FAQ für Unternehmen – Rechtslage und Rechtsschutz gegen Gasrationierungen | Fieldfisher
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Insight

FAQ für Unternehmen – Rechtslage und Rechtsschutz gegen Gasrationierungen

Locations

Germany

Stand 15. September 2022

 

 

Inhalt

A. Einleitung
B. FAQ

I. Rechtslage zur Gasrationierung: Wie ist der Notfallplan Gas ausgestaltet?
II. Wer trifft die maßgeblichen Entscheidungen der Rationierung?
III. Wie kann eine Rationierung bei Unternehmen aussehen?
IV. Nach welchen Kriterien erfolgt eine Gasrationierung?
V. Was plant die Bundesregierung aktuell?
VI. Wie können sich Unternehmen gegen Entscheidungen der BNetzA zur Wehr setzen?
VII. Und wenn ich als Unternehmen eine Entscheidung der BNetzA nicht abwarten will?
VIII. Lohnt es sich, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen zu beantragen?
IX. Was ist in diesem Zusammenhang das Energiekostendämpfungsprogramm?
X. Was plant die EU aktuell?
XI. Gibt es Rechtsschutz gegen die Pläne der EU?
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A. Einleitung

Im Falle eines kalten Winters geht der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller inzwischen von einer Gasmangellage in Form von wiederkehrenden Engpässen aus. Dann ist auch die Notfallstufe des deutschen Gasnotfallplans auszurufen und dem Staat steht in diesem Fall ein breites Spektrum an hoheitlichen Befugnissen zu, die knappe Ressource an die "richtigen" Letztverbraucher in Form von Rationierungen zu verteilen. In dieser Situation, so der Chef der Bundesnetzagentur, können keine guten Entscheidungen mehr getroffen werden.

Ein Blick in die einschlägigen Rechtsgrundlagen und weiteren Unterlagen lässt in diesem Zusammenhang Böses erahnen: Es mangelt derzeit (Stand: 15. September 2022) an einem transparenten und verbindlichen Handlungskonzept der BNetzA, wie im Falle der Knappheit das Gas unter den deutschen Marktteilnehmern zu verteilen wäre – ein für die potentiell betroffenen ansässigen Unternehmen schier existenzbedrohender Zustand.

Zwar soll mit der ab 01. Oktober anlaufenden Sicherheitsplattform Gas ein Kommunikationskanal zwischen den großen Gasverbrauchern, Pipe-Line-Betreibern, Energieversorgern und der Bundesnetzagentur etabliert werden. Ob sich diese digitale Plattform im Krisenfall hingegen bewährt, ist noch unklar.

Auch die EU-Kommission erhöht den Druck auf Deutschland. So regelt die am 09. August 2022 in Kraft getretene Verordnung zwar, dass bis zum kommenden März 2023 lediglich freiwillig 15 % des Gasverbrauches eingespart werden soll. Wenn jedoch der sog. europäische Gasnotstand festgestellt werden wird, könnte auch die EU-Kommission in Zukunft verbindliche Sparziele für die Mitgliedstaaten vorgeben.

Auch wenn das Geschehen überaus dynamisch ist, soll Ihnen der nachfolgende Beitrag die wichtigen Fragen beantworten, die immer wieder an uns herangetragen werden (FAQ). Gerade in Bezug auf eine mögliche Gasrationierung tun sich viele Rechtsunsicherheiten auf.

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B. FAQ für Unternehmen

I. Rechtslage zur Gasrationierung: Wie ist der Notfallplan Gas ausgestaltet?

Wenn das Gas droht knapp zu werden, greift der Staat zum Gasnotfallplan. Er hat die Möglichkeit drei verschiedene Krisenstufen auszurufen; die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe. Sowohl die Frühwarn- (30. März 2022) als auch die Alarmstufe (23. Juni 2022) wurden bereits in der jüngsten Vergangenheit durch den dafür zuständigen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck ausgerufen.

