem EGMR grundsätzlich möglich ist. Erforderlich dafür ist die Darlegung eines besonderen Interesses seitens des Klägers. Ob und wie sich ggf. die Rechtslage in Deutschland hinsichtlich dieser Informationsanspruchslage – nach erneuter Kritik – ändern wird, bleibt abzuwarten.
 

 
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Staat & soziale Medien

Die Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern über soziale Medien und die Öffentlichkeitsarbeit von Behörde über solche Plattformen ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass die Öffentlichkeitsarbeit zu negativen Folgen sowohl für die Behörde als auch die Betroffenen mit sich bringen kann. Auch darf seitens der Behörde nicht verkannt werden, dass auch die Kommunikation rechtlichen Regeln unterliegt, die im Einzelfall einzuhalten sind. Dieser Fallstricke sollte sich die Behörde bewusstmachen.

 

Innenministerin durfte zu "Spaziergängern" twittern

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass eine über den Nachrichtendienst Twitter verbreitete Äußerung der Bundesministerin des Innern Nancy Faeser zum Demonstrationsrecht rechtlich zulässig war (Beschluss v. 15.03.2022 – VG 6 L 17/22).
 
Am 19.01.2022 veröffentlichte die Ministerin auf ihrem privaten Twitteraccount die Äußerung: "Ich wiederhole meinen #Appell: Man kann seine #Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln". Entsprechend hatte sie sich bereits auf einer Pressekonferenz des Bundesinnenministeriums am selben Tag geäußert. Adressat ihrer Äußerung waren die sogenannte "Spaziergänger", also gegen die Corona-Maßnahmen Protestierende, die sich unangemeldet gezielt an vielen Orten gleichzeitig versammelten.
 
Der Antragsteller, der selbst Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen plante, sah sich durch diese Äußerung in seinem Versammlungsgrundrecht beeinträchtigt und begehrte vor dem Verwaltungsgericht Berlin Eilrechtsschutz mit dem Ziel, die Ministerin zu verpflichten, diese Äußerungen vorerst zu unterlassen.
 
Das Verwaltungsgericht Berlin wies den Eilantrag hingegen mangels Antragsbefugnis zurück. Zwar stand dem Eilrechtsschutz zunächst nicht entgegen, dass Frau Faeser die Äußerung über ihren privaten Twitter-Account tätigte, da diese in unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes als Bundesinnenministerin zusammenhänge. Jedoch fehlte es dem Antragsteller an einer erforderlichen Rechtsverletzung.
 
Denn nicht jede hoheitliche Äußerung stellt direkt einen Grundrechtseingriff dar. Die Äußerung muss in der Intention oder Intensität einem "klassischen" Grundrechtseingriff, also einem Ver- oder Gebot, gleichstehen. Davon war im konkreten Sachverhalt nicht auszugehen, so das Verwaltungsgericht Berlin. Die Äußerungen Faeser´s waren nicht geeignet, interessierte Bürger von einer Teilnahme an den Versammlungen des Antragstellers abzuhalten. Sie bezogen sich einzig auf die sogenannten "Spaziergänge" und damit gerade nicht auf die vom Antragssteller geplanten Versammlungen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus.

Ferner sei die Äußerung der Innenministerin von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes abgedeckt und auch mit dem Sachlichkeitsgebot vereinbar. Letzteres schützt den Bürger davor, dass der Staat mitgeteilte Tatsachen unzutreffend wiedergibt und Werturteile auf sachfremden Erwägungen beruhen oder den sachlichen Rahmen überschreiten. Diese Grundsätze sind beispielsweise bereits aus der Glykol-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 u.a.) bekannt.
 

Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Auf privaten Social-Media-Accounts getätigte Aussagen von Hoheitsträgern können auch dann dem Amt zugerechnet werden, wenn die Aussage einen unmittelbaren Bezug zur Hoheitstätigkeit aufweist.
  • Hoheitliche Äußerungen stellen nur dann einen Eingriff in grundrechtliche Freiheiten des Einzelnen dar, wenn sie in ihrer Intention oder Intensität einem "klassischen" Grundrechtseingriff, also einem Ge- oder Verbot, gleichstehen.
  • Bei grundrechtssensiblen Äußerungen haben die Hoheitsträger die Kompetenznormen sowie das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot zu beachten. Andernfalls ist die Aussage rechtswidrig und kann gerichtlich beanstandet werden. 
 

