Änderungen im Nachweisgesetz: Die wichtigsten Fragen und Antworten | Fieldfisher
Skip to main content
Insight

Änderungen im Nachweisgesetz: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Locations

Germany, United Kingdom

Am 23. Juni 2022 wurde das Gesetz zur Änderung des Nachweisgesetzes verabschiedet. Durch die Gesetzesänderung werden bereits bestehende Nachweispflichten von Arbeitgebern zum Teil drastisch erweitert. Nun drohen im Falle von Verstößen Bußgelder von bis zu EUR 2.000 pro Verstoß. Zudem werden bislang geltende Nachweisfristen zum Teil erheblich verkürzt.

Die Gesetzesänderung tritt bereits am 1. August 2022 in Kraft und entfaltet dann sowohl für neue aber auch für alle bestehenden Arbeitsverhältnisse Wirkung. Arbeitgeber sollten daher umgehend bestehende Vertragsmuster überprüfen und anpassen sowie auf die Geltendmachung von Informationsansprüchen bereits bestehender Arbeitnehmer gefasst sein.

Welche erweiterten Nachweispflichten gelten?
Folgende wesentliche Arbeitsvertragsbedingungen müssen künftig unter anderem zusätzlich zu den bereits aktuell im Nachweisgesetz genannten Arbeitsvertragsbedingungen aufgenommen werden:

  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum der Beschäftigung.
  • Die Dauer der Probezeit. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss diese zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit in einem angemessenen Verhältnis stehen.
  • Die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen.
  • Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden sowie deren Voraussetzungen und Vergütung.
  • Sofern vereinbart, die Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf.
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung.
  • Sofern vereinbart, die Möglichkeit der freien Wahl des Arbeitsortes.
  • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen.
  • Der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt.
  • Das bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
  • Ein Hinweis auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
  • Im Übrigen bestehen im Falle von Auslandsaufenthalten in Entsendefällen erweiterte Unterrichtungspflichten.
Welches Formerfordernis gilt?
Die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen müssen dem Arbeitnehmer auch weiterhin in Schriftform ausgehändigt werden. An einer handschriftlichen Unterzeichnung auf Papier und einer Übergabe des Dokuments kommen Arbeitgeber damit weiterhin nicht vorbei. Anders als in anderen Europäischen Ländern ist nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers die Zurverfügungstellung der Informationen in elektronischer Form oder eine digitale Unterzeichnung nicht möglich.
 
Welche Nachweisfristen gelten?
Bezüglich der Nachweisfristen ist zwischen Altverträgen, die bereits vor dem 1. August 2022 begonnen haben und Neueinstellungen ab dem 1. August 2022 zu unterscheiden.

 

  • Bei Altverträgen müssen Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesem innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich aushändigen.
  • Bei Neueinstellungen mit Arbeitsbeginn ab dem 1. August 2022 ist ein schriftlicher Nachweis über die wesentlichsten Bedingungen des Arbeitsvertrages bereits am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses gefordert. Andere Arbeitsvertragsbedingungen müssen binnen sieben Tagen ausgehändigt werden, während einige wenige weitere Bedingungen spätestens einen Monat nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses vorliegen müssen. Aus Praktikabilitätsgründen sollten jedoch sämtliche Informationen bereits am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses vorliegen.

Welche Sanktionen sind vorgesehen?
Das neue Gesetz sieht erstmals konkrete Sanktionen bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz durch den Arbeitgeber vor. Werden die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig nachgewiesen, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 2.000 pro Verstoß.

Im Übrigen ist nicht auszuschließen, dass bei einem nachweislichen Verstoß gegen die Regelungen des Nachweisgesetzes als geltende arbeitsrechtliche Verpflichtung der Ausschluss von der Teilnahme an Vergabeverfahren von öffentlichen Auftraggebern droht. Diese mögliche Konsequenz sollte von solchen Arbeitgebern nicht unterschätzt werden, die regelmäßig an öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmen.
 
Was ist jetzt zu tun?
Insbesondere vor dem Hintergrund der teilweise kurzen Nachweisfristen sollten Sie sich ab sofort auf die Änderungen im Nachweisgesetz vorbereiten. Sie sollten also Ihre Arbeitsvertragsmuster prüfen und anpassen, Musternachweise über die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen entwerfen, sowie interne Verfahren und Prozesse für Anfragen definieren. Dabei muss wiederum unterschieden werden zwischen am 1. August 2022 bereits begründeten und neu zu begründenden Arbeitsverhältnissen.

  • Für bereits begründete Arbeitsverhältnisse sollten Sie entweder eine schriftliche Vertragsergänzung oder eine Vorlage für einen schriftlichen Musternachweis über die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen vorbereiten. Dieser sollte den Anforderungen des geänderten Nachweisgesetzes genügen, damit Sie diesen auf Anfrage der Arbeitnehmer fristgerecht aushändigen können.
  • Für neu zu begründende Arbeitsverhältnisse sollten Sie Arbeitsvertragsmuster auf Konformität mit dem geänderten Nachweisgesetz überprüfen und die notwendigen Anpassungen vornehmen. Auch hier ist es grundsätzlich möglich, bei Vertragsschluss einen entsprechenden schriftlichen Musternachweis über die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen auszuhändigen. Das Nachweisgesetz sieht nicht vor, dass sämtliche Nachweise zwingend im Arbeitsvertrag erfolgen müssen. Je nach Einzelfall wäre es auch wenig praxistauglich, da insbesondere detaillierte Hinweise zu Kündigungsverfahren Arbeitsverträge überfrachten würden

 

Kontakt

Bei sämtlichen Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen Dr. Marcus Iske und Anne Bremer gerne zur Verfügung.

Dr. Marcus Iske
Partner
+49 211 950 749 33
marcus.iske@fieldfisher.com

Anne Bremer
Associate
+49 211 950 749 41
anne.bremer@fieldfisher.com

 

Spezialgebiete

Employment