Welche Kriterien vorliegen müssen, damit eine der Stufen ausgerufen werden kann, ist europäisch durch Art. 11 Absatz 1 der sogenannten SoS-VO (Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. Oktober 2017) determiniert.
  1. Frühwarnstufe: Danach liegt die am 30. März ausgerufene Frühwarnstufe vor, wenn konkrete, ernst zu nehmende Hinweise vorliegen, dass ein Ereignis eintreten kann, das zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Die Frühwarnstufe knüpft also nicht an eine tatsächliche Verschlechterung an. Es handelt sich vielmehr um eine Prognoseentscheidung auf unsicherer Tatsachengrundlage.
  2. ​Alarmstufe: Im Gegensatz dazu liegt die am 23. Juni ausgerufene Alarmstufe (2. Stufe des Gasnotfallplans) bei einer außergewöhnlich hohen Nachfrage nach Gas oder einer Störung der Gasversorgung vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgung führt. Jedoch ist auf dieser Stufe der Markt noch in der Lage, die Störung oder Nachfrage zu bewältigen. Ein Eingreifen von staatlicher Seite ist insofern nur mittels nicht-marktbasierter Maßnahmen möglich

  3. Notfallstufe: Als ultima-ratio verbleibt dem Staat die Ausrufung der Notfallstufe. Diese Stufe ist immer dann erreicht, wenn eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage vorliegt und alle einschlägigen marktbasierten Maßnahmen umgesetzt wurden, die Gasversorgung aber dennoch nicht ausreicht, um die verbleibende Gasnachfrage zu decken. Ab diesem Zeitpunkt kann der Staat auch erstmalig hoheitliche Maßnahmen ergreifen!
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II. Wer trifft die maßgeblichen Entscheidungen der Rationierung?

Eine hoheitlich gesteuerte Rationierung des Gases ist lediglich innerhalb der Notfallstufe möglich. Dann kann der Staat erstmalig Verfügungen aufgrund von § 1 Absatz 1 Gassicherungsverordnung (GasSV) erlassen.

Für den Erlass dieser Verfügungen wird regelmäßig die Bundesnetzagentur (BNetzA) als Bundeslastverteiler zuständig sein und in dieser Konsequenz hoheitlich in den Markt eingreifen.

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III. Wie kann eine Rationierung bei Unternehmen aussehen?

Im Falle des Ausrufs der Notfallstufe ist davon auszugehen, dass beispielsweise Anordnungen an Großverbraucher, ihren Gasverbrauch zu reduzieren, Anordnungen der Abschaltung von einzelnen Industriekunden sowie ganzer Gasnetze oder Anordnungen zur erhöhten Gasausspeicherung erlassen werden.

Dabei liegt es auf der Hand, dass die Anordnungen für die betroffenen Unternehmen und Betriebe existenzvernichtende Auswirkungen entfalten können. Gerade im Fall der Gasknappheit steht die BNetzA also vor der Mammutaufgabe, die begrenzte und begehrte Ressource hoheitlich möglichst effizient/gerecht auf die ("richtigen") Schultern zu verteilen. Absehbar ist, dass es zu Schäden kommen wird, gerade weil die BNetzA ankündigte, hoheitliche Maßnahmen gegenüber Letztverbrauchern derzeit nur im Wege von sogenannten Allgemeinverfügungen und nur ratierlich erlassen zu können. Eine Allgemeinverfügung richtet sich nicht an einen bestimmten Empfänger (also beispielsweise nicht an Betrieb X oder Betrieb Y), sondern an Branchen in ihrer Gesamtheit. So könnte verfügt werden, dass in einer bestimmten Region alle Industriebetriebe beispielsweise der Automobilbranche einschließlich Zulieferern nicht mehr mit Gas versorgt werden (dürfen).

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IV. Nach welchen Kriterien erfolgt eine Gasrationierung?