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Veröffentlichungspraxis der Gerichte

Auch deutsche Gerichte leisten Pressearbeit und werden in ihrem Handeln gerichtlich nicht ausgespart. Das heißt: Auch deren Arbeit ist teilweise Bestandteil von Klageverfahren. So wird sich zum Beispiel gegen die Veröffentlichungspraxis von Urteilen oder Pressemitteilungen gewehrt, weil den Beteiligten der Inhalt nicht behagt – und das trotz Anonymisierung durch Umbenennung von Namen und anderen personenbezogenen Daten.

 

Zur Wahrung der Anonymität in Urteilen deutscher Gerichte

Deutsche Gerichte gehen beim Thema Klarnamennennung der Prozessparteien zurückhaltend vor. Angaben über die Parteien im Rubrum werden vor Veröffentlichungen in der Regel vollständig gelöscht. Namen werden im Sachverhalt und den Entscheidungsgründen bis auf den Anfangsbuchstaben entfernt. Im Kontrast stehen dazu US-amerikanische oder europäische Gerichtsurteile, bei denen bereits die amtliche Fundstelle dem Leser deutlich zeigt, wer gegen wen prozessiert hat (z.B. Roe v. Wade oder EU-Kommission/Bundesrepublik Deutschland).
 
In einem aktuellen Fall hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart (Urteil v. 31.03.2022 – 1 K 6043/20) eine Klage zu beurteilen, bei der sich der Kläger, trotz der Anonymisierungsmaßnahmen eines deutschen Gerichtes, gegen die Veröffentlichung des ihn betreffenden Urteils wehrte. Zur Begründung führte er aus, dass das Urteil aufgrund bestimmter Angaben (Grad der Behinderung, erster Buchstabe des Geburtsortes, seiner Universität, seines Studiums sowie Berufsbezeichnung und Beendigungsgrund seines Arbeitsverhältnisses) eindeutige Rückschlüsse auf seine Person zulasse.
 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart kommt hingegen zu dem Schluss, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Löschung des streitgegenständlichen Urteils hat, insbesondere nicht aus Artikel 17 Absatz 1 lit. a) und d) DSG-VO. Denn die durch das Gericht vorgenommene Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten stellt jedenfalls die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung dar – damit konnte das Gericht unter anderem streitige Fragen zu der Anwendbarkeit der DSG-VO auf die Veröffentlichungspraxis von Gerichtsurteilen umschiffen.
 
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts obliegt es allen Gerichten kraft der Verfassung, Entscheidungen ihrer Spruchkörper der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daher müssen alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann, auch publiziert werden (BVerfG, Beschluss v. 14.09.2015 – 1 BvR 857/15).
 
Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgebot, der Justizgewährungspflicht, dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung, ohne dass es einer speziellen einfachgesetzlichen Regelung bedarf. Da die Gerichtsentscheidungen die Gesetze konkretisieren, ist es für den Bürger von elementarer Bedeutung, zuverlässig in Erfahrung bringen zu können, welche Rechte er hat. Ohne ausreichende Publizität der Gerichtsentscheidungen wäre dies nicht möglich.
 
Dieser Grundsatz findet seine Grenzen hingegen in dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, so dass regelmäßig zu anonymisieren, wenn nicht sogar zu Schwärzen ist. Für die erforderliche Abwägung dieser zwei Belange von Verfassungsrang gilt: Je erheblicher das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung ist, desto eher ist das Urteil, obwohl es trotz Anonymisierung Rückschlüsse auf die Parteien zulässt, zu veröffentlichen.
 
