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OVG NRW: Rückforderung von Soforthilfen rechtswidrig – Impuls für Fälle der Überbrückungshilfe

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Weitere Informationen: Corona-Überbrückungshilfen

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Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass Rückforderungen von gewährten Corona-Soforthilfen rechtswidrig waren, da die Behörde die für die endgültige Festsetzung maßgeblichen bindenden Vorgaben des Bewilligungsbescheids nicht beachtet hat.


Ferner empfand es die Bescheide für rechtswidrig, weil diese ohne eine hierfür erforderliche Rechtsgrundlage vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden waren. Dennoch bleiben Staat bzw. die Behörde berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden "endgültigen Bescheiden" endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern.

Wir finden diese Entscheidung des OVG-NRW sinnvoll und stützen diese. Das Urteil zeigt auf, dass auf behördlicher Seite die Verwaltungspraxis oft nicht ausreichend kommuniziert wird und in der Folge es dem Antragsteller oft erschwert wird, die Förderungsumstände korrekt darzulegen – sei es im Rahmen von Corona-Soforthilfen, aber auch im Rahmen von Corona-Überbrückungshilfen. Das Urteil gibt daher wichtige Impulse auch für die Praxis der Überbrückungshilfen.

Wir begleiten unsere Mandanten bereits seit geraumer Zeit in verschiedenen Bundesländern im Umgang mit verschiedenen Verwaltungspraxen. Wir haben die Mittel und Kapazitäten und insbesondere die Erfahrungen, um jegliche Verwaltungspraxis an Ihrer Seite zu erforschen – sprechen Sie uns bei Fragen jederzeit gerne an!

Zum Urteil:


OVG Nordrhein-Westfalen: Rückforderung von Corona-Soforthilfen war rechtswidrig (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil 4 A 1986/22 vom 17.03.2023)
 

 

Sachverhalt:

Das OVG-Urteil traf im Ergebnis eine Grundsatzentscheidung für drei Verfahren des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen: 4 A 1986/22 (I. Instanz: VG Düsseldorf 20 K 217/21, Kosmetikstudio), 4 A 1987/22 (VG Düsseldorf 20 K 7488/20, Steuerberater), 4 A 1988/22 (VG Düsseldorf 20 K 393/22, Schnellrestaurant).

Bei den Klägern handelt es sich um Selbstständige (ein freiberuflicher Steuerberater und Dozent für Steuerrecht, eine Inhaberin eines Schönheitssalons und ein Betreiber eines Schnellrestaurants), die von den Infektionsschutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen waren. Sie hatten am 30. März bzw. am 1. April 2020 beim Land Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Soforthilfe in der ersten Sperrzeit gestellt.

Mit Bewilligungsbescheiden vom selben Tag wurde ihnen eine Soforthilfe in Höhe von jeweils 9.000 Euro als einmaliger Pauschalbetrag bewilligt und kurz darauf ausgezahlt. Nachdem die Kläger Einnahmen und Ausgaben für den dreimonatigen Bewilligungszeitraum (März bis Mai 2020 bzw. April bis Juni 2020, je nach Zeitpunkt der Antragstellung) gemeldet hatten, wurden automatisch endgültige Bescheide erlassen. In diesen Bescheiden wurde ein aus dem elektronischen Rückmeldebogen errechneter "Liquiditätsengpass" festgestellt und die Differenz zum ausgezahlten Pauschalbetrag zurückgefordert.

Hiergegen innerhalb der drei oben genannten Verfahren teils vom Kläger in Form der Antragsteller, teils vom Beklagten in Form der zuständigen Behörde Berufung eingelegt.

 

Entscheidungsgründe:

(Das OVG entschied in drei verschiedenen Urteilen über die drei Verfahren. Inhaltlich entschied es jedoch an den entscheidungserheblichen Punkten gleich. Daher seien der Vereinfachung halber die wesentlichen Punkte dieser Rechtsprechung hier urteilsübergreifend dargestellt.)

Das OVG NRW bestätigte die Entscheidung der Verwaltungsgerichte: Die Bescheide sind rechtswidrig und müssen aufgehoben werden, weil das Land die Vorgaben der Bewilligungsbescheide, die für die endgültige Feststellung bindend sind, nicht eingehalten hat.

Die Rechtswidrigkeit der Bescheid ergab sich aus Sicht des Gerichts einerseits dadurch, dass das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren keine Grundlage in den Bewilligungsbescheiden hatte. Die in den Bescheiden von den Empfängern geforderten Angaben waren ungeeignet, um unter Berücksichtigung der verbindlichen Festlegungen in den Bewilligungsbescheiden den letztlich verbleibenden Förderbetrag zu ermitteln. Nach Erlass eines Bewilligungsbescheids ist eine ständige Verwaltungspraxis zur Auslegung des Regelungsinhalts danach irrelevant, wenn sie dem Empfänger unbekannt und ihm auch nicht zugänglich ist.