Dazu gibt es (Stand: 15. September 2022) derzeit kein rechtlich verbindliches und detailliertes Handlungskonzept – ein für potentiell betroffene Unternehmen schier unerträglicher Zustand.

Zwar veröffentlichte die BNetzA am 17. Mai 2022 ein fünfseitiges Paper, in dem sie ihre Handlungsoptionen als Bundeslastverteiler sowie die groben Abwägungsmaßstäbe transparent gemacht hat. Allerdings fehle es zum Zeitpunkt des Erlasses an belastbaren Daten, um ein detailliertes und einzelfallgerechtes Gesamtkonzept zu erstellen. 

Abhilfe soll nun zum 01. Oktober 2022 die "Sicherheitsplattform Gas" leisten. Durch sie sollen Energieversorger und Pipeline-Betreiber in ständigem Kontakt zu der Bundesnetzagentur stehen und die Behörde mit wichtigen Daten versorgen.

Unabhängig von der Sicherheitsplattform Gas können ökonomische, ökologische und soziale Folgen laut BNetzA erst adäquat berücksichtigt werden, "wenn mittel- oder langfristiger Handlungsbedarf entsteht". Welcher Zeitraum damit gemeint ist, bleibt dabei völlig unklar.

Wenn die Bundesregierung heute die Notfallstufe feststellen würde, würde sich die Abwägung der anzuwendenden Maßnahmen lediglich an groben Abwägungskriterien orientieren: Dringlichkeit der Maßnahme, Größe der betroffenen Anlage, Vorlaufzeit zur Gasbezugsreduktion, zu erwartende wirtschaftliche Schäden sowie die Bedeutung für die Versorgung der Allgemeinheit. Es wird aufgrund dieses unverbindlichen und groben Handlungskonzeptes zu Schäden kommen, die durch eine weitergehende Datenermittlung der BNetzA, hätten vermieden werden können.

Mit Blick darauf, wie elementar die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Gas ist, steht die Normenlage überaus schlecht dar und bietet ggf. eine Angriffsfläche für ein etwaiges Gerichtsverfahren. Auch vor dem Hintergrund, dass wesentliche Entscheidungen für die Gemeinschaft nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf Basis gesetzlicher Regelungen und vom Gesetzgeber vorgegebener Abwägungskriterien getroffen werden dürfen, wirft dieser unbestimmte, vage und nicht kodifizierte Katalog an Kriterien starke rechtliche Bedenken auf.
 
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V. Was plant die Bundesregierung aktuell?

Zum 01. Oktober 2022 soll durch die digitale Sicherheitsplattform Gas ein Kommunikationskanal zwischen der Bundesnetzagentur, Energieversorgern, Pipeline-Betreiber und großen Gasverbrauchern geschaffen werden.

Unternehmen mit einer Anschlussleistung von zehn Megawatt pro Stunde sind sogar rechtlich verpflichtet, sich bis Ende Oktober auf der Sicherheitsplattform Gas zu registrieren. Unternehmen, die unterhalb dieser Schwelle liegen sind hingegen nicht von der Registrierungspflicht betroffen.
 

Prüfen Sie daher, ob auch Ihr Unternehmen unter Umständen verpflichtet ist, sich auf der Plattform zu registrieren. Nehmen Sie bei Zweifeln Kontakt zu der Bundesnetzagentur auf.
 

Auf Grundlage der Daten, die Gasverbraucher in die Sicherheitsplattform einspeisen, wird die Bundesnetzagentur in Zukunft ableiten, welche Folgen eine (Teil-)Abschaltung des Gasflusses für das Unternehmen und die Branche haben kann. Aufgrund der benötigten Gaskapazitäten, Branchenzugehörigkeit, potentiellen Ausfallschäden und anhand von Allgemeinwohlerwägungen werden die einzelnen Unternehmen von der Bundesnetzagentur bewertet und auf Basis dieser Bewertung im Falle der Gasmangellange entsprechend versorgt.