In seiner konkreten Abwägung kam das Verwaltungsgericht Stuttgart dann zu dem Schluss, dass der Veröffentlichung des Urteils, aufgrund seiner Bedeutung für die Allgemeinheit, der Vorrang zu gewähren ist.
 

Fazit der Entscheidung:

Aus der Entscheidung kann für die Praxis Folgendes mitgenommen werden:

  • Veröffentlichungswürdige Gerichtsentscheidungen müssen kraft der Verfassung dem Bürger durch eine Veröffentlichung zugänglich gemacht werden.
  • Zum Schutz der Prozessparteien sind hingegen die personenbezogenen Angaben zu anonymisieren.
  • Dass trotz der Anonymisierung Rückschlüsse auf die Prozessparteien möglich sind steht der Veröffentlichung dann nicht im Weg, wenn die Allgemeinheit ein nachvollziehbares Interesse an der Veröffentlichung der Entscheidung hat.
 


 

In aller Kürze: AfD klagt gegen Pressearbeit des Bundesverfassungsgerichts

Dass das Bundesverfassungsgericht bestimmten Journalisten der "Justizpressekonferenz" (JPK) Pressemitteilungen vor Entscheidungsveröffentlichung zugänglich macht, hielt die AfD für rechtswidrig, blieb jedoch mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe (Urteil v. 25.08.2022 – 3 K 606/21) hingegen ohne Erfolg.  Vollmitglieder der JPK können sich die Pressemitteilung zum Urteil am Vorabend an der Gerichtspforte als Papierausdruck abholen. Dabei müssen sie sich zur Vertraulichkeit verpflichten. Der AfD mangelte es hingegen an der Klagebefugnis, also an der Möglichkeit, durch die Veröffentlichungspraxis des Bundesverfassungsgerichts in eigenen Rechten verletzt zu sein.
             
Fraglich bleibt, wie die Entscheidung ausgefallen wäre, wenn beispielsweise ein Nicht-JPK-Journalist die Pressearbeit des Bundesverfassungsgerichts gerügt hätte.
 
 

Inlandsagenten auf geheimer Mission im Ausland?

Ob und inwieweit das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gegenüber eines Abgeordneten Antworten zu Einsetzen von Kontaktmännern im Ausland schuldet, sollte jüngst das Bundesverfassungsgericht beantworten (Az. 2 BvE 8/21).
 
Ein Abgeordneter begehrte Zugang zu Informationen darüber, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV seit 2015 ins Ausland entsandt worden sind. Er sieht Potenzial für Zuständigkeitskonflikte zwischen dem BfV und dem Bundesnachrichtendienst (BND).
 
Der Eilantrag des Abgeordneten wurde allerdings als unzulässig abgewiesen. Dass Informationsbegehren von Abgeordneten bezogen auf das BfV und den BND ausgeweitet werden, erscheint allerdings ohnehin fragwürdig. Schließlich besteht immerhin die Gefahr, dass fremde Nachrichtendienste auch durch vage Informationen Rückschlüsse zu den eingesetzten Personen ziehen können.


 

Kontakt

Dennis Hillemann ist Partner im Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht im Hamburger Büro von Fieldfisher und berät unterschiedliche Institutionen im öffentlichen Sektor, etwa im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes, aber auch bei Transaktionen, Technologie-Projekten sowie im Beihilfe- und Fördermittelrecht.

Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Beratung und Vertretung seiner Mandanten in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und vor Aufsichtsbehörden. Darüber hinaus berät er in Gesetzgebungsverfahren und bei der Gestaltung von Kooperationsprojekten im öffentlichen Kontext, vor allem in der Wissenschaft. Viele der von ihm betreuten Mandate berühren Fragen des Rechts der Bundesländer, des Bundes und der Europäischen Union und weisen daher eine hohe Komplexität auf. Im Rahmen seiner Beratung unterstützt er seine Mandanten mit einem tiefen Verständnis von Abläufen in Behörden und Ministerien, entwickelt mit ihnen die Strategie in komplexen Verfahren und unterstützt bei der Digitalisierung der Verwaltung. Zu seinen Mandanten gehören Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen in Verwaltungsverfahren

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