Zudem seien die endgültigen Bescheide rechtswidrig, weil sie andererseits in vollem Umfang von automatischen Trägern erlassen worden seien, ohne dass es dafür eine gesetzliche Grundlage gebe.

Der Staat bzw. die Behörde bliebe jedoch berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden "endgültigen Bescheiden" endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern.

Hinsichtlich des Vertrauens einer Rückzahlung führte das Gericht wie folgt aus: Zwar konnte jeder Empfänger einer Soforthilfe in Nordrhein-Westfalen darauf vertrauen, dass er keine Mittel zurückzahlen muss, die er im Bewilligungszeitraum rechtmäßig verwendet hat.

Allerdings muss auch für objektive Empfänger der Bewilligungsbescheide erkennbar gewesen sein, dass die Soforthilfe in vollem Umfang nur zum Ausgleich der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe verwendet werden durfte, dass entsprechende Mittelverwendungen in Einzelfallprüfungen nachzuweisen und zu dokumentieren waren. Insbesondere war aus Sicht des Gerichts erkenntlich, dass nicht zweckentsprechend verwendete Mittel zu ermitteln und nachträglich zurückzuzahlen seien.

Den Bewilligungsbescheiden sei jedoch nicht zu entnehmen, dass sie auch hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen für die Rückzahlung einer noch zu entwickelnden Verwaltungspraxis unterliegen sollten.

Unklar geblieben ist allerdings, ob das Land ebenso wie der Bund die Rückzahlungsverpflichtung nur davon abhängig machen wollte, dass die gewährten Mittel (in voller Höhe) zum Ausgleich des eingetretenen Liquiditätsengpasses benötigt wurden. Soweit durch eine erkennbar fehlerhaft verwendete und offensichtlich nicht wörtlich so gemeinte Formulierung des Landes über den Umfang der Rückzahlungsverpflichtung Zweifel blieben, müssen diese zu Lasten des Landes gehen.

Wir befürworten diese Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen. Es bestätigt unsere Vorgehensweise, als dass seitens der Klägerin/des Klägers stets die Verwaltungspraxis vor der Klage erforscht werden und dazu vorgetragen muss. Damit stehen Sie als Antragsteller oder prüfender Dritter stets auf gefestigtem rechtlichen Boden.
 
 

Zusammenfassung:

  • Das Land NRW hat sich bei der Rückforderung nicht an die bindenden Vorgaben aus den Bewilligungsbescheiden gehalten, wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbesondere Finanzierungsengpässe zu überbrücken. Wenn Zuwendungsempfänger die Corona-Soforthilfen in dem dreimonatigen Bewilligungszeitraum im Frühjahr 2020 nicht oder nur teilweise zu diesen Zwecken benötigt haben, darf das Land allerdings neue Schlussbescheide erlassen und überzahlte Mittel zurückfordern.
  • Die im Rahmen der Corona-Soforthilfe des Landes NRW geforderten Angaben waren ungeeignet, um unter Berücksichtigung der verbindlichen Festlegungen in den Bewilligungsbescheiden den letztlich verbleibenden Förderbetrag zu ermitteln. Das später vom Land NRW geforderte Rückmeldeverfahren findet in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage.
  • Endgültige Bescheide, die in fördermittelrechtlichen Kontext in vollem Umfang von automatischen Trägern erlassen werden, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage existiert, sind alleine aus diesem Grunde bereits rechtswidrig.
  • Der Staat bzw. das Land bleibt jedoch berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden "endgültigen Bescheiden" endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Dabei dürfen die Antragsteller jedoch darauf vertrauen, dass sie keine Mittel zurückzahlen müssten, die für im Bewilligungszeitraum zweckentsprechend der Förderrichtlinie pandemiebedingt rechtmäßig verwendet wurden.
  • Den Bewilligungsbescheiden war jedoch nicht zu entnehmen, dass sie auch hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen für die Rückzahlung einer noch zu entwickelnden Verwaltungspraxis unterliegen sollten.

 

  • Unsere Einschätzung: Dieses Urteil kann aus unserer Sicht genutzt werden, um einen Fokus auf etwaige nicht sachgerechte Verwaltungspraxen im Bewilligungsverfahren zu den Corona-Soforthilfen, aber auch Corona-Überbrückungshilfen zu lenken.

 
Wenn Sie Unterstützung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen zu einem negativen Bescheid benötigen, melden Sie sich gerne bei uns.  
 
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Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät seit mehreren Jahren auch im Fördermittelrecht.          
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.