Zulasten der Unternehmen kann jedoch auch aufgrund der Sicherheitsplattform Gas nicht genau prognostiziert werden, ob Ihnen eine Gasrationierung im Falle der Notfallstufe droht. Es bleibt damit bei der unter IV. geschilderten Unsicherheit für Unternehmen.
 
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VI. Wie können sich Unternehmen gegen Entscheidungen der BNetzA zur Wehr setzen?

Klar ist: Es gibt Rechtsschutz. Wie der im Einzelnen aussehen wird, hängt maßgeblich davon ab, wie die BNetzA handelt. Doch einige grundsätzliche Überlegungen sind jetzt schon möglich.

Grundsätzlich steht nach Art. 19 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) jedem Unternehmen der Rechtsweg offen – so auch gegen die Verfügungen der BNetzA, die als Verwaltungsakt (zurzeit wohl als Allgemeinverfügung) ergehen. Hierfür ist nach § 75 Absatz 4 EnWG das OLG Düsseldorf zuständig, das über Beschwerden gegen eine Verfügung der Bundesnetzagentur (Sitz in Bonn) in seiner originären Zuständigkeit (das ist der Fall) entscheidet.  Eine gerichtliche Überprüfung ist dabei nur mittels der sogenannten Beschwerde möglich, vgl. § 75 Absatz 1 EnWG. Soweit gegen die Verfügung der Bundesnetzagentur vorgegangen werden soll, ist hierbei die Anfechtungsbeschwerde statthaft.

Hauptsacheverfahren nehmen in der Regel mehrere Monate oder Jahre in Anspruch – bis dahin ist der Schaden bereits eingetreten. Auch die Beschwerde vor dem OLG kann jedoch im Eilrechtsschutz verfolgt werden.

Im Ernstfall müssen betroffene Unternehmen das Eilverfahren suchen mit dem Ziel, dass a) die entsprechenden Verfügungen der BNetzA außer Kraft gesetzt werden und dass sie b) angemessen an den vorhandenen Gaskapazitäten beteiligt werden. Eilrechtsschutz kann dabei nach § 77 Absatz 3 EnWG gewährt werden, wonach das OLG Düsseldorf die sofortige Vollziehung von Verfügungen der Bundesnetzagentur vorläufig außer Kraft setzen kann. Daraus würde folgen, dass die Bundesnetzagentur ihre Verfügungen so lange nicht vollziehen kann - und damit in den relevanten Fällen die Gasverteilung nicht regelt – bis das OLG Düsseldorf eine Entscheidung in der Hauptsache verkündet hat. Diese – praktisch mögliche – Konstellation würde in Anbetracht der drohenden Beschwerdewelle und damit einhergehenden Überlastung der Düsseldorfer Justiz dazu führen, dass die Bundesnetzagentur ihrer Aufgabe als Bundeslastverteiler im Falle der Auslösung der Notfallstufe faktisch nicht nachkommen könnte.

Nur den Antrag auf Aufhebung der Verfügung der BNetzA zu stellen, wird voraussichtlich nicht reichen, da daraus noch keine Versorgung mit Gas erfolgt – es muss wohl noch ein weiterer Antrag hinzukommen, gerichtet auf eine angemessene Verteilung an den vorhandenen Kapazitäten.

Dabei wägt das Gericht u.a. ab, ob die Entscheidung in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat und ob ein Abwarten unzumutbar ist. Die Gerichte prüfen die Sach- und Rechtslage summarisch und treffen vorläufige Anordnungen. Wer gute Gründe gegen die Entscheidung der BNetzA vorbringen kann, ist damit nicht chancenlos.
 
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VII. Und wenn ich als Unternehmen eine Entscheidung der BNetzA nicht abwarten will?

Dann gibt es die abstrakte Möglichkeit eine vorbeugende Feststellungsbeschwerde zu erheben.

Das Problem dabei: Grundsätzlich ist der Rechtsschutz gegen die zukünftigen Allgemeinverfügungen vorrangig (sog. Vorrang repressiven Rechtsschutzes). Dies führt dazu, dass ein Unternehmen in der Regel zunächst eine Verfügung der BNetzA abwarten muss und dagegen dann die oben beschriebenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft.

Wenn ein Abwarten unzumutbar ist, kann jedoch in engen Ausnahmefällen auch eine vorbeugende Abwehr (also bevor eine Entscheidung der BNetzA gefallen ist) gerichtlich beantragt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein nicht mehr ausräumbarer oder sonst nicht mehr wiedergutzumachender Schaden droht.

Wenn man sich die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von einer stetigen Gasversorgung vor Augen führt, ist ein vorbeugender Rechtsschutz daher nicht komplett abwegig. Lassen Sie uns über Vor- und Nachteile dieser Rechtsschutzmöglichkeit sprechen.
 

Abgesehen davon kann es in bestimmten Fällen sinnvoll sein, die Bundesnetzagentur vorab schriftlich darauf hinzuweisen, warum ein Unternehmen nicht von der Gasversorgung abgetrennt werden darf.  Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz ist die Bundesnetzagentur verpflichtet, solche Eingaben bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Derartige Eingaben können dann auch später die Chancen in einem gerichtlichen Verfahren deutlich erhöhen.
 
 
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VIII. Lohnt es sich, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen zu beantragen?

Das kann derzeit niemand prognostizieren. Aber die Gegenfrage lautet: Soll eine harte Entscheidung mit gegebenenfalls existenzvernichtenden Folgen für den Betrieb einfach akzeptiert werden? Aus Sicht eines Geschäftsführers kann es hier sinnvoll sein, alle Mittel zu ergreifen, um Schaden abzuwehren – und damit auch das gerichtliche Verfahren. Wir rüsten uns jedenfalls mit unserer prozessualen Erfahrung bereits für solche Verfahren. Dabei können wir auf Erfahrungen aus hunderten Verfahren zurückgreifen, auch solche, bei denen es für Unternehmen um existentielle Fragen ging.
 
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IX. Was ist in diesem Zusammenhang das Energiekostendämpfungsprogramm?

Mit der Veröffentlichung des Energiekostendämpfungsprogrammes versucht der Bund, bereits etwas Druck von sogenannten "besonders gefährdeten Wirtschaftsbranchen" durch nicht-rückzahlungspflichtige Zuschüsse zu nehmen. Seit Freitag, 15. Juli 2022 können Anträge online über das BAFA-Portal "ELAN-K2" gestellt werden. So kann ihr Unternehmen mit bis zu max. 50 Mio. EUR bezuschusst werden.

Ziel des EKDP: besondere Härten zielgerichtet abzufedern und existenzbedrohende Situationen für betroffene Unternehmen zu vermeiden. Ein entsprechender Antrag kann noch bis zum 30. September 2022 eingereicht werden.

Wenn Sie mehr über diese Förderungsmöglichkeit erfahren möchten, verweisen wie Sie auf unseren ausführlicheren Beitrag "Verlängerung bis zum 30. September 2022: Das Energiekostendämpfungsprogramm des Bundes".
 
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X. Was plant die EU aktuell?

Am Dienstag, den 09.08.2022 ist der Gas-Notfallplan der EU als Verordnung in Kraft getreten. Danach soll der Gasverbrauch der Mitgliedstaaten bis zum kommenden März um 15 % reduziert werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Sparziele zunächst nicht wie ursprünglich geplant erzwungen werden können.

Die Entscheidung fußt auf Grundlage von Art. 122 Absatz 1 AEUV. Demnach kann der Rat auf Vorschlag der Kommission Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage beschließen, wenn insbesondere im Energiebereich erhebliche Schwierigkeiten bei der Versorgung auftreten. Die Kommission hat dabei das Rechtsinstrument der Verordnung gewählt. Sie beinhaltet in einem ersten Schritt, den Mitgliedstaaten die Zielvorgabe mitzugeben, vom 1. August 2021 bis 31. März 2023 die Gasnachfrage um 15 % zu senken. Sollte dies nicht ausreichen, gibt die Verordnung die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten (mind. 15 von 27 EU-Mitgliedstaaten) gemeinsam einen sogenannten Unionsalarm ausrufen, um alle Mitgliedstaaten zur Senkung der Gasnachfrage verbindlich zu verpflichten.

Überdies plant die EU, den Mitgliedsaaten Grundsätze und Kriterien mitzugeben, um den Mitgliedstaaten die Senkung der Gasnachfrage zu erleichtern. Insbesondere soll Gas durch andere Energieformen nach und nach ersetzt werden. Ferner soll in allen Sektoren Energie eingespart werden, um das oberste Ziel, die Versorgung von systemrelevanten Nutzern wie etwa Krankenhäusern, sicherzustellen. Weiterhin sollen Sektoren und Branchen priorisiert werden, die für das reibungslose Funktionieren der EU-Lieferketten von entscheidender Bedeutung sind. Ferner soll vermieden werden, dass eine Reduzierung der Gasversorgung in einzelnen Branchen dazu führt, dass die Produktion nur durch behördliche Genehmigungen und/oder erhebliche Kosten wiederaufgenommen werden kann.

Aufgrund des Charakters des Plans als Verordnung nach § 122 I AEUV ist sie nur für einen begrenzten Zeitraum vorgesehen. Ihre Geltung ist vorerst auf ein Jahr beschränkt.
 
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XI. Gibt es Rechtsschutz gegen die Pläne der EU?

Da die Verordnung bei Inkrafttreten zu erheblichen Einschränkungen für Unternehmen führen kann, stellt sich die Frage nach Rechtsschutzmöglichkeiten. Hierbei ist zunächst an Art. 263 AEUV zu denken. Hier heißt es in Absatz 4, dass, "jede natürliche oder juristische Person (…) gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen", vor dem EuGH Klage erheben kann. Mit dieser sogenannten Nichtigkeitsklage ist es also auch Unternehmen grundsätzlich möglich, sich gegen Rechtsakte der Union zur Wehr zu setzen.

Für ein Vorgehen gegen die EU selbst fehlt es aber am Unmittelbarkeitscharakter der Verordnung, da diese nicht ausreichend die Gasverteilung prägt. Vielmehr haben die für die Gasverteilung zuständigen nationalen Behörden (in Deutschland die Bundesnetzagentur) nur Leitlinien zur Gasverteilung an die Hand bekommen. Über die tatsächliche Verteilung entscheiden sie im Notstandsfall aber selbst.

Es wird also auch weiterhin darauf ankommen, vor nationalen Gerichten zu klagen, konkret vor dem OLG Düsseldorf. Wie die Mitgliedstaaten Gas einsparen, bleibt weiterhin ihnen überlassen. Zusammengefasst heißt das, dass es keinen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der EU selbst gibt; zumindest nicht für Unternehmen. Das Ganze kann sich jedoch ändern, sollte die EU die Gasverteilung in den Mitgliedstaaten tatsächlich in vollem Umfang selbst regeln wollen.
 
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Über die Autoren

Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher. Er berät Unternehmen und den öffentlichen Sektor, vor allem in komplexen Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts und bei Streitigkeiten. Er berät u.a. die Tree Energy Solutions GmbH (TES) beim Bau eines Import Terminals für verflüssigte Gase in Wilhelmshaven. Er ist zudem Experte für Fördermittel und hat Prozesserfahrung aus vielen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
 
Tanja Ehls begleitet als Rechtsanwältin im Frankfurter Büro von Fieldfisher regelmäßig Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber sowie bei der Dokumentation und dem Berichtswesen. Sie berät zudem zu zuwendungsrechtlichen Einzelfragen sowie zu begleitenden beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Aspekten. Zu ihren Mandanten gehören Unternehmen in Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessen, Ministerien und Